Illustrer Hersteller abgemahnt

Corona-Wunderbonbons aus der Apotheke

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Berlin -

Werbeaussagen zu Gesundheitsprodukten sind ein schmaler Grat. Die Hersteller testen die Grenzen aus, um möglichst effektiv zu werben, ohne mit den Vorschriften in Konflikt zu kommen. Die ganz feine Klinge hat die Firma PVG Inova nicht benutzt, als sie ihre Kräuterbonbons mit dem Satz „Pulmat schützt gegen Corona-Virus“ bewarb. Das hat dem Hersteller Ärger mit einem Wettbewerbsverband eingebracht. Geschäftsführer Dr. Hans Weiss verteidigt sein Produkt.

Bei Pulmat handelt es sich um Kräuterbonbons, die es laut einem Radiospot „in jeder guten Apotheke“ gibt. Das Extrakt enthält laut Verpackung knapp zwei Dutzend Substanzen. Einer Studie mit 4200 Probanden – aber ohne weitere Quellenangaben – zufolge scheint es ein echtes Wundermittel zu sein: „Eine gute bis sehr gute Reduzierung des Hustens ist bei 90,24 Prozent, bei Reizhusten sogar bei 93,02 Prozent der Fälle erzielt worden“, heißt es auf einem Flyer. Und so geht es weiter: Reduzierung des Auswurfs (83,33 Prozent) und die Probanden bekommen besser Luft (97,56 Prozent), auch bei Asthma und COPD. Und 87,5 Prozent der Patienten mit Sinusitis seien innerhalb weniger Tage beschwerdefrei gewesen, nachdem zuvor andere Heilmethoden ohne Erfolg geblieben waren.

Wer steckt hinter diesen erstaunlichen Bonbons? PVG Inova hat ihren Sitz in einer Wohnsiedlung im bayerischen Aystetten und ein Postfach im nahegelegenen Augsburg. Laut Homepage sind die Bonbons aber nur der erste Mosaikstein im Produktportfolio. Sogar an der Entwicklung von Zytostatika wird angeblich gearbeitet. Im Rahmen von Studien werde ein Präparat derzeit kostenlos an austherapierte Patienten abgegeben. Bei „Carcinolyt A“ „Carconolyt B“ werde „die Entwicklung als letztes durchgeführt“, wegen der hohen Kosten. Noch in der Pipeline befindet sich das Antibiotikum XX1 – der Markenname soll erst nach der Zulassung bekannt gegeben werden. Gut schluckbarer in Kapselform soll es sein und sehr haltbar, außerdem gegen MRSA-Bakterien wirken. Ebenfalls noch in der Entwicklung sind das Nahrungsergänzungsmittel „Longlife“ und das Migränemittel „Migrolyt“.

Die Bonbons wurden dagegen zuletzt schon auf der Gesundheitsmesse „Franken aktiv & vital“ feilgeboten, die Anfang März in Bamberg noch veranstaltet wurde: Auf einem Flyer hieß es: „Pulmat schützt gegen Corona-Virus“. Eine Packung wurde an Stand F12d für 4 Euro angeboten, der 3er-Pack zu 10 Euro. Als Referenz wurde der „Apothekenpreis“ mit 5,80 Euro angegeben. Nach Angaben des Herstellers ist das Produkt aber nur in Apotheken erhältlich, die von Alliance Healthcare, Gehe oder direkt von PVG Inova beliefert werden. Auf einem Flyer wirbt der Hersteller sogar mit den Logos der Großhändler und der dazugehörenden Apothekenkooperationen.

Ein Wettbewerbsverein ist inzwischen gegen die Bewerbung des Produkts vorgegangen und hat den Hersteller abgemahnt. Geschäftsführer Weis geht auf die rechtliche Auseinandersetzung gegenüber APOTHEKE ADHOC nicht ein. Zum Status seines Präparats erklärt er: „Pulmat ist kein Medikament, weil die Zulassung mit vielen Reinstdarstellungen und 100.000en erforderlichen Tierversuchen das Produkt so teuer machen würden, dass es sich nur die wenigsten leisten könnten. Deshalb dürfen wir auch grundsätzlich kein Heilversprechen machen.“

Das ändere aber nichts an der Tatsache, dass von dem Produkt „überragende Behandlungsergebnisse berichtet werden von Patienten und Ärzten, die Pulmat bereits benutzten oder verordnen“, so Weis weiter. Die zum Teil seit Jahrtausenden in verschiedenen Kulturen bekannten Heilkräuter „wirken im Pulmat deswegen so stark, hoch konzentriert und akut, weil sie inhalativ direkt an den Ort der Erkrankung kommen wie zum Beispiel an Bronchien, Kehlkopf oder Nasennebenhöhlen“. Bei Hustensäften komme dagegen in den Bronchien nur ganz wenig an.

Und auch von der Corona-Behauptung rückt der Geschäftsführer auf konkrete Nachfrage nicht vollends ab: „Wir haben viele Faktoren, weshalb wir vermuten und zum Teil sogar sicher sind, dass Pulmat zur Vermeidung einer Corona-Virus-Infektion einen Schutz darstellt.“ Das Argument: Wer wegen Hustenreizstillung nicht mehr hustet, steckt andere nicht so leicht an. Außerdem gebe es Hinweise von einigen Firmen, dass der Krankenstand durch virale grippale Erkrankungen deutlich gesunken sei, als die Belegschaft in den beiden vergangenen Wintern die Bonbons verwendet habe. „In unserer Firma war auch niemand erkrankt, weil wir regelmäßig Pulmat benutzten“, so Weis. Bei der Messe in Bamberg und zwei späteren Messen habe sich niemand angesteckt, auch nicht ein besonders wegen COPD gefährdeter Mitarbeiter.

Die Zahlen seien aber noch viel zu niedrig, um hier eine beweisende Aussage machen zu können, räumt Weis ein. Doch der Internist bezieht sich auf eigene Erfahrungen. Einen Covid-19-Erkrankten habe er mangels Schutzmöglichkeiten „nur unter meinem eigenen Pulmat-Schutz“ behandelt. „Ich wurde nicht krank und mein Patient gesundete unter Pulmat-Behandlung innerhalb von zwei Tagen.“ Es sei anzunehmen, dass das Bonbon auch bei stärker an Covid-19-Erkrankten „erhebliche zusätzliche Erleichterungen bereiten könnte, weil Pulmat stark broncholytisch und lokal antiphlogistisch wirkt“. Mit ähnlich angedeuteten Wirkversprechen geht es noch eine Weile weiter.

Weis macht keine Angaben, in wie vielen Apotheken sein Präparat derzeit abgegeben wird. Die Bereitschaft der Apotheken sei sehr unterschiedlich: „Einige lehnen Pulmat ab, weil sie mit Hustensaft mehr zu verdienen glauben. Andere haben die Bedeutung von Pulmat erkannt und so verkaufen in Hamburg, Berlin, München, am Bodensee“, so der Geschäftsführer. Manche Apotheken verkauften hunderte Packungen im Monat.

Ärzte und Apotheker, die die Bonbons bei sich eingesetzt hätten, verordneten und verkauften es lebhaft. „Schließlich hat Pulmat eine ausgezeichnete Wirkung bei Stimmstörungen, Heiserkeit und belegter Stimme, weshalb es bei Sängern und Rednern von großem Wert ist, wenn Sie vor ihrem Auftritt Störungen ihrer Stimme haben.“ Zu den Umsätzen macht Weis keine absoluten Angaben, 2018 seien sie 683,46 Prozent gestiegen, im vergangenen Jahr sogar um 886,96 Prozent.

Auf einem anderen Flyer führt der Hersteller noch aus, das Pulmat als Naturheilmittel bei der Kommission E der Ärzteschaft zugelassen werden soll. Der Antrag laufe, an einem Erfolg hat der Hersteller keine Zweifel, schließlich seien die enthaltenden Kräuter schon im alten Griechenland, Ägypten und Persien und bei Hildegard von Bingen bekannt gewesen. „Unser Pulmat wurde von uns nicht als zugelassenes Medikament auf den Markt gebracht, weil es dann über 100 Euro pro Packung kosten würde. Deshalb dürfen wir auch keine Heilversprechen machen“, heißt es auch hier. Man müsse sonst für jede einzelne Substanz an tausenden Tieren wie Ratten, Hunde und Affen die 50-Letaldosis bestimmen. Tausende einzelne Wirkstudien wären erforderlich – und das würde hunderte Millionen Euro kosten. Den Aufwand will man sich offenbar sparen.

 

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