Manfred Albrecht darf seine Stadttor-Apotheke in Greven momentan nicht betreten. Der Inhaber und fast sein ganzes Team befinden sich in Quarantäne. Deshalb steht der Betrieb still. Eine PTA infizierte sich privat mit Sars-Cov-2. Um seinen Kunden eine Notversorgung anbieten zu können, fragte der Pharmazeut seine Mitbewerber um Hilfe. Sechs Apotheken meldeten sich sofort zurück.
Albrecht arbeitet wie viele Kollegen am Limit. „Ich fühle mich zehn Jahre älter“, sagt der Apotheker, der in diesem Jahr sein 20. Apothekenjubiläum feiert. Seit März bietet er eine Teststelle an und erweitert diese stetig. „Ich habe seit Wochen keine Freizeit mehr.“ Der Corona-Fall im Team am vergangenen Donnerstag bescherte ihm zusätzliche Arbeit. Er musste seinen Betrieb schließen an. Das Virus sei „in die Apotheke reingetragen worden“, sagt Albrecht. Er und der Rest des Teams seien bis heute immer negativ getestet.
Die gute Nachricht: Die infizierte PTA zeige zwar Symptome, ihr gehe es aber den Umständen entsprechend gut. Dass sich nicht mehr Mitarbeiter:innen angesteckt hätten, liege auch an den Hygienemaßnahmen in der Apotheke, sagt Albrecht. Der Inhaber arbeitet momentan im Home-Office und ist für den Telefondienst zuständig. Er versuchte er umgehend, einen Notbetrieb einzurichten. Die Quarantäne wurde für drei Wochen angeordnet, weil in der Region die britische Virusvariante B.1.1.7 verbreitet ist. Diese ist laut Robert Koch-Institut (RKI) leichter von Mensch zu Mensch übertragbar als die zuvor zirkulierenden Varianten und weist eine höhere Reproduktionszahl auf.
Für den Notbetrieb der Apotheke ist angesichts der Aufsichtspflicht ein anwesender Approbierter notwendig. „Daran darf auch nicht gerüttelt werden“, sagt Albrecht. Er kontaktierte Kollegen in Greven und bekam prompt Rückmeldung: „Sechs Mitarbeiter:innen aus sechs Apotheken haben sich bereit erklärt mitzuhelfen.“ Darunter seien Angestellte und Inhaber. Zwei weitere ehemalige Mitarbeiter:innen der Stadttor-Apotheke sagten Albrecht ebenfalls zu.
Der Apotheker freut sich über den Rückhalt in seiner Stadt. „Die Kollegialität und Hilfsbereitschaft ist eine tolle Sache. So emotional einen die momentane Lage herunterziehen kann, so aufmunternd ist die Erkenntnis, dass Hilfe erbracht wird.“ Die einzige verbleibende PTA, die nicht in Quarantäne sei, arbeite eigentlich nur halbtags. „Sie ist jetzt Vollzeit da, das ist bewundernswert.“
In den vergangenen Tagen und der kommenden Woche kann Albrecht wegen der zugesagten Hilfe stundenweise öffnen und seine Kunden versorgen. Dass er sich Mitbewerber in den eigenen Betrieb holt, hält er für unproblematisch. „Im Prinzip kennen wir uns alle. Bei uns ist nichts Verbotenes zu sehen.“
Wie die Vergütung der Kollegen erfolgt, sei noch nicht geregelt. „Ich habe den neuen Öffnugnsplan vorgestern zusammengestellt und die angebotene Hilfe sortiert“, sagt Albrecht. Alles Weitere werde im Anschluss geregelt. Nach dem Gehalt habe zunächst keiner gefragt. Er sei auch noch damit beschäftigt zu klären, wie er mit den Lohnfortzahlungen der Mitarbeiter in Quarantäne umgehen werde. „Ich bin dabei, das zu regeln und prüfe gerade, welche Entschädigungsfonds dafür in Frage kommen.“
Weil er nicht in seine Apotheke darf, häufe sich noch mehr Arbeit an. „Ich hoffe, dass ich am Sonntag meinen Quarantänestandort in die Apotheke verlegen darf.“ Dann könne er Liegengebliebenes nacharbeiten und Dinge für die externen Kollegen vorbereiten. Doch das Gesundheitsamt genehmige leider auf Nachfrage keine Verlegung des Quarantäneortes in die Apotheke. Das sei sehr schade.
Er hofft, ab dem 23. April wieder öffnen zu können, wenn er und sein restliches fünfköpfiges Team weiterhin negativ getestet werden. Auch das Testzentrum, das direkt an die Apotheke angegliedert ist, soll dann wieder Fahrt aufnehmen. Aktuell könnten mit einer Mitarbeiterin im Schnitt bis zu 25 Personen getestet werden. Als Albrecht mit im Dienst war, waren es doppelt soviele.
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