Laxanzien genießen oft keinen guten Ruf – dennoch sind viele Menschen dauerhaft auf sie angewiesen. Leiden Patient:innen unter einer chronischen Verstopfung, geht es ohne die regelmäßige Einnahme nichts, wie Professor Dr. Ahmed Madisch, Leitlinien-Co-Autor der aktuellen S2k-Leitlinie chronische Obstipation erklärt. Die Angst vor der Anwendung sei unbegründet.
Wird in der Apotheke nach einem Abführmittel verlangt, wird dies häufig mit Vorsicht und mahnenden Worten abgegeben. Denn noch immer hält sich der Mythos von Gewöhnung und Abhängigkeit. Doch Patient:innen mit einer funktionelle, chronischen Obstipation sind auf eine regelmäßige Anwendung der Laxanzien angewiesen, um Symptomfreiheit zu erlangen und zu behalten.
Eine Verstopfung kann sich unterschiedlich zeigen: Während Patient:innen oft den Fokus auf hohen Pressdruck und harte Konsistenz des Stuhls legen, schauen viele Mediziner:innen vor allem auf die Stuhlfrequenz, wie Madisch erklärt. Das Krankheitsbild werde jedoch durch die subjektiven Beschwerden bestimmt. Demnach können auch Patient:innen mit täglichem Stuhlgang – die jedoch stark pressen müssen – unter einer Obstipation leiden.
Besonders häufig sind Frauen und ältere Menschen betroffen, aber auch viele jüngere Patient:innen würden oft bereits seit der Kindheit unter einer trägen Verdauung leiden, so Madisch. Zu häufig finde eine inkonsequente Behandlung statt – mal werde die Obstipation für eine Weile regelmäßig behandelt, bei Besserung dann jedoch wieder nicht. „Bei funktioneller Obstipation handelt es sich jedoch um ein chronisches Problem. Das geht nicht einfach so weg. Deshalb ist eine kontinuierliche Behandlung notwendig“, so der Mediziner. Denn die Betroffenen leiden auch unter weiteren Beschwerden wie Bauchschmerzen, Krämpfen, Blähungen oder dem Gefühl einer unvollständigen Darmentleerung. Insgesamt sei die Lebensqualität körperlich und psychisch daher massiv eingeschränkt.
Bei mehr als 80 Prozent der Betroffenen handelt es sich jedoch um eine funktionelle Obstipation oder ein Reizdarmsyndrom.
Im Rahmen der Behandlung stehen zunächst einige Allgemeinmaßnahmen im Fokus, welche auch in der Apotheke mit auf den Weg gegeben werden können: Neben einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr sollte vor allem auf regelmäßige Bewegung und eine ballaststoffreiche Ernährung geachtet werden. Bei leichten Formen können diese Faktoren bereits eine Verbesserung der Symptomatik erzielen. Allerdings: „Bei Patienten mit langsamem Transit führen Ballaststoffe zu einer Verschlechterung der Symptomatik, so Madisch. „Die Effekte der Lebensstil-Änderungen sind zudem eher gering, wie Studiendaten zeigen.“
Bringen sie nicht den gewünschten Erfolg und liegt keine Entleerungsstörung vor, empfiehlt die Leitlinie den Einsatz von Laxanzien in der Langzeitanwendung. Diese sei „möglich und nötig“, erklärt Madisch. Denn die Mythen der Laxanzien-Therapie hätten längst ausgedient: Es gebe keine Evidenz für eine Schädigung von Nerven oder Muskulatur des Darmes, ein erhöhtes Darmkrebsrisiko, Elektrolyterlust oder eine Gewöhnung, Sucht oder Abhängigkeit. Klar davon abzugrenzen seien selbstverständlich offensichtliche Fälle von Laxanzien-Abusus.
Empfohlen werden als Mittel der Wahl Macrogole, Natriumpicosulfat und Bisacodyl. „Eine Begrenzung des Einnahmezeitraumes ist unbegründet“, heißt es in der Leitlinie. Mehr als 80 Prozent der Betroffenen könnten mit diesen Substanzen eine Regulierung der Obstipation erreichen, so Madisch. Auch in der Schwangerschaft könnten Laxanzien eingesetzt werden, wenn Frauen unter entsprechenden Problemen leiden. Bei geriatrischen Patient:innen werden ebenfalls osmotisch wirksame und stimulierende Wirkstoffe empfohlen.
Die Behandlung sollte sich sowohl bei der Auswahl des Wirkstoffes, der Applikationsform als auch in Dosierung, Einnahmefrequenz und Dauer an den individuellen Bedürfnissen der Patienten orientieren.
Madisch spricht den Apotheken bei der Beratung eine wichtige Rolle zu: „Sie sind häufig früher Ansprechpartner bei solchen Problemen – noch lange bevor Ärzte hinzugezogen werden.“ Wichtig sei daher, die Wirkung der OTC-Präparate zu erklären. In jedem Fall solle erfragt werden, ob bereits eine Abklärung der Beschwerden stattgefunden hat. Die freiverkäuflichen Wirkstoffe könnten als Therapieversuch empfohlen werden und seien eine „sichere Therapie“.
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