Belästigung durch Kunden

„Apotheker müssen ihre Mitarbeiterinnen schützen“

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Berlin -

Fast drei Viertel aller Mitarbeiter in Apotheken sind Frauen. Nicht wenige von ihnen haben bereits Erfahrungen mit Belästigung am Arbeitsplatz gemacht. Für viele ist es ein Tabuthema. Die Berliner Anlaufstelle Lara setzt sich für mehr Aufklärung und einen offenen Umgang ein. Gegenüber APOTHEKE ADHOC erklärt Carola Klein, Beraterin und verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit bei Lara, wie Apotheker ihren Mitarbeiterinnen ein Gefühl von Sicherheit geben können und wie mit aufdringlichen Kunden umzugehen ist.

ADHOC: Ist die Apotheke mit ihrem hohen Frauenanteil und dem starken Kundenkontakt besonders anfällig für sexuelle Belästigung?
KLEIN: Apothekerinnen, PTA und PKA sind nach unseren Erkenntnissen nicht gefährdeter als die meisten anderen Berufsgruppen. Bedrohter sind Pflegerinnen, Masseurinnen oder Physiotherapeutinnen – also vor allem Berufe, in denen es direkten Körperkontakt zwischen Patienten und Personal gibt. Hier verschiebt sich auch die Quelle der Bedrohung, denn sonst tritt sexualisierte Gewalt meist zwischen Kollegen auf.

ADHOC: Wie können betroffene Frauen Belästigung schon im Ansatz unterbinden?
KLEIN: Eine deutliche Abgrenzung und ein klares „Nein“ sind gut. Aber nicht jede Frau kann das. Manche haben zum Beispiel einfach Angst, einen Kunden zu verärgern. Hier muss das Signal vom Arbeitgeber kommen, dass die Betroffenen mit ihren Sorgen nicht allein gelassen werden. Sie müssen ihre Angestellten ernst nehmen, wenn diese ein komisches Gefühl haben, ganz gleich ob die Situation eigentlich harmlos wirkt. Natürlich soll das nicht einem freundlichen Miteinander im Arbeitsalltag entgegenstehen. Aber sexualisierte Gewalt findet oft von oben nach unten statt. Hat eine junge Angestellte also das Gefühl, dass ihr Chef sie damit allein lässt, macht es das nur noch schlimmer.

ADHOC: Woran erkennen Betroffene die Grenze zwischen harmlosem Umgang und echter Belästigung?
KLEIN: Das ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Jeder hat ein individuelles Distanzbedürfnis und eine eigene Grenze, was noch okay ist und was nicht. Auch hier liegt es in der Verantwortung des Vorgesetzten, Gespräche anzubieten und klare Grenzen zu definieren. Dazu gehört auch die Frage, wie viel Distanz man vom Kunden verlangt, der die Apotheke betritt. Dass ein Kunde einer jungen PKA-Auszubildenden Blumen schenkt, ist beispielsweise ein No-Go. Das muss auch entsprechend kommuniziert werden. Zudem ist es wichtig, dass der Vorgesetzte im Kontakt mit seinen Mitarbeitern ein eindeutiges Verhalten an den Tag legt, damit keine Missverständnisse und kein unklares Gefühl untereinander entstehen.

ADHOC: An wen sollten sich Betroffene wenden, wenn ein „Nein“ nicht mehr ausreicht?
KLEIN: Der Arbeitgeber ist in der Pflicht, seine Mitarbeiter zu schützen und die Belästiger zurechtzuweisen. Es ist wichtig, den Betroffenen nicht das Gefühl zu geben, dass sie selber schuld sind. Es geht darum, das Signal „Wir schaffen das mit vereinten Kräften“ zu setzen. Andernfalls hat die Situation auch Auswirkungen auf die tägliche Arbeit. Das innerbetriebliche Klima ist belastet und die Betroffene kann ihren Job nur noch mit Einschränkungen ausüben.

ADHOC: Was können Apotheker konkret tun, um ihren Mitarbeitern eine sichere und wohlige Arbeitsatmosphäre zu schaffen?
KLEIN: Die Arbeitnehmer müssen immer wissen, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Am besten macht der Chef schon im Vorstellungsgespräch klar, dass sein Geschäft ein sicherer Ort ist, an dem sexualisierte Gewalt nicht geduldet wird. Hilfreich können für die Mitarbeiter zudem Listen mit Ansprechpartnern sein, an die sie sich im Notfall wenden können. Auch ein Aushang für die Kunden, dass die Privatsphäre aller Mitarbeiter zu respektieren ist, wäre ein starkes Signal. Wer diese Regeln nicht befolgt, sollte in der Apotheke nicht erwünscht sein. Die Botschaft, dass es keine Akzeptanz für Belästigungen gibt, sollte also in alle Richtungen gehen.

ADHOC: Wünschen Sie sich noch weitere Maßnahmen vom Gesetzgeber, damit sich junge Frauen in Berufen mit starkem Kundenkontakt – wie PTA – sicher fühlen können?
KLEIN: Die entsprechenden Gesetze gibt es bereits. Sie müssen nur umgesetzt werden. Hier wünsche ich mir ein stärkeres Engagement der Betriebe. In letzter Zeit hat sich schon etwas verändert, gerade bei den jüngeren Arbeitgebern. Doch es muss noch mehr passieren. Sexualisierte Gewalt kommt leider vor. So ehrlich dürfen Vorgesetzte zu ihren Mitarbeitern von Anfang an sein, gerade in den Berufen mit viel Kundenkontakt. Umso wichtiger ist die Botschaft, dass die Belästigung unter keinen Umständen geduldet wird. „Gemeinsam brechen wir das Schweigen“ sollte der Leitspruch für alle Betriebe werden.

ADHOC: Welche Frauen wenden sich an Sie?
KLEIN: An uns wenden sich Frauen aus allen Schichten. 70 Prozent der Betroffenen sind zwischen 16 und 56 Jahre alt. Aber prinzipiell geht es querbeet. Auch Migrantinnen oder Betroffene, die sich nur temporär in Berlin aufhalten, nehmen unsere Angebote in Anspruch. Lara arbeitet kostenlos und auf Wunsch anonym. Wir bieten beispielsweise rechtliche Beratungen, Kurzzeittherapien, verschiedene Gruppenangebote oder die Vermittlung an weitere Ansprechpartner an. Außerdem gibt es eine telefonische Hotline für die Beratung am Telefon. Wir versuchen den Frauen Hilfen nach einer Gewalterfahrung anzubieten.

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