Empfehlung kann nicht umgesetzt werden

Apotheken können keinen Pneumokokken-Impfstoff beschaffen

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Berlin -

Um Komplikationen im Fall einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu verringern, empfehlen das Bundesgesundheitsministerium und die Ständige Impfkomission (Stiko) älteren und vorerkrankten Menschen eine Impfung gegen Pneumokokken. Die Empfehlung stößt in der Bevölkerung auf großes Interesse – immer mehr Menschen suchen die Apotheken auf, um sich über eine Impfung zu informieren. Doch aktuell sind Impfstoffe wie Pneumovax oder Prevenar kaum lieferbar. Die Nachfrage ist so groß, dass bei einigen Herstellern bereits jetzt die Hälfte des Jahreslagerbestandes abverkauft ist. Einzelpackungen sind gar nicht mehr lieferfähig.

Mehrfachinfektion möglich

Eine Lunge, die bereits mit einem Erreger infiziert ist, kann auch noch von weiteren Erregern wie beispielsweise dem Coronavirus angegriffen werden. Eine derartige Mehrfachinfektion würde die Behandlung erschweren – Betroffene müssten meist stationär aufgenommen werden und sind besonders gefährdet. „Impfungen, die vor Lungeninfektionen schützen, sind in dieser Zeit von besonderer Bedeutung“, sagte Professor Dr. Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) bereits Ende Februar.

Impfstoff nicht lieferbar

Der Aufruf zur Impfung stößt auf großes Interesse: Viele Bürger möchten der Empfehlung nachkommen und sich impfen lassen. Häufig ist die Apotheke dafür der erste Anlaufpunkt. So auch in der Detmolder Sonnen-Apotheke von Gunnar Müller. „Alleine heute erhielt ich in den ersten zwei Stunden, in denen die Apotheke geöffnet war, vier Anfragen von Kunden bezüglich des Wirkstoffes.“ Leider kann er der Nachfrage nicht nachkommen. Rezepte mit Impfstoff kann er aktuell nicht beliefern, da keine Ware lieferbar ist. „Einzelne Packungen kann ich gar nicht über den Großhandel bestellen und auch bei den Großpackungen à 50 Stück sieht es schlecht aus.“ Pneumovax (MSD) ist aktuell in keiner Packungsgröße lieferbar. Weder als Original, noch als Reimport. Ähnlich sieht es bei Prevenar (Pfizer) aus. Hier hätte Müller zumindest die Möglichkeit die 50er-Packung zu bestellen.

Stückelung nicht möglich

Wenn die Arztpraxen jedoch keinen Sprechstundenbedarf ordern, macht die Großpackung für die Offizin wenig Sinn. „Auseinzeln darf ich die Packung nicht, dafür müsste eine Regelung geschaffen werden. Dann könnten die Apotheken auch die Verordnungen mit einer Einzeldosis beliefern.“ Preislich liegt die große Packung bei über 2500 Euro im Einkaufspreis. Eine Einzeldosis kostet rund 60 Euro im Einkauf. Müller spricht sich dafür aus, dass eine schnelle Regelung gefunden wird, sodass Apotheken sich die große Packung – ohne eventuelle Verluste durch Abgabeeinschränkungen – an Lager legen können. Das Auseinzeln müsste hierfür ermöglicht werden. In den Arztpraxen selbst könnte es für Privatversicherte zu weiteren Problemen kommen: Eine Großpackung kann nur zu Lasten der GKV gestückelt werden. Privatversicherte müssen eine Einzeldosis verordnet bekommen – da diese aktuell nicht lieferfähig ist, bleibt der Patient unversorgt.

Absprachen mit Apotheken und Industrie fehlen

Müller sieht die Impfempfehlung als ersten Flop innerhalb der Corona-Krise. Er hätte sich eine engere Zusammenarbeit der Politik mit der pharmazeutischen Industrie, den Apotheken vor Ort, den Arztpraxen und nicht zuletzt dem Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) gewünscht. „Es gab keine Absprachen mit den jeweiligen Institutionen und Verbänden vor der Veröffentlichung dieser Empfehlung“, bedauert der Apotheker. „Mit mehr Vorlaufzeit hätte sich jede Apotheke auf die Situation vorbereiten können.“ Müller vermutet, dass der jetzige Lieferengpass durch gezielte Absprachen mit den Herstellern oder dem Phagro mitunter verhindert, oder zumindest vermindert hätte werden können. Zusammen mit anderen Apothekern forderte er deshalb bereits vor einiger Zeit Bundesgesundheitskonferenzen, zusammengesetzt aus Fachleuten der jeweiligen Distributionsebene. Nun erlebt Müller besorgte Kunden, die der Empfehlung gerne nachkommen möchten, aber keinen Impfstoff erhalten.

Stellungnahme MSD

Der Hersteller von Pneumovax, MSD Sharp & Dome, bestätigt den Lieferengpass. Der Grund hierfür sei die erhöhte Nachfrage aufgrund der steigenden Covid-19-Infektionen. „Im ersten Quartal 2020 haben wir bereits rund die Hälfte der für dieses Jahr geplanten Impfdosen ausgeliefert. Das entspricht rund 75 Prozent des Bedarfs des gesamten Vorjahres.“ Aufgrund des weltweit erhöhten Bedarfs können die noch vorhandenen Bestände nicht zwischen den Ländern umgeschichtet werden. Desweiteren heißt es: „Die Produktion von Impfstoffen ist als ein biotechnologischer Vorgang sehr komplex und kann bis zu 36 Monate in Anspruch nehmen. Dies erfordert eine langfristige Produktionsplanung, die eine kurzfristige Anpassung an eine veränderte Nachfrage nur sehr eingeschränkt möglich macht.“ MSD versichert, dass alle verfügbaren Dosen Pneumovax in den Markt gegeben werden.

Empfehlung der Stiko

Die Stiko empfiehlt allen Erwachsenen über 60 Jahren eine Impfung gegen Pneumokokken. Je nach Gesundheitszustand sollte diese nach ungefähr sechs Jahren aufgefrischt werden. Die Impfung verringert zum einen das Risiko, überhaupt an einer Lungenentzündung zu erkranken, zum anderen können schwere Komplikationen verhindert werden. Im Falle der aktuellen Pandemie mit dem Erreger Sars-CoV-2 könnte eine Impfung zu weniger schweren Verläufen von Covid-19 führen. Insbesondere ältere und vorerkrankte Menschen müssen nach der Hospitalisierung beatmet werden. Eine anhaltende Immobilität steigert, aufgrund der geringeren Lungenbelüftung, zusätzlich das Infektionsrisiko für eine Lungenentzündung.

Aktuelle Empfehlungen

Neben einer Pneumokokken-Impfung werden auch eine Impfung gegen Influenza und Keuchhusten für Risikogruppen als sinnvoll angesehen. Neben älteren Menschen gehören vor allem vorerkrankte Menschen zu den Risikogruppen. Insbesondere Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen sollten einen vollständigen Impfpass haben.

Pneumokokken

Pneumokokken, genauer gesagt Streptococcus pneumoniae, sind Bakterien Gattung der Streptokokken. Der klassische Erreger von Lungenentzündungen breitet sich entlang der sogenannten Kohn-Poren (feine Poren, die die Alveolen miteinander verbinden) aus, deshalb begrenzt sich die Entzündung eigentlich immer auf einen Lungenlappen.

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