Was kommt nach Locabiosol? Dr. Kerstin Neumann, 23.04.2016 08:38 Uhr
Locabiosol verabschiedet sich vom Markt: Ende Mai erlischt die Zulassung, bereits jetzt ruft Hersteller Stada die Restbestände zurück. Kunden, die das Medikament über Jahre verwendet haben, müssen sich nun Alternativen suchen. Auch PTA und Apotheker müssen sich auf andere Empfehlungen einstellen. Was sind sinnvolle Alternativen? Ein Überblick.
Eine direkte Alternative existiert im deutschen Markt nicht. Laut Stada sollte das Produkt als Erkältungsspray bei Entzündungen der oberen Atemwege angewendet werden. Fusafungin wirkt demnach antibakteriell gegen grampositive und gramnegative Keime. Da die klassische Erkältung jedoch auf Rhinoviren zurückgeht, stand meist die entzündungshemmende Komponente im Mittelpunkt. Auch bei Allergien sollte das Präparat eingesetzt werden können.
Andere Erkältungsmittel mit antibiotischer Komponente gibt es nur vereinzelt, da die antibakterielle Wirkung bei einer Infektion mit Rhinoviren an sich nicht sinnvoll ist. Eine kausale Wirkung kann daher in den meisten Fällen nicht erreicht werden. Tyrothricin besitzt ein ähnliches Wirkspektrum wie Fusafungin und wird in Kombination mit Lokalanästhetika beispielsweise in Dorithricin oder Lemocin bei Entzündungen des Rachenraumes eingesetzt.
Eine symptomatische Behandlung von Halsschmerzen und beginnender Halsentzündung ist mit vielen gängigen Wirkstoffen zu erreichen. Wenn der Kunde zuvor vor allem die Möglichkeit des Sprays bevorzugt hat, ist es sinnvoll, eine Alternative mit der gleichen Darreichungsform anzubieten. Tantum Verde ist als Spray verfügbar und wird von Ärzten nicht selten über ein grünes Rezept empfohlen. Der Wirkstoff Benzydamin wird zur Gruppe der nichtsteroidalen Antirheumatika gezählt und ausschließlich lokal zur Linderung der Halsschmerzen angewendet.
Ebenfalls als Spray erhältlich sind Kombinationen aus desinfizierenden und schmerzstillenden Wirkstoffen. Das Lokalanästhetikum Lidocain soll gemeinsam mit den Antiseptika Dequalin und Cetylpyridin in Wick Sulagil sowohl Schmerzen lindern, als auch eine leichte Wirkung gegen Bakterien zeigen. Ein Teil der desinfizierenden Wirkung könnte aber auch auf den als Lösungsmittel eingesetzten Alkohol zurückgehen, der zu 20 Prozent enthalten ist. Auch in anderen Sprays (Kamillosan, Laryngsan) ist in der Regel Alkohol enthalten – für Kinder sind diese Alternativen daher nur bedingt geeignet. Einige Präparate sind ab einem Alter von sechs Jahren zugelassen.
Wer statt des Sprays lieber auf Lutschtabletten umsteigen möchte, für den steht eine breite Palette an Halsschmerztabletten zur Auswahl. Hier sollte in der Beratung geklärt werden, welcher Art die Beschwerden genau sind. Bei trockenem, gerötetem Hals sollten die Schleimhäute geschützt und befeuchtet werden. Das kann durch Pastillen mit Isländisch Moos (IslaMoos) oder anderen pflanzlichen Wirkstoffen wie Eibischwurzel oder Spitzwegerich (Em-Eukal Pro).
Bei entzündetem Hals- und Rachenraum, bei dem die Schmerzen im Vordergrund stehen, kann mit desinfizierenden oder lokal betäubenden Wirkstoffen wie 2,4-Dichlorbenzylalkohol und Amylmetacresol beziehungsweise Benzocain und Flurbiprofen (Dobendan, Neo-Angin) schnell geholfen werden. Ambroxol soll nicht nur schleimlösend, sondern lokal schmerzlindernd wirken (Mucoangin). Über einen physikalischen Weg wirkt Hyaluronsäure (GeloRevoice): Durch die Ausbildung eines Schutzfilmes werden die Schleimhäute beruhigt.
Unverändert bleibt die Empfehlung eines Arztbesuches, wenn sich die Halsschmerzen innerhalb einiger Tage nicht bessern. In solchen Fällen ist meist eine bakterielle Infektion die Ursache, möglicherweise muss über die Gabe eines Antibiotikums nachgedacht werden.
Stada selbst hat bereits eine Alternative zu Locabiosol in der Planung: Demnächst sollen unter der Marke Locastad Halsschmerztabletten eingeführt werden. Das neue Produkt soll in mehreren Geschmacksvarianten auf den Markt kommen: Honig & Zitrone, Minze und Orange. Die neuen Pastillen enthalten 2 mg Lidocain sowie 0,6 mg Amylmetacresol und 1,2 mg Dichlorbenzylalkohol. Die beiden Antiseptika sind in derselben Dosierung auch in den freiverkäuflichen Varianten von Dobendan – neuerdings Dobensana – von Reckitt Benckiser (RB) enthalten sowie in Neo-Angin von Klosterfrau.
Dobendan ist mit einem Jahresumsatz von 55 Millionen Euro auf Basis der Verkaufspreise unangefochtener Marktführer in den Apotheken. Knapp sieben Millionen Packungen gehen pro Jahr über den HV-Tisch. In den Apotheken spielen die freiverkäuflichen Produkte eine untergeordnete Rolle: Nur 6 Prozent nach Wert beziehungsweise 7 Prozent nach Menge entfallen auf diese Produktgruppe. 56 Prozent des gesamten Geschäfts mit Dobendan entfallen auf Dolo Dobendan, das zusätzlich Benzocain enthält. Mit weiteren 36 Prozent ist Dobendan direkt (Flurbiprofen) in der Offizin das zweitwichtigste Produkt.
Neo-Angin liegt mit mehr als vier Millionen Packungen und 32 Millionen Euro deutlich dahinter. Das Klosterfrau-Produkt ist apothekenexklusiv, im Drogeriemarkt ist das Schwesterprodukt Anginetten zuhause. Besonders bitter: Als Vertriebspartner hatten die Kölner das heutige Konkurrenzprodukt an die Spitze gebracht: 2010 zog Dobendan erstmals an Neo-Angin vorbei, im Mai 2014 ließ RB die Vereinbarung nach 16 Jahren auslaufen.
Dahinter folgen Lemocin (Novartis) und Dorithricin (Medice) mit jeweils rund 15 Millionen Euro und zwei Millionen Packungen. Für das Antibiotikum, das in beiden Produkten zu finden ist, sind seit 60 Jahren keine Resistenzen bekannt.
Häufiger verkauft werden die softeren Varianten: Isla (Engelhard) kommt auf 21 Millionen Euro und vier Millionen Packungen, Ipalat (Dr. Pfleger) auf mehr als 15 Millionen Euro und 3,5 Millionen Packungen. Gelo Revoice bringt es auf 17 Millionen Euro und mehr als zwei Millionen Packungen. In der vergangenen Saison waren gleich zwei Hersteller gegen das 2009 eingeführte Medizinprodukt von Pohl-Boskamp angetreten: Neo-Angin stimmig und Isla-med hydro+ sollten Revoice Geschäft streitig machen. Siemens & Co. setzt mit einer Millionen Packungen Emser-Pastillen mehr als vier Millionen Euro um.
Zuletzt die reinen Hustenbonbons: Em-Eukal (Dr. Soldan) bringt es auf 7 Millionen Euro und knapp vier Millionen Packungen, Wick (Katjes) auf mehr als sechs Millionen Euro und knapp drei Millionen Packungen. Weitere nach Absatz wichtige Marken sind Ricola (Klosterfrau), Dallmanns (Katjes) sowie Pectoral und Fisherman's Friend (beide Wepa).