Pharmazeutische Fachkräfte zu finden, ist zur Mammutaufgabe für viele Inhaber:innen geworden. Weil das Angebot an Mitarbeiter:innen auf Jobsuche kaum vorhanden ist, werden Angestellte in anderen Apotheken interessant. Wettbewerbsrechtsexperte Heiko Lenz erklärt, was beim Abwerben erlaubt ist und wann rechtliche Konsequenzen drohen.
Das Abwerben von Mitarbeiter:innen durch Dritte sei grundsätzlich zulässig, sagt Lenz, der bei der Industrie- und Handelskammer Pfalz für den Bereich Wettbewerbsrecht zuständig ist. „Unternehmen haben keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter, da diese in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei sind.“ Mitbewerber oder sogenannte Headhunter müssen sich jedoch an einige Vorschriften halten, wenn sie versuchen, in einem fremden Team neue Angestellte zu finden.
Nicht erlaubt sei beispielsweise, mit dem Abwerben den Betriebsablauf zu stören. Apothekenmitarbeiter:innen berichten davon, dass sie während der Arbeit von anderen Apotheker:innen angerufen und auf einen Wechsel angesprochen werden. „Man kann nicht pauschal sagen, wann es unlauter ist. Aber wenn jemand ständig anruft oder den Mitarbeiter eine Viertelstunde aufhält, könnte es die Abläufe stören“, so Lenz.
Die Gerichte bewerten Lenz zufolge Abwerbeversuche über den geschäftlichen Telefonanschluss unterschiedlich. „Ein Teil sieht bereits einen einmaligen Anruf als unlauter und als Eingriff in den Gewerbebetrieb an, ein anderer Teil der Gerichte wiederum verlangt zumindest nachhaltig und wiederholte Anrufe.“ Auch der Inhalt sei entscheidend: „Ein einmaliger Anruf zum Zweck der bloßen Vereinbarung zu einem Abwerbungsgespräch wurde als nicht unlauter angesehen, während jedoch Anrufe, die beispielsweise den Zweck haben, den angesprochenen Mitarbeiter als Informationsquelle für andere Abwerbungskandidaten zu benutzen in der Regel als wettbewerbswidrig gewertet werden.“
Der Bundesgerichtshof (BGH) habe dies bestätigt. Demnach müsse sich die erste Kontaktaufnahme darauf beschränken, das Interesse des Angerufenen festzustellen und die zu besetzende Stelle kurz zu umschreiben sowie eventuell einen neuen Gesprächstermin außerhalb des Arbeitsplatzes zu verabreden.
Unlauter sei es auch, die Angestellten zum Vertragsbruch zu verleiten. Die Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung sei dagegen zulässig. Wer beispielsweise mit „irreführenden oder herabsetzenden Äußerungen“ über den Arbeitgeber oder „unwahren Angaben über bevorstehende Entlassungen oder betriebliche Veränderungen“ argumentiere, handele allerdings wettbewerbswidrig, sagt Lenz. Mitbewerber dürften die potenziellen neuen Teammitglieder:innen auch nicht mit leeren Versprechungen oder sachfremden Mitteln locken.
Lenz verweist jedoch darauf, dass der frühere Arbeitgeber die verbotenen Abwerbetaktiken beweisen muss. Deshalb sei es wichtig, die Abwerbeversuche möglichst genau zu dokumentieren und Zeugen zu haben. Wer wegen einer unlauteren Abwerbung erwischt werde, dem drohten Unterlassungs-, und Beseitigungs- sowie Schadenersatzansprüche. Zudem könnte dem neuen Arbeitgeber über einen bestimmten Zeitraum verboten werden, den erfolgreich abgeworbenen neuen Angestellten zu beschäftigen.
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