Vorsicht bei Rektalsalbe und PDE-5-Hemmern Nadine Tröbitscher, 05.05.2017 11:10 Uhr
Scheidenpilz, Analfissuren oder Hämorrhoiden zählen zu den klassischen Tabuthemen in der Apotheke. Die Kunden verschwinden oft so schnell, wie sie reingekommen sind und wünschen aus Scham keine Beratung. Dabei können auch bei der topischen Anwendung systemische Nebenwirkungen und Wechselwirkungen auftreten. So auch bei einer Salbe mit Glyceroltrinitrat.
Fall: Ein Kunde klagt über Kopfschmerzen und möchte ein schnell wirksames Analgetikum kaufen. Außerdem leidet er an Schwindel und niedrigem Blutdruck. Er macht das wechselnde Wetter für die Beschwerden verantwortlich.
Andere Medikamente nehme er nicht ein – hin und wieder mal eine kleine blaue Pille und zur Zeit benutzte er eine Salbe. Die könne ja wohl nicht Schuld an seinen Beschwerden sein, schließlich verwende er sie zur Behandlung einer Analfissur.
Analyse: Schnell wird klar – die Salbe kann die Beschwerden verursachen. Topische Anwendungen mit Glyceroltrinitrat können schwerwiegende systemische Nebenwirkungen verursachen. Daher ist der Einsatz abzuwägen.
Glyceroltrinitrat ist im Fertigarzneimittel Rectogesic 4mg/ g (Kyowa Kirin) enthalten, wird aber auch als Individualrezeptur verordnet. Die Rektalsalbe wird bei Erwachsenen zur Schmerzlinderung bei chronischen Analfissuren angewendet. Bleibt eine konservative Therapie erfolglos, können auch Symptome von akuten Analfissuren behandelt werden. Die Salbe wird im Abstand von zwölf Stunden aufgetragen, bis die Schmerzen nachlassen. Die Behandlung darf jedoch acht Wochen nicht überschreiten.
Bekannt ist der Wirkstoff aus Nitrolingual akut Spray (Pohl Boskamp), das unter anderem zur Behandlung des akuten Angina pectoris Anfalls angewendet wird. Genutzt wird der gefäßerweiternde Effekt des Arzneistoffes. Die Nitroverbindung wirkt relaxierend auf die glatte Muskulatur – es kommt zur Vasodilatation. Diese Wirkung nutzt man auch im Falle der Fissur, denn der innere Analsphinkter entspannt sich. Ein erhöhter Muskeltonus kann durch eine Minderdurchblutung die Entstehung von Fissuren fördern. Die Blutgefäße, die das Anoderm versorgen verlaufen durch den Analsphinkter und werden bei erhöhtem Muskeltonus abgeschnürt.
Durch die topische Anwendung von Glyceroltrinitrat, der ein NO-Lieferant ist, entspannt sich der Schließmuskel. Eine Verringerung des Analdrucks und eine Verbesserung der Andoderm Durchblutung sind die Folge. Die Schmerzen lassen nach und die Fissur heilt ab.
Die lokal angewendete Salbe kann Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Tachykardie zur Folge haben. Patienten sollten daher auf Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten achten. So kann unter anderem die gleichzeitige Einnahme von ACE-Hemmern, Betablockern oder Diuretika sowie der Konsum von Alkohol die blutdrucksenkende Wirkung von Rectogesic verstärken.
Kommunikation: Der Kunde sollte über die Neben- und Wechselwirkungen der Rektalsalbe aufgeklärt werden. Die Beschwerden werden sich nach dem Absetzen des Arzneimittels bessern. Als Schmerzmittel sollte auf Acetylsalicylsäure und nicht-steroidale-Antirheumatika (NSAR) verzichtet werden, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die therapeutische Wirkung von Rectogesic beeinflusst wird.
Ebenso wie Alkohol sind Phophodiesterase (PDE)-5-Hemmer wie Sildenafil, Tadalafil oder Vardenafil für den Kunden tabu. Denn diese Wirkstoffe verstärken die hypotensive Wirkung von Glyceroltrinitrat, da die NO-Freisetzung durch das Enzym cGMP erhöht wird.
Therapie: Sind die Kopfschmerzen für den Kunden unerträglich, kann auf eine Salbe mit Diltiazem ausgewichen werden. Der Wirkstoff verursacht bei lokaler Anwendung ebenfalls eine Relaxation der glatten Muskulatur und erweitert die Gefäße. Kopfschmerzen treten unter der Behandlung seltener auf, dafür klagen die Patienten über Juckreiz. Zudem können Isosorbiddinitrat oder Nifedipin eingesetzt werden.
In der Selbstmedikation können Sitzbäder wie Tannolact (Phenol-Methanal-Harnstoff-Polykondensat, Galderma) verwendet werden. Der synthetische Gerbstoff besitzt eine eiweißfällende Wirkung und ist adstringierend. Zur lokalen Betäubung des Schmerzes können Lokalanästhetika eingesetzt werden. Auch Kortisone werden verordnet. Basis jeder Behandlung von Analfissuren ist die Stuhlregulierung. Die Betroffenen können dies mit Hilfe von Ballaststoffen und ausreichend Flüssigkeit erreichen. Von Abführmitteln ist abzuraten.
Die Patienten können mit Hilfe von Analdehnern aus Plastik oder Glas eine Schließmuskeldehnung vornehmen. Dazu wird einmal täglich der Dilatator mit Gleitgel versehen und in den After eingeführt, dort verbleibt er für einige Minuten, Durchblutung und Wundheilung werden gefördert.