Als PTA im mobilen Impfteam: Das war der erste Tag Alexandra Negt, 28.12.2020 09:40 Uhr
Insgesamt 60 mobile Impfteams sind gestern alleine in Berlin ausgerückt. Jeweils ein Arzt, eine PTA und zwei Soldaten bildeten ein Team. Kurz nach Sonnenaufgang starteten die Fahrzeuge in Richtung Einsatzort. So lief mein erster Tag im mobilen Impfteam.
Gestern in der Früh schien die Stadt noch zu schlafen, als ich mich auf dem Weg zum Flughafen Tegel machte. Der eigentliche Bus, der die Reisenden zum Terminal bringen sollte, fährt seit der Schließung nicht mehr. Dementsprechend kamen die meisten Helfer mit dem Auto. Vor dem Flughafen bildete sich eine lange Schlange – Einlasskontrolle. Es war halb acht in der Früh und es war noch dunkel. Den Massen hinterher fand ich mich im Eingangsbereich des Terminal C wieder. Hier herrschte schon reges Treiben.
Eine bunte Mischung aus Ärzten, MFA, PTA, Polizisten und vor allem Soldaten suchte sich den Weg zur nächsten freien Abstrichstelle. Denn bevor es weiterging, musste jeder einen negativen Antigen-Schnelltest vorweisen. Ich nannte meinen Namen und meinen Beruf, willigte der Durchführung schriftlich ein und schon hatte ich das Stäbchen tief in meinem linken Nasenloch. Es ging sehr schnell. Nach der Probennahme musste ich – gemeinsam mit den anderen frisch getesteten PTA – erneut warten. Die bereits von mir besuchte Schulung wurde vor Ort erneut abgehalten. Vielleicht für all diejenigen, die an dem vergangenen Termin nicht teilnehmen konnten.
Ein wenig verloren stand man dann dort am Gate. Im Gespräch mit anderen PTA wurde mir schnell klar, dass ich nicht die einzige bin, die aufgeregt ist. Nahezu alle PTA waren ein wenig nervös. Vielleicht lag das auch daran, dass wir das erste Mal ohne Aufsicht eines Apothekers arbeiten sollten. Optimalerweise sollte uns ein eigener Raum im Pflegeheim bereitgestellt werden – ohne Aufsicht, ohne Vier-Augen-Prinzip.
Nach der Viertelstunde Wartezeit erstmal die gute Nachricht: Keiner war positiv. Somit konnten sich nun die insgesamt 60 Teams bilden. Dazu mussten wir uns alle in zwei Reihen aufstellen, und dann hieß es mit einer energischen Stimme: „Ein Arzt, eine PTA, das hier ist ihr Soldat.“ So wurden wir alle nach und nach unserem Team zugewiesen. Das Dreierteam, in dem ich mich befand, ging los. Der Arzt holte die Box mit dem Verbrauchsmaterial und den Notfallmedikamenten, der Soldat führte uns zu unserem Auto. Dort wartete das vierte Teammitglied auf uns. Der Impfstoff war bereits an Bord. Ein Arzt, eine PTA, zwei Soldaten – unser Team war vollständig und konnte loslegen.
Im Auto hatten wir Zeit, um uns ein wenig kennenzulernen, denn unser Einsatz war im Süden der Stadt geplant. Beim Verlassen des Flughafens waren bereits Reporter vor Ort, die die ausschwärmenden schwarzen Transporter filmten und fotografierten. Zu diesem Zeitpunkt durfte niemand mehr das Gelände des ehemaligen Flughafens betreten. Bereits vorne an der Einfahrt wiesen Sicherheitskräfte ankommende Fahrzeuge ab. Einmal quer durch Berlin konnte man die bevorstehenden Prozesse ein letztes Mal theoretisch durchsprechen.
Vor Ort wartete man schon auf uns. Man hatte drei Zimmer für die Impfung vorbereitet: Ein Wartezimmer und ein Erholungszimmer für die Bewohner, im dritten Zimmer sprach der Arzt mit den Bewohnern und führte die Impfung durch. Ich war durch Stellwände abgetrennt und konnte an einem großen Tisch die Spritzen herstellen. In der von der Bundeswehr gepackten Box war alles vorhanden, was ich für die Auseinzelung brauchte.
Der erste spannende Moment war die Öffnung der Kühlbox. Denn bislang war nicht genau geklärt, was mit dem Impfstoff passieren sollte, wenn der beigelegte Temperaturlogger rot anzeigen würde. Ich öffnete den Karton und konnte aufatmen: Der Logger blinkte grün. Ich konnte die Ware also in den Kühlschrank überführen und mich auf meinem Herstelltisch ein wenig einrichten.
Die Pflegekräfte vor Ort und die Heimleitung waren ohne Pause für uns da. Sie halfen bei der Organisation und entkleideten die Bewohner, sodass der Arzt schnell an den Oberarm konnte und die Impfung problemlos durchführen konnte. Es war toll, dass jeder Bewohner während der Impfung Beistand von einer ihm bekannten Pflegekraft hatte. Auch im Ruheraum saß die ganze Zeit eine Angestellte des Heims. Die dort aufgebaute Liege benötigten wir nicht, alle Heimbewohner vertrugen die Impfung gut.
Dank der tollen Organisation des Heimes ging es ziemlich schnell. Insgesamt hatten wir zehn Vials Comirnaty mitbekommen – so heißt der mRNA-Impstoff von Biontech. Ich holte immer in Absprache mit dem Arzt das nächste Durchstechfläschchen aus dem Kühlschrank. Im Vial selbst war eine kleine milchige Pfütze. Nur 0,45 ml Wirkstoff sind pro Flasche enthalten. Nach dem Verdünnen mit Kochsalz würde ich die Lösung als milchig und leicht opak betiteln. In keinem Vial waren Partikel zu sehen, sodass ich nach und nach 50 Spritzen mit jeweils 0,3 Milliliter aufziehen konnte. Etiketten zur Chargendokumentation waren ebenfalls beigelegt, sodass ich immer fünf Impfdosen mit zugehörigen Klebchen in eine Nierenschale legen konnte.
Die Herstellung lief gut. Ich machte keine Fehler. Der Arzt konnte alle 50 vorhandenen Impfdosen erfolgreich verabreichen. Die Aufregung wich am Ende des Einsatzes einer echten Zufriedenheit. Im Laufe der acht Stunden wurde man tatsächlich ein Team. Daran hatte ich zuvor gezweifelt. Arzt und PTA, das kann also funktionieren, genauso wie PTA und Soldat. Wir waren zufrieden mit unserer Arbeit.
Was ich unterschätzt hatte, war die Situation vor Ort. Seit Monaten herrscht in den Pflegeheimen immer wieder Besuchsverbot. Immer wieder gibt es Corona-Ausbrüche, und die Bewohner müssen in Quarantäne und Isolation. Der Krankenstand bei den Mitarbeitern ist zeitweise hoch, der Rest muss die Arbeit auffangen. Man weiß das alles aus den Medien, doch vor Ort zu sein, fühlt sich anders an. Ich hoffe, dass alle Bewohner, die möchten, so schnell wie möglich geimpft werden können. Dann können Heime wieder lebendiger werden, Kinder und Enkelkinder können wieder uneingeschränkt zu Besuch kommen. Zahlreiche Bewohner, die ich gestern kennenlernen durfte, wünschen sich genau das.