Allergieprävention: 1000 Tage sind entscheidend Sandra Piontek, 06.01.2023 12:39 Uhr
20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland unter 17 Jahren werden laut Studienergebnissen eine der drei Krankheiten entwickeln: Asthma, Heuschnupfen oder Neurodermitis. In den ersten 1000 Lebenstagen kann jedoch maßgeblich zur Allergieprävention beigetragen werden.
Im Kindesalter zählen vor allem Asthma, Heuschnupfen und Neurodermitis zu den bedeutsamsten allergischen Erkrankungen. Diese gehören zum sogenannten atopischen Formenkreis. Auch allergischer Schnupfen mit Bindehautentzündung (Rhinokunjunktivitis) und Hausstaubmilbenallergie gehören dazu. Diese Erkrankungsformen können enweder nacheinander oder auch parallel auftreten.
Allergiekarriere vermeiden
Als Atopie wird eine erbliche Veranlagung – auch genetische Disposition – bezeichnet. Kinder von Atopikern haben im Vergleich zu Kindern aus nicht-vorbelasteten Familien ein doppelt so hohes Risiko, selbst Atopiker zu werden. Neben der Genetik können jedoch auch Umwelteinflüsse und die Ernährung eine große Rolle spielen. Hier kann präventiv eingegriffen werden. Dabei sind laut verschiedenen Studien die ersten 1000 Tage entscheidend: von der Empfängnis bis etwa zum zweiten Lebensjahr. Durch eine entsprechende Ernährung und Minimierung von Risikofaktoren kann eine „Allergiekarriere“ vermieden werden.
Vermeidbare Faktoren:
- Übertriebene Hygiene
- Rauchen
- Haustiere bei bekannter Tierhaarallergie
- Luftverschmutzung
- Keine ausdünstenden Materialien wie Farben oder Lacke
- Nicht stillen
- psychischer Stress
Kein Verzicht auf Lebensmittel
Früheren Thesen nach sollten Frauen mit allergiegefährdeten Kindern in der Schwangerschaft auf Lebensmittel verzichten, die als Auslöser von Allergien bekannt sind. Mittlerweile raten Experten dringend davon ab: Wissenschaftlich ist es nicht bewiesen, dass sich dadurch das Allergierisiko des Kindes reduzieren lässt. Im Gegenteil: Es liegt nahe, dass durch das Weglassen bestimmter Nahrungsmittel die Nährstoffversorgung gefährdet werden kann und damit die Entwicklung des Babys leidet.
In den ersten vier Monaten trägt die ausschließliche Ernährung des Säuglings mit Muttermilch zur Allergieprävention bei. Diese enthält körpereigenes Eiweiß, gegen das so gut wie keine Allergie entwickelt werden kann. Muttermilch enthält zudem in geringen Mengen Allergene: Das Baby profitiert aber von dem frühen Kontakt. Das Immunsystem gewöhnt sich langsam an die fremden Eiweiße und lernt, diese zu tolerieren.
HA-Nahrung bringt Vorteile
Ist das Stillen nicht möglich, sollte als Ersatz für Muttermilch nur hypoallergene Säuglingsnahrung in Betracht kommen. Das Besondere: Enthaltenes Milcheiweiß ist in kleine Bausteine aufgespalten und senkt so die allergieauslösenden Eigenschaften. Zudem ist diese Nahrung weitestgehend an Muttermilch angepasst: in ihrem Eiweiß-, Milchzucker- und Fettgehalt.
In einer Langzeitbeobachtungsstudie (GINI-Studie), die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird und seit 1995 läuft, konnte beobachtet werden, dass Säuglingsnahrung mit hydrolysiertem Eiweiß das Risiko für Allergien senken kann. In die Erhebung wurden nur Neugeborene einbezogen, die erblich vorbelastet waren.
Ein Drittel weniger Allergien
Getestet wurden die Effekte von Nahrungen, die sich hinsichtlich der Eiweißquellen (Kasein oder Molkenprotein) sowie in der Aufspaltung ihrer Eiweißbausteine (moderat oder stark hydrolysiert) unterschieden. Diese wurden mit Standard-Säuglingsmilch verglichen.
Die ersten Auswertungen der Studienergebnisse nach einem Jahr und nach drei Jahren ergaben, dass alle Babys, die eine Hydrolysatnahrung erhalten haben, seltener eine Allergie entwickeln als Kinder, die mit Standard-Säuglingsmilch gefüttert wurden. In einem Vergleich nach 15 Jahren wurde abschließend festgestellt: Säuglinge, die ausschließlich HA-Nahrung erhalten, erkranken bis ins Teenageralter um 42 Prozent, seltener an Neurodermitis und um 33 Prozent seltener an Heuschnupfen.