Das rezeptfreie Notfallkontrazeptivum EllaOne wird nicht nur in dringenden Fällen nachgefragt. Davon geht Angie Heinen aus. Die PTA erlebt regelmäßig am HV-Tisch, dass vor allem junge Frauen das Ulipristal-haltige Präparat als Verhütungsmittel einsetzen. Einmal sei sogar ein Rezept über fünf Packungen vorgelegt worden – wegen eines längeren Auslandaufenthaltes.
Heinen ist in zwei Apotheken in Nordrhein-Westfalen tätig. „Ich habe mehrmals die Woche eine EllaOne-Beratung“, sagt sie. Die Gespräche seien sehr zeitaufwendig, das Thema sensibel. Meist seien es junge Frauen unter 20 Jahren, die das Notfallkontrazeptivum verlangten. „Die meisten Mädchen sind naiv“, sagt die PTA. Viele wüssten nicht um Wirkung oder Anwendung.
Ein Höhepunkt bei der Beratung des seit März 2015 nicht mehr verschreibungspflichtigen Produkts seien eine Mutter mit ihrer etwa 20 Jahre alten Tochter gewesen. „Sie haben ein Privatrezept von einem Gynäkologen vorgelegt“, sagt Heinen. Der Arzt habe fünfmal EllaOne aufgeschrieben. Die Erklärung des Mediziners habe ebenfalls auf der Verordnung gestanden: Die Patientin verbringe drei Monate im Ausland.
Heinen war von dem Rezept verblüfft. „So etwas kam noch nie vor“, sagt sie. Zunächst fragte die PTA ihre Kundin, warum sie so viele Notfallverhütungsmittel benötige. „Die Tochter war sehr still und ist gar nicht darauf eingegangen.“ Stattdessen habe die Mutter geantwortet. Die Frau sei sehr aufgeregt gewesen. „Sie sagte, was ich mir anmaße, und dass wir inkompetent wären“, so die PTA. Als die Mitarbeiterin spürte, dass die Situation eskalieren könnte, holte sie ihren Chef dazu. Die Apotheke gab die Arzneimittel nicht ab.
Nur selten verweigert Heinen die Abgabe: „Wir haben in einer Fortbildung gelernt, dass wir sie im Zweifel abgeben sollen.“ Bei der Mutter habe es auch mit dem Inhaber und einer versuchten Beratung keine Einsicht gegeben. „Ich habe sie gefragt, wie sie sich das denn mit HIV im Ausland vorstellt und dass man im Ausland keinen ungeschützten Verkehr auch wegen Geschlechtskrankheiten haben sollte“, so die PTA. Die Tochter sei während des etwa 15-minütigen Gesprächs still gewesen. Die Angestellte vermutet, dass ein befreundeter Arzt die Verordnung ausgestellt hat. „Wir waren fassungslos.“
Immer wieder kämen Frauen in die Offizin, die EllaOne nicht für „echten Notfall“ benötigten. Erst kürzlich sei eine 19 Jahre alte Frau in die Apotheke gekommen, um sich EllaOne zu besorgen. „Sie hatte bereits mehrfach in ihrem aktuellen Zyklus ungeschützten Verkehr.“ Heinen riet der Frau, die bereits drei Kinder hat, sich bei ihrem Arzt über die Einnahme einer herkömmlichen Verhütungspille zu informieren, und schickte sie ohne EllaOne nach Hause.
Eine Kundin komme regelmäßig und verlange die „Pille, die fünf Tage wirkt“, so Heinen. Auch Frauen, die die Pille nähmen, verlangten EllaOne. Die PTA geht mit den Frauen den Fragenkatalog der Bundesapothekerkammer (BAK) durch. „Außerdem dokumentieren wir die Fälle zu unserer Absicherung.“ Selten kämen Frauen, bei denen ein „wirkliches Versehen“ passiert ist. Viele seien bei dem Thema Verhütung nicht genug aufgeklärt. „Ich finde, dass die Pille danach nicht freiverkäuflich sein sollte.“
Wie sind eure Erfahrung mit der Pille danach? Fühlt ihr euch sicher? Wie reagieren eure Kunden? Musstet ihr schon die Abgabe verweigern? Jetzt mitdiskutieren im LABOR von APOTHEKE ADHOC!
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