Streit um 2. Staatsexamen

20 Jahre Pharmaziestudium: Gericht erlaubt ewiges Attest

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Berlin -

Wer Pharmazie studiert, hat normalerweise einen straffen Zeitplan. Denn wenn man bei Praktika und Prüfungen den Anschluss verliert, fällt man schnell durchs Raster. In Freiburg sorgt ein Student an der Uni für Aufregung, der zehn Jahre lang nicht zum 2. Staatsexamen angetreten ist. Als das Landesprüfungsamt jetzt die Sache beenden wollte, ging der Fall vor Gericht.

Der Student hatte sich im Wintersemester 2000/2001 an der Albert-Ludwigs-Universität für das Pharmaziestudium eingeschrieben. Zehn Jahre später trat er schließlich zum 2. Staatsexamen an – allerdings war er nur im Fach Klinische Pharmazie erfolgreich. In Technologie/Biopharmazie fiel er durch, zu den Prüfungen in Chemie, Biologie und Pharmakologie trat er nicht an, sondern beantragte den Rücktritt von diesen Prüfungen.

Wenig später wurde er im November erneut geladen, wieder erklärte er den Rücktritt von diesen Prüfungen. Ein Amtsarzt bestätigte psychische Probleme und attestierte eine Prüfungsunfähigkeit für fünf Monate. Das Prüfungsamt akzeptierte das Vorgehen und lud den Studenten im Mai 2011 erneut. Ein weiterer Amtsarzt bestätigte die Prüfungsunfähigkeit, diesmal wegen einer „längeren depressiven Reaktion“.

Im November 2011 setzte das Prüfungsamt die Ladung aus, bei der nächsten Runde im Frühjahr wurde der Student gleich von vornherein aufgefordert, bei einem erneuten Rücktritt ein ausführliches psychiatrisches Gutachten durch einen bestimmten Professor der Uni durchführen zu lassen. Die Sache ging vor das Verwaltungsgericht, das diese Auflage kassierte: Die Approbationsordnung biete keine Rechtsgrundlage für ein solches Vorgehen.

Nach einem erneuten Versuch im Mai 2012 gab das Prüfungsamt auf und setzte alle weiteren Ladungen aus, bis durch eine fachärztliche Bescheinigung nachgewiesen werde, dass der Kläger wieder prüfungsfähig sei. Auf eine Nachfrage Ende 2014, wann mit einer Fortsetzung des Prüfungsverfahrens gerechnet werden könne, reagierte der Student nicht.

Im April 2019 hakte das Prüfungsamt erneut nach, diesmal kam als Antwort, dass sich ein genauer Prüfungstermin nicht benennen lasse. Im Juli 2019 wurde er daher erneut zur Wiederholungsprüfung geladen, diesmal erklärte ein Privatarzt, dass wegen einer „frisch aufgetretenen akuten Anpassungsstörung“ eine Prüfungsunfähigkeit bis einschließlich Februar 2020 bestehe.

Diesmal bestätigte das Prüfungsamt nur den Eingang des Schreibens, nicht aber den Rücktritt, über den „zeitnah nach Ablauf der Prüfungstermine“ entschieden werde. Nachdem der Student an den Prüfungen nicht teilnahm, wurde er im Oktober erneut geladen, diesmal aber schon zur zweiten Wiederholungsprüfung.

Rücktritt, Attest (Schwindelanfälle), aber diesmal war das Prüfungsamt mit seiner Geduld am Ende und lehnte ab: Da der Student seit Herbst 2010 nicht in der Lage sei, sein Studium – mit einem positiven oder negativen Ergebnis – abzuschließen, liege ganz offensichtlich eine dauerhafte Einschränkung der Leistungsfähigkeit vor, die einen Rücktritt von der Prüfung nicht rechtfertige.

Zwar teilte das Verwaltungsgericht im neuerlichen Rechtsstreit die Auffassung, dass eine Prüfungsunfähigkeit nur dann vorliege, wenn die im Zustand einer akuten Erkrankung erbrachte Prüfung nicht die „normale“ Leistung widerspiegele, und dass umgekehrt nicht davon ausgegangen werden könne, wenn die Beeinträchtigung auf einer in der Person des Prüflings liegenden generellen Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit beruht.

Auf Grundlage der ärztlichen Befunde sei im konkreten Fall aber nicht festzustellen, dass ein „Dauerleiden“ vorliege, dessen Behebung nicht in absehbarer Zeit erwartet werden könne. Selbst die Tatsache, dass der Student nach 2010 keinen weiteren Prüfungsversuch unternommen habe, lasse nicht den zwingenden Schluss zu, dass er seit diesem Zeitpunkt durchgehend prüfungsunfähig gewesen sei. „Denn der Kläger kann auch aus anderen Gründen – etwa, weil er sich nicht ausreichend vorbereitet gefühlt hat – von einer Teilnahme an den Prüfungen abgesehen haben.“

Im Zweifel sei das Prüfungsamt verpflichtet, den Studenten umgehend über seine Rechtsauffassung zu informieren. Darüber hinaus müsse es nachweisen, warum es den Einschätzungen der Ärzte nicht folge. „Denn ein Prüfling muss sich grundsätzlich auf die ihm amtsärztlich bescheinigte Erkrankung mit der Folge der Prüfungsunfähigkeit am Prüfungstermin verlassen können.“

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