DAV und GKV: Poker um Hilfstaxe Lothar Klein, 31.05.2017 08:06 Uhr
Noch kurz vor dem Ausschreibungsverbot für die Zyto-Versorgung hatte die AOK Plus im Februar einen Open-House-Vertrag auf die Schiene gesetzt. Vier Versorger hatten einen Zuschlag erhalten. Jetzt wurde das Vergabeverfahren wieder eingestellt. Die Verträge laufen noch bis zum Ende der Übergangsfrist, bis zum 31. August. Ab dann wird es spannend. Wie die Abrechnung der Versorgung der Krebspatienten ab September erfolgt, steht in den Sternen. Die Verhandlungen zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband über die Hilfstaxe beginnen erst.
Mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) hat die Bundesregierung Ausschreibungen für die Zyto-Versorgung verboten. Stattdessen können die Kassen auf der einen Seite mit den Herstellern der Wirkstoffe Rabattverträge abschließen. Auf der anderen Seite wurden DAV und Kassen vom Gesetzgeber beauftragt, die Hilfstaxe neu zu verhandeln.
Dahinter verbirgt sich ein kompliziertes Geflecht von Regelungen und wirtschaftlichen Interessen. Die gegenwärtige Hilfstaxe bildet im Prinzip den Einkaufspreis der Wirkstoffe und den „Arbeitspreis“ für die Dienstleistung des Apothekers ab. Bei generikafähigen Wirkstoffen wird der Preis des zweitgünstigsten Einkaufspreises als Berechnungsgrundlage gewählt. Darauf gibt es unterschiedliche Rabatte und Abschläge. Der Arbeitspreis für die Apotheker schwankt je nach Art der Zubereitung zwischen 39 und 81 Euro. Seitenlang geregelt wird in der Hilfstaxe der Umgang mit den Verwürfen, deren Abrechnung mit den Rabattverträgen ausgeschlossen wurde. Das alles liegt jetzt auf dem Verhandlungstisch und muss neu geregelt werden.
Bislang haben die Kassen noch keine Ausschreibungen für Rabattverträge mit den Wirkstoffherstellern gestartet. Denn von den bis zu 100 Wirkstoffen sind nach Angaben von Experten nur circa 15 wegen der großen Verbrauchsmenge und der Konkurrenzsituation ausschreibungsfähig. Der Rest muss ohnedies irgendwie über die Hilfstaxe abgerechnet werden.
Das wirft viele Fragen auf: Wie geht man in der Hilfstaxe mit späteren Rabattverträgen um? Wird die Preisdifferenz zwischen dem für die Hilfstaxe maßgeblichen Listenpreis wie bei „normalen“ Arzneimitteln zwischen dem Hersteller und den Kassen abgerechnet? Ein schwieriger Konflikt zeichnet sich um die Verwürfe ab.
Im Fall von regionalen Rabattverträgen müssen die Zyto-Hersteller die Wirkstoffe bestimmter Hersteller verarbeiten. Das erhöht nach Ansicht von Branchenexperten die Anzahl der Verwürfe. „Der Gesetzgeber hat hier einen schwer lösbaren Interessenkonflikt angelegt“, sagt ein Apotheker. „Die Kassen wollen Ausgaben über Rabattverträge sparen, aber wer bezahlt die Verwürfe?“ Auf bis zu 250 Millionen Euro schätzen die Kassen das Einsparpotenzial in der Zytoversorgung. Das wird knallhart verhandelt.
Bis Ende August ist die Zeit für eine Lösung aber nur knapp. Können sich DAV und GKV-Spitzenverband nicht einigen, muss wieder einmal die Schiedsstelle unter Dr. Rainer Hess einspringen. Das würde weitere Zeit kosten. Gibt es ab dem 1. September keine neue Regelung, gilt erst mal die alte Hilfstaxe weiter. Alle Apotheken hätte dann die Möglichkeit, zu den bekannten Bedingungen an der Zyto-Versorgung teilzunehmen. Nicht auszuschließen ist auch, dass der Pfusch-Skandal von Bottrop in den Verhandlungen als Argument für mehr Transparenz hochgekocht wird.
Bereits bei der Beratung zum AM-VSG war die Zyto-Versorgung Gegenstand intensiver Diskussionen. Die ABDA und der Verband Zytostatika herstellender Apothekerinnen und Apotheker (VZA) konnten sich mit der Forderung nach einem Ausschreibungsverbot durchsetzen. Auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) unterstützte diese Position. Die Zyto-Apotheker wollten mehr Preistransparenz herstellen und so weitere Einsparungen über die Hilfstaxe ermöglichen. Der Vorschlag: Der Gesetzgeber soll festlegen, dass DAV und GKV-Spitzenverband die Zahlen genannt bekommen, die von den Zyto-Apothekern tatsächlich an die Hersteller gezahlt wurden. „Wir wollen uns nicht mehr anhören, wir würden das Geld in die Tasche stecken. Das Geld ist bei der Industrie. Für deren Preispolitik möchten wir nicht mehr haftbar gemacht werden“, so VZA-Chef Dr. Klaus Peterseim. Denn die Kassen haben immer vermutet, dass die Wirkstoffhersteller großen Versorgern besondere Einkaufspreise eingeräumt haben.
Die Zyto-Apotheker würden sogar auf die Einkaufsvorteile bei der Industrie verzichten, wenn die pauschale Vergütung entsprechend angepasst würde. „Wenn es eine anständige, auskömmliche Herstellungsvergütung und dazu eine Bewirtschaftungsvergütung gäbe, wären wir zufrieden“, so Peterseim. Dem VZA-Chef schwebt für die Handlungskosten ein prozentualer Zuschlag von circa 3 Prozent vor – also angelehnt an den Betrag für Fertigarzneimitteln. Wenn die Herstellungsvergütung von 81 Euro laut Hilfstaxe entsprechend erhöht würde, könnten die Apotheker auch auf die Einkaufsvorteile verzichten.
Rabattverträge zwischen Herstellern und Krankenkassen auf Substanzebene wie im Generikamarkt sieht der VZA hingegen bei Zytostatika kritisch. Die herstellenden Apotheken müssten dann nämlich je nach Krankenkasse mit verschiedenen Herstellern zusammenarbeiten. Das würde zwei Probleme mit sich bringen: Zum einen wäre das Nebeneinander mehrerer Rabattpartner gefährlich. In der Praxis bestünde ein erhöhtes Fehlerrisiko, weil generische Wirkstoffe von den Herstellern in unterschiedlichen Konzentrationen angeboten werden. Daher warten jetzt alle gespannt auf die Hilfstaxe-Verhandlungen. Nicht mit am Tisch, aber als DAV-Berater mit im Boot ist der VZA.