Zyto-Retaxationen

AOK bringt Retax-Streit vor BSG

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Berlin -

Der Streit um die Zytostatika-Ausschreibung der AOK Hessen geht vor das Bundessozialgericht (BSG). Die Kasse hat in dem Verfahren, das vor dem Sozialgericht Darmstadt verhandelt worden war, Sprungrevision eingelegt. Wann sich das BSG mit dem Fall beschäftigt, ist allerdings noch nicht absehbar – dass es in diesem Jahr geschieht, scheint unwahrscheinlich.

Die AOK hatte Apotheken retaxiert, die im Dezember Praxen mit Sterilrezepturen beliefert hatten, obwohl sie keinen Vertrag mit der Kasse geschlossen hatten. Der Hessische Apothekerverband (HAV) hatte für betroffene Apotheken Widerspruch eingelegt und der Streit ging vor Gericht.

Einer der betroffenen Apotheker war Rainer Schüler, Inhaber der Fliederberg-Apotheke in Darmstadt. Er arbeitet bereits seit 15 Jahren mit einer Arztpraxis zusammen und belieferte deren Rezepte auch, nachdem die AOK Exklusivverträge mit einzelnen Apotheken abgeschlossen hatte. Die Patienten hatten sogar schriftlich bestätigt, dass sie weiterhin von ihm versorgt werden möchten.

Dennoch retaxierte die AOK im Februar einen fünfstelligen Betrag. Aus Sicht der Kasse war die Apotheke nicht lieferberechtigt. Das Sozialgericht Darmstadt gab allerdings dem Apotheker recht: Schon bei der Versorgung sahen die Richter Unterschiede und erklärten, die Ärzte hätten gute Gründe, die Apotheke zu empfehlen. Die „ad hoc Belieferung“ ermögliche schnelle und sichere Änderungen in der Therapie. Die Apotheke des Vertragspartners liege hingegen knapp 50 Kilometer entfernt.

Vor allem aber betonte das Gericht die freie Apothekenwahl der Versicherten. Ein absolutes Verbot sei dem Sozialgesetzbuch (SGB V) fremd. Einschränkungen bedürften einer besonderen Begründung. Die Kasse könne zwar Verträge über die Versorgung schließen. Dies bedeute aber kein Recht auf Exklusivität.

Auch der Wille des Gesetzgebers war aus Sicht des Gerichts offensichtlich: Die Richter zitierten einen Fraktionsentwurf zum GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), wonach bei solchen Verträgen das Recht der Patienten zur freien Wahl der Apotheke erhalten bleiben soll. Auch die AOK selbst habe in den Ausschreibungsunterlagen betont, dass das Apothekenwahlrecht „unberührt“ bleibe. Man war bei der Kasse allerdings davon ausgegangen, dass dieses Recht „in der Regel nicht ausgeübt wird“.

Einen zweiten Prozess vor dem Sozialgericht Marburg hat die Kasse ebenfalls verloren. Weil die AOK den Apotheker aus Sicht des Gerichts unrechtmäßig retaxiert hatte, soll er sogar den Kassenabschlag zurückbekommen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, die AOK sei nicht befugt, über Verträge ein „exklusives“ Versorgungssystem einzurichten.

Die Exklusivität müsste ausdrücklich im Sozialgesetzbuch (SGB V) geregelt werden, weil dadurch sowohl in Patienten- als auch in Leistungserbringerrechte fundamental eingegriffen werde. Die Rabattverträge hätten „erhebliche Konkurrenznachteile“ zur Folge gehabt und somit eine Verletzung des Grundrechts der Berufsfreiheit bewirkt. Ob gegen dieses Urteil auch Revision eingelegt wurde, wollte ein AOK-Sprecher nicht sagen. Beim BSG liegt das Marburger Verfahren noch nicht.

Die Exklusivverträge mit zwölf Apotheken in 23 Gebietslosen waren im Dezember 2013 gestartet und liefen im November aus. Laut AOK-Sprecher wurden die Verträge anschließend verlängert.

Mindestens drei Apotheker hatten ihre Verträge allerdings sogar vorzeitig gekündigt. Schließlich blieben die in der Ausschreibung ausgelobten Umsätze aus, die Vereinbarungen samt der gewährten Rabatte seien damit unzumutbar, so das Argument.

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