Zyto-Ausschreibung

AOK sucht All-inclusive-Apotheken

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Berlin -

Der AOK-Bundesverband hat nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) die Versorgung mit Sterilrezepturen in fünf Bundesländern ausgeschrieben – Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein. Noch bis zum 27. April können sich Zyto-Apotheken bewerben; dabei müssen sie zahlreiche Vorgaben erfüllen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Patienten auch weiterhin schnell und zuverlässig versorgt werden. Das Risiko tragen die Pharmazeuten.

Apotheken, die ein Angebot einreichen wollen, müssen insgesamt 15 Eigenerklärungen unterzeichnen, etwa zu den Ausgangsprodukten, den Räumlichkeiten, zum Personal sowie zur Bereitstellung von Zubereitungen und einem Notfallplan. So verpflichten sich die Apotheken beispielsweise dazu, Zytostatika spätestens 30 Minuten vor der vom Arzt vorgesehenen Applikationszeit zu liefern. Voraussetzung dafür ist, dass die Praxis bis 14 Uhr des Vortages bestellt hat. Im Notfall müssen Zytostatika „in der Regel“ innerhalb von 45 Minuten geliefert werden.

Außerdem muss die Apotheke einen Plan B haben: Für den Fall eines Lieferengpasses, den die Apotheke zu verantworten hat, muss sie eine Filialapotheke, Apotheke, Krankenhausapotheke oder einen Herstellbetrieb als Ersatz nennen. Der Vertreter muss bei Einschränkungen der Lieferfähigkeit oder bei drohendem Lieferausfall die geforderten Zytostatika rechtzeitig liefern – unter Beachtung aller Vorgaben des Vertrags und zur vorgesehenen Applikationszeit.

Wer ein Angebot für die im Juli startenden Verträge abgeben möchte, muss das Produktblatt für den jeweiligen Postleitzahlenbereich ausfüllen, für den er sich bewirbt. Darin muss für jeden angeführten Wirkstoff – die Liste unterscheidet sich je nach Region – einen Preis angeben. Damit muss alles abgegolten sein: der Einkauf der Wirkstoffe, die Herstellung sowie die verwendeten Infusions- beziehungsweise Leerbeutel und Trägerlösungen.

Anders als in der Hilfstaxe geregelt, dürfen Apotheker keine Verwürfe mehr abrechnen, auch diese sollen eingepreist werden. Besonders pikant: Bei zahlreichen Präparaten geht die AOK von 0 Prozent Verwurf aus. Darunter sind in einigen Gebieten auch Wirkstoffe, die laut Hilfstaxe nur acht Stunden haltbar sind, etwa Bortezomib oder Paclitaxel-Albumin. Die Angaben basieren auf dem früheren Verordnungsverhalten der Ärzte und den abgerechneten Wirkstoffen.

Ein Apotheker, der sich für ein Losgebiet bewerben möchte, muss für jeden der dort genannten Ausgangsstoffe ein Angebot abgeben. Wer das nicht tut, wird bei der Vergabe nicht berücksichtigt. Für Wirkstoffe, die derzeit noch nicht aufgeführt werden, aber trotzdem verordnet werden, sollen während der Vertragslaufzeit Preise verhandelt werden.

Die Preise für die fertige Zubereitung dürfen nicht über denen der Hilfstaxe liegen – diese stellt eine Obergrenze dar, „welche während der gesamten Vertragslaufzeit nicht überschritten werden darf“, heißt es in den Ausschreibungsunterlagen. Überzieht ein Apotheker den Preis, bekommt er die Differenz nicht erstattet. Als Stichtag gilt der auf dem Rezept angegebene Tag der Abgabe der Zubereitung.

In den Bewerbungsunterlagen betont die AOK noch einmal, dass bei exklusiven Belieferungsverträgen das Apothekenwahlrecht des Versicherten nicht gilt. Dabei verweist sie auf die Entscheidung des BSG aus dem November 2015. Zytostatika-Zubereitungen würden – wie gesetzlich vorgeschrieben – vom Arzt in der Apotheke bestellt und von dieser Apotheke direkt an die ärztliche Praxis geliefert, erklärt die AOK. „Patienten haben damit kein rechtlich geschütztes Interesse an der Wahl einer bestimmten Apotheke und sind – wie behandelnde Ärzte auch – auf den wirtschaftlichsten Versorgungsweg beschränkt.“

Rabattverträge über Sterilrezepturen sind umstritten. In Berlin laufen die Ausschreibungen seit 2010, mittlerweile weitgehend reibungslos. Im vergangenen Juni hat die AOK Nordost bereits zum vierten Mal die Versorgung ausgeschrieben. In Nordrhein-Westfalen hingegen war die Barmer 2012 mit einer Zyto-Ausschreibung gescheitert – wegen mangelnder Akzeptanz bei den Ärzten sei die Umsteuerung der Patienten nicht gelungen, hieß es.

Die AOK Hessen hatte 2013 erstmals die Versorgung mit parenteralen Zytostatika-Zubereitungen aus Apotheken ausgeschrieben und exklusive Verträge mit zwölf Apotheken abgeschlossen. Allerdings belieferten auch Apotheker ohne Vertrag weiterhin Arztpraxen, etwa Rainer Schüler, Inhaber der Fliederberg-Apotheke in Darmstadt. Er verwies auf den Kontrahierungszwang und eine schriftliche Bestätigung der Patienten, weiterhin durch ihn versorgt werden zu wollen. Die AOK retaxierte dennoch, allein im Dezember 2013 mehr als 70.000 Euro.

Der Streit ging vor Gericht: Vom Sozialgericht Darmstadt (SG) hatte Schüler Ende August 2014 noch recht bekommen. Doch vor dem BSG setzte sich im November die AOK durch. Laut der Urteilsbegründung haben Versicherte in der Krebsversorgung – vergleichbar mit einem stationären Krankenhausaufenthalt – kein Recht auf freie Apothekenwahl.

Nach der Entscheidung begann die Kassen damit, insgesamt 15 Millionen Euro bei den betroffenen Apothekern einzuziehen. Doch der Streit ist noch nicht ausgetragen: Ende Februar kündigte Schüler an, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Seine Verfassungsbeschwerde soll der Verfassungsrechtler Professor Dr. Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg führen.

Derweil hat der AOK-Bundesverband mit seiner Ausschreibung neue Fakten geschaffen. Und auch Barmer-Chef Dr. Christoph Straub hat im vergangenen Jahr eine neue Ausschreibung nicht ausgeschlossen. Aus seiner Sicht spricht nichts dagegen, bei entsprechender Logistik Rezepturen auch überregional herzustellen. Voraussetzung müsse aber sein, dass Patienten keinen Behandlungsverzug durch die Belieferungszeit erleiden. Onkologen sehen die Ausschreibungen kritisch.

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