Holmsland-Affäre

Zytoapothekerin entgeht Bußgeld

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Berlin -

Mehr als zehn Jahre nach Bekanntwerden ist die Holmsland-Affäre immer noch nicht komplett juristisch aufgearbeitet. Mittlerweile beschäftigen sich auch die Berufsgerichte damit. Im aktuellen Fall wurde eine Apothekerin vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen.

Die Apothekeninhaberin wurde 2013 vom Amtsgericht Leverkusen wegen Betruges in 127 Fällen verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Pharmazeutin im Zeitraum 2005 bis 2007 Zytostatika auf dem grauen Markt in Dänemark erworben hatte und damit Infusionslösungen hergestellt hatte. Mit den Krankenkassen rechnete sie den Preis ab, den sie für im Inland zugelassene Originalpräparate hätte abrechnen dürfen. 23 Krankenkassen seien somit ein Gesamtschaden von über 300.000 Euro entstanden. Die Apothekerin erhielt eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung.

Zwei Jahre später wurde die Apothekerin vom Berufsgericht für Heilberufe NRW wegen Verletzung ihrer Berufspflichten zu einer Geldbuße von 2000 Euro verurteilt. Die Beschuldigte habe sich aufgrund des rechtskräftigen Strafbefehls eines Betrugsvergehens schuldig gemacht, so die Begründung der Richter. Die Pharmazeutin ging dagegen in Berufung und bekam vorm Landesberufsgericht recht. Das Gericht entschied dann auch gleich selbst in der Sache, obwohl das Urteil des Berufsgerichts verfahrensfehlerhaft war und eine Zurückverweisung möglich gewesen wäre.

„Eine schuldhafte Verletzung der Berufspflichten liegt nicht vor“, urteilte der Senat. Die Apothekerin habe sich nicht dadurch strafbar gemacht, dass sie Zytostatikalösungen, die sie aus in Deutschland nicht verkehrsfähigen Fertigarzneimitteln zubereitet hat, gegenüber den Kassen wie solche abgerechnet hat, die aus zugelassenen Fertigarzneimitteln hergestellt worden sind. Zum Tatzeitpunkt sei in der Branche einhellig die Meinung vertreten worden, dass Zytostatika-Zubereitungen als Rezepturarzneimittel anzusehen seien. Als solche durften sie auch bei Verwendung eines in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimittels abgerechnet werden. Das Gericht berief sich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Halle, das 2016 einer Apothekerin recht gegeben hatte, die gegen den Widerruf ihrer Approbation geklagt hatte. Das Gericht ging davon aus, dass Zytostatika-Zubereitungen Rezeptureigenschaften haben.

Die Herkunft der verwendeten Fertigarzneimittel war für die Krankenkassen unwichtig. Grundlage der Abrechnung waren Preise von zugelassenen Produkten aus der Lauer-Taxe. Selbst bei einer Offenlegung der Einkaufsvorteile hätten den Krankenkassen keine Abschläge auf die vom Apotheker geltend gemachten Erstattungsansprüche zugestanden, so die Richter. Erst mit der AMG-Novelle 2009 sei festgelegt worden, dass eine Berechnung anhand der tatsächlichen Einkaufspreise vorzunehmen ist. Die Apothekerin habe ohne Täuschungsvorsatz gehandelt.

Die Berufspflichten seien ebenfalls nicht dadurch verletzt worden, dass die Apothekerin in Deutschland nicht verkehrsfähige Zytostatika vom grauen Markt bezogen und daraus Infusionen zur Abgabe an Patienten hergestellt hat. „Insbesondere ist keine arzneimittelrechtliche Regelung oder Vorschrift aus der Apothekenbetriebsordnung ersichtlich, wonach ein Apotheker zur Zubereitung von Zytostatikalösungen lediglich hierzulande zugelassene Arzneimittel verwenden durfte“, so das Gericht.

Betrügerisches Verhalten zulasten der Kassen liege nicht vor, ebenso wenig seien Ärzte und Patienten getäuscht oder geschädigt worden. Sie habe sich an die Verschreibungen gehalten, Qualitätsmängel seien nicht festgestellt worden. Die verwendeten Fertigarzneimittel waren auch keine Fälschungen, sondern Originalware ohne Qualitätsmängel. Die Medikamente waren sämtlich wirkstoffgleich und in ihrer inhaltlichen Zusammensetzung identisch mit den hier zugelassenen Arzneimitteln.

Die sogenannte Holmsland-Affäre sorgte seit 2007 bundesweit für Schlagzeilen. Rund 100 Apotheken sollen nach Angaben der federführenden Staatsanwaltschaft Mannheim über mehrere Jahre hinweg in Deutschland nicht zugelassene Zytostatika zu günstigen Preisen bei einem spezialisierten Lieferanten bestellt, in Rezepturen verarbeitet und gegenüber den Kassen als Originalware abgerechnet haben. Die Apotheken hatten die Ware bei einem Pharmahändler mit Sitz im dänischen Holmsland bezogen, der schließlich selbst Anzeige erstattete. Im September 2007 hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufgenommen.

Der Fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hatte 2014 drei Apotheker freigesprochen. Die Richter gingen davon aus, dass sich die Apotheker in der Einschätzung der Rechtslage schlicht geirrt hätten. Maßgeblich sei, dass die beteiligten Krankenkassen selbst davon ausgingen, dass es sich bei der Herstellung von Zytostatika um eine Rezepturherstellung handele. Bei dieser komme es aber nicht darauf an, ob die verwendeten Mittel in Deutschland zugelassen seien. Ein Betrug sei daher nicht gegeben – es scheitere schon an der Täuschungsabsicht. Wegen des Irrtums der Apotheker liege auch kein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vor.

Damit entschieden die Richter anders als der Erste Strafsenat zwei Jahre zuvor. Dieses sah im Verhalten eines Apothekers aus München sowohl einen Verstoß gegen die Zulassungspflichten des Arzneimittelgesetz, als auch den Straftatbestand des Betrugs. Die Zubereitung einer Injektionslösung sei keine Rezeptur. Er habe kein neues Arzneimittel hergestellt und das ursprüngliche Fertigarzneimittel damit ohne die erforderliche Zulassung in den Verkehr gebracht und abgerechnet.

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