Zyto-Verträge

BMG pocht auf freie Apothekenwahl Alexander Müller, 18.07.2016 10:21 Uhr

Berlin - 

Die aktuellen Zyto-Ausschreibungen mehrerer AOKen, der Knappschaft Bahn-See (KBS) und des Gespanns DAK/GWQ haben die Debatte über die Versorgungsqualität befeuert. Apotheker, Onkologen und Patientenverbände fordern ein Verbot von Exklusivverträgen in diesem Bereich. In die politische Debatte kommt nun Bewegung: Die Gesundheitsminister der Länder wollen Zyto-Ausschreibungen verbieten. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) klingt zumindest nachdenklich und betont die freie Apothekenwahl.

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte Ende 2015 erklärt, dass Krebspatienten in der Versorgung mit Sterilrezepturen kein Recht auf eine freie Apothekenwahl haben. Entsprechend durfte die AOK Hessen alle Apotheken retaxieren, die ohne AOK-Vertrag ihre Patienten auf deren Wunsch weiter versorgt hatten.

Da sich Zyto-Verträge mit diesem Urteil hart durchsetzen lassen, war es eine Frage der Zeit, bis andere Kassen nachziehen würden. Allein bei den drei AOKen sind zusammen mehr als sechs Millionen Menschen versichert, ebenso viele bei der DAK, dazu kommen noch die BKK-Versicherten über GWQ. Es ist davon auszugehen, dass andere Kassen nachziehen werden. Kritiker befürchten, dass wegen der Exkluxivverträge in der Folge viele herstellende Apotheken aufgeben werden und damit die wohnortnahe Versorgung mittelfristig zusammenbricht.

Auf Nachfrage gab das Ministerium zu den aktuellen Ausschreibungen folgende Stellungnahme ab: „Das BMG setzt sich nachdrücklich für eine wohnortnahe Versorgung, faire Wettbewerbsbedingungen und die Stärkung mittelständischer Strukturen in der Zytostatikaversorgung aufbauend auf der derzeitigen Sicherstellung durch Zytostatika herstellende öffentliche Apotheken, die sich gegebenenfalls Herstellbetriebe und Krankenhausapotheken bedienen, ein.“

Der Gesetzgeber habe im Sozialgesetzbuch (SGB V) die Möglichkeit geschaffen, dass Kassen die Versorgung mit Sterilrezepturen in der Onkologie auch durch Verträge mit Apotheken sicherstellen könnten, so das BMG weiter. Daran will das Ministerium offenbar festhalten: „Ausschreibungen sind ein Anreiz für die Vertragsparteien zur wirtschaftlichen Versorgung.“ Doch dann folgt ein überraschender Satz: „Nach Begründung zum Gesetzentwurf bleibt das Recht der Versicherten zur freien Wahl der Apotheke erhalten“, postuliert das Ministerium.

Diese Aussage steht in klarem Widerspruch zum Urteil des BSG. Das Argument der Kasseler Richter: Weil die Apotheken die Zyto-Rezepturen zur unmittelbaren Anwendung direkt an die Arztpraxis schicken, hätten die Patienten ohnehin kein Recht auf freie Apothekenwahl. Der Versicherte suche auch ohne Ausschreibung nie selbst eine Apotheke seiner Wahl auf. Für das BSG war damit klar, dass die Kasse ihre Verträge damit auch mit Retaxationen durchsetzen darf.

So eindeutig ist das aus Sicht des Ministerium offensichtlich nicht – es gibt Gesprächsbedarf: „Das BMG ist mit den Beteiligten im Kontakt, um die Sicherstellung der Versorgung der Patientinnen und Patienten mit parenteralen Zubereitungen durch Exklusivverträge sowie den Willen des Gesetzgebers nach freier Wahl der Apotheke durch den Versicherten im Hinblick auf das BSG-Urteil zu überprüfen.“ Was das im Detail bedeutet, wollte der Sprecher des Ministeriums nicht weiter kommentieren.

Die Gesundheitsminister der Länder hatten sich auf ihrer Tagung Ende Juni für ein Verbot von Ausschreibungen ausgesprochen. Sie fordern die Bundesregierung auf, mögliche Risiken zu prüfen und andere Einsparmaßnahmen ins Auge zu fassen. Laut Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) hat das BSG-Urteil „erhebliche Auswirkungen auf die ambulante Versorgung der Versicherten mit in Apotheken gemäß ärztlicher Verschreibung individuell hergestellter Zytostatika und steriler Arzneimittel“. Die Exklusivverträge führten zwar kurzfristig zu Einsparungen. Zu befürchten sei aber, dass damit eine Zerschlagung bestehender Versorgungsstrukturen einhergehen könnte.

Der Verband der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA) rechnet wegen der Ausschreibungen mit „einer erheblichen Verschlechterung der Versorgung der Patienten“ und Chaos in den Arztpraxen. Die Probleme dort werden sich laut VZA-Chef Dr. Klaus Peterseim noch verschlimmern, wenn immer mehr Kassen entsprechende Ausschreibungen starten. „Das kann dazu führen, dass eine onkologische Praxis mit drei oder vier Apotheken zusammenarbeiten muss. Das wird sehr kritisch. Hoffen wird, das nichts Schlimmes passiert“, sagt der VZA-Chef.

Der VZA darf Apothekern aus kartellrechtlichen Gründen nicht von einer Beteiligung an Ausschreibungen abraten. Apotheker Dr. Franz Stadler dagegen hat seine Kollegen öffentlich gewarnt: „Hände weg von Ausschreibungen! Nichtteilnahme ist besser als mit der Teilnahme fragwürdige Bedingungen zu akzeptieren“, so Stadler.

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