Deutlicher geht es nicht: Mit einer mahnenden Erklärung hat sich das Bundesgesundheitsministerium (BMG) an die Krankenkassen gewandt: Ab sofort gelte bei der Versorgung von Krebspatienten wieder die freie Apothekenwahl. Retaxationen seien nicht zulässig. Er teile ihm hiermit „die geltende Rechtslage mit der Bitte um Beachtung mit“, schrieb Staatssekretär Lutz Stroppe unmissverständlich an den stellvertretenden Vorsitzenden des GKV-Spitzenverbandes Johann-Magnus von Stackelberg. Die Exlusivverträge seien mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) „gestrichen“.
„Die Exklusivität noch bestehender Verträge ist unmittelbar mit Inkrafttreten des AMVSG entfallen“, teilt Stroppe mit. „Die Versicherten sind ab diesem Zeitpunkt nicht mehr verpflichtet, die verordneten Zytostatika ausschließlich über die exklusive Vertragsapotheke der Krankenkassen zu beziehen“, so Stroppe weiter. Vielmehr könnten auch andere Apotheken die Versorgung sicherstellen. „Vor diesem Hintergrund lässt das AMVSG im Rahmen der dreimonatigen Übergangsfrist auch keinen Raum für die Retaxation von Abrechnungen von Apotheken, die keinen Zuschlag im Ausschreibungsverfahren erhalten haben, da die bestehenden Verträge keine Exklusivität mehr haben“, schreibt Stroppe.
Das Ende der Exklusivität ergebe sich aus dem Gesetz und aus „systematischen Überlegungen“, schreibt Stroppe weiter. Die Rechtsgrundlage für Exklusivverträge sei durch Streichung des entsprechenden Paragrafen „ersatzlos entfallen“. Dadurch gelte „der allgemeine Grundsatz der Apothekenwahlfreiheit“.
Der Gesetzgeber habe gerade nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch eine gesetzliche Regelung die Apothekenwahlfreiheit bei der Zyto-Versorgung einzuschränken, so der Staatssekretär mit Nachdruck: „Bestandsverträge der Krankenkassen verlieren daher unmittelbar mit Inkrafttreten des AMVSG ihre Exklusivität“.
Auch die Entstehung des AMVSG lasse keinen anderen Schluss zu. Es sei Ziel, die wohnortnahe Versorgung mit Zytostatika durch die Abschaffung der Exklusivität zu stärken. Das Ende der Exklusivität laufender Verträge entspreche daher „Sinn und Zweck“ der gesetzlichen Regelung. Die Möglichkeit der Versorgung von Krebspatienten, ihre Apotheke frei wählen zu könnten, solle „nicht beschränkt werden.
„Die beschlossene Übergangsfrist von drei Monaten für Altverträge dient daher gerade nicht dem Fortbestand der Exklusivität, sondern dem Vertrauensschutz für eine geordnete Abwicklung der noch bestehenden Verträge“, so Stroppe weiter. Die Exklusivität sei zwar Kern der Altverträge. Daraus ziehe der Gesetzgeber aber „gerade nicht den Schluss, dass die Exklusivität im Rahmen der Übergangsfrist geschützt werden soll“. Im Gegenteil werde die Übergangszeit ausdrücklich damit begründet, dass der Wegfall der Exklusivität der Verträge notwendig sei und es angesichts der Betroffenheit des hohen Gutes der Gesundheit nicht hinreichend sei, wenn nur künftig keine exklusiven Verträge mehr geschlossen werden könnten.
Für eine andere Rechtsauslegung gibt es aus Sicht des BMG keine Begründung. Es könne auch nicht das Bundessozialgericht (BSG) herangezogen werden. Der Grundsatz der Apothekenwahlfreiheit bleibe „vorrangig“.
Zuvor hatte schon die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Annette Widmann-Mauz (CDU), die Haltung ihres Hauses sehr deutlich zum Ausdruck gebracht: Das freie Apothekenwahlrecht und der Wegfall der Versorgungsexklusivität gelte auch für solche Verträge, die in Kenntnis der bereits im Gesetzentwurf vorgesehenen Streichung der Exklusivverträge kurzfristig vor Inkrafttreten des AMVSG geschlossen worden seien, schrieb sie an den Bundestagsabgeordneten Tino Sorge. „Insoweit ist auch keine Umgehung der kommenden gesetzlichen Regelungen durch kurzfristige Vertragsabschlüsse realisierbar“, so Widmann-Mauz.
In einer früheren Fassung des AMVSG sollte die sofortige Wiederherstellung der Apothekenwahlfreiheit sogar explizit ins Gesetz aufgenommen werden. Dass dieser Passus später wieder gestrichen wurde, sehen die Kassen als Beleg, dass der Gesetzgeber ihnen die Übergangsfrist einräumen möchte. Sie berufen sich vor allem auf ein Urteil des Bundessozialgerichts, dass die Exklusivität der Verträge 2015 bestätigt hatte. An dieser Sachlage ändere sich bis zum Ende der Übergangsfrist nichts, so das Argument der Kassen.
Der eigentliche Grund für die Streichung der Klarstellung im Gesetz war dem Vernehmen nach aber eine Art juristisches Hygienebewusstsein des Gesetzgebers. Ohnehin wäre der Hinweis zur Apothekenwahlfreiheit nur eine Klarstellung gewesen, und solche Doppelungen im Gesetzestext seien nie schön, heißt es aus dem Ministerium. Mit dem Verbot der Exklusivverträge sei die Sache klar geregelt, da müsse der Gesetzgeber nicht auch noch schreiben, dass es wirklich gilt.
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