Zyto-Ausschreibungen

„Apotheker werden unanständig bedrängt“

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Berlin -

Die Apotheker laufen Sturm gegen die Ausschreibungen der Krankenkassen im Bereich der Zytostatika-Versorgung. Dr. Klaus Peterseim, Chef des Verbands der Zytostatika herstellenden Apothekerinnen und Apotheker (VZA), rechnet mit „einer erheblichen Verschlechterung der Versorgung der Patienten“ und Chaos in den Arztpraxen.

Aktuell steht vor allem die kurze Haltbarkeit einiger Wirkstoffe im Zusammenhang mit Ausschreibungen in der Kritik. Wenn die bezuschlagte Apotheke die Rezepturen von einem weit entfernten Herstellbetrieb bezieht, kann die Infusion gar nicht pünktlich geliefert und verabreicht werden, so der Vorwurf. Die Apotheken würden so mitunter gezwungen, nicht verkehrsfähige Arzneimittel abzugeben.

Dieses Problem ist beim VZA schon länger präsent. In der Hilfstaxe gebe es dazu eine ganz klare Vereinbarung, wonach allein die Fachinformation ausschlaggebend ist. Der Hersteller entscheidet also, wie lange sein Präparat haltbar ist. „Etwas anderes ließe sich auch gar nicht vereinbaren, weil das rechtswidrig wäre“, sagt Peterseim.

Nur setzen nicht alle Kassen das in der Praxis um: „Beim Retaxationsverhalten beobachten wir, dass sich einige Kassen an die Hilfstaxe halten, andere setzen Verwürfe jedoch mit Bezug auf die 'Krämer-Liste' ab“, berichtet Peterseim. Gemeint ist die „Stabil-Datenbank“, in der Professor Dr. Irene Krämer von der Universität Mainz die getestete Haltbarkeit verschiedener Wirkstoffe listet. Aktuell sagte sie allerdings gegenüber der Süddeutschen Zeitung, dass ein Überschreiten der vom Hersteller gesetzten Fristen weder legal noch im Sinne der Patienten sei.

Peterseim moniert eine neue Qualität, die mit den aktuellen Ausschreibungen dazugekommen ist: Apotheken können demnach die Verwürfe der Kasse überhaupt nicht mehr in Rechnung stellen. Beim Angebot müssen diese schon eingepreist werden. An der Stelle werde der Bieter schon „in unanständiger Weise“ bedrängt, kritisiert Peterseim. Weil Gebote oberhalb der Hilfstaxe unzulässig seien, müssten sich die Apotheker die Kosten für die Verwürfe entweder selbst ans Bein binden, oder sich – mit einer Überschreitung der Haltbarkeit – rechtswidrig verhalten, so der VZA-Chef.

Der Verband darf seinen Mitgliedern nicht dazu raten, sich nicht an Ausschreibungen zu beteiligen. Eine solche Empfehlung würde sofort das Kartellamt auf den Plan rufen. „Wir können nur dazu raten, die Ausschreibungsbedingungen sorgfältig zu lesen und genau zu rechnen“, sagt Peterseim.

Das die Ausschreibungen aus seiner Sicht für das System insgesamt schlecht sind, daraus macht der VZA-Chef keinen Hehl: „Wir gehen davon aus, dass es zu einer erheblichen Verschlechterung für die Patienten kommt und zu einem Chaos in den Arztpraxen.“ Die Probleme dort werden sich Peterseim zufolge noch verschlimmern, wenn immer mehr Kassen entsprechende Ausschreibungen starten. „Das kann dazu führen, dass eine onkologische Praxis mit drei oder vier Apotheken zusammenarbeiten muss. Das wird sehr kritisch. Hoffen wird, das nichts Schlimmes passiert“, sagt der VZA-Chef.

Aus der Politik hat Peterseim zumindest das Signal erhalten, dass man die Problematik versteht und sich damit befassen will. „Was das bedeutet, wissen wir nicht. Aber den einstimmigen Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz haben wir als positives Signal aufgenommen.“ Sein Verband erwarte jetzt vom Parlament und der Regierung, dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzen.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der Union, Maria Michalk, hatte bei der VZA-Jahrestagung zu den Zyto-Apotheken gesprochen. Doch auch heute bleibt die Gesundheitspolitikern dabei, dass „die Möglichkeit der Ausschreibung der Zytostatikaversorgung durch die Krankenkassen grundlegend nicht zu kritisieren“ sei.

Unruhe angesichts der neuen Ausschreibungen nimmt Michalk vor allem in der Palliativmedizin in ländlich strukturierten Regionen wahr. „Es ergeben sich hieraus Herausforderungen für alle Beteiligten. Der Arzt muss die Zeit aufbringen, mit den entsprechenden Apotheken ein Vertrauensverhältnis und enge Abstimmungen aufbauen. Und weil Arzt und Apotheker oftmals in kürzester Zeit auf den veränderten Gesundheitszustand des Patienten reagieren müssen, sind lange Transportwege nicht zu verantworten“, so die CDU-Politikerin.

Michalk ist wichtig, dass es in der onkologischen Versorgung nach Ausschreibungen auf keinen Fall zu massiven Verdrängungsprozessen kommen darf. Große Anbieter könnten kurzfristig im Vergleich zu inhabergeführten Apotheken günstigere Preise bieten. Nach deren Verschwinden könnte sich die Versorgung aber mittelfristig verteuern.

Deshalb seien Ausschreibungen immer im Kontext der vernetzten Versorgung mit allen Leistungserbringern zu sehen und regional unterschiedlich zu handhaben, so Michalk. Das sei heute möglich.

Auch wenn diese Ausführungen den Apothekern wenig Mut für ein baldiges Ausschreibungsverbot machen dürften – ganz entschieden ist die Sache bei der Union offenbar nicht: „Wir werden die aktuelle Entwicklung genau verfolgen. Sollte es sich zeigen, dass es Probleme insbesondere bei einer wohnortnahen Versorgung gibt, sind wir zu gesetzlichen Klarstellung bereit. Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung darf nicht zu Lasten der Qualität gehen“, so Michalk.

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