Zwangsrabatte

BGH: Abschlag gefährdet Pharmabranche nicht

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Berlin -

Die Pharmahersteller müssen auch an die private Krankenversicherung (PKV) den Zwangsrabatt zahlen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) im April in einem Musterverfahren von Desitin gegen die Bayerische Beamtenkrankenkasse entschieden. Erst wenn die gesamte Branche wirtschaftlich gefährdet wäre, müsste der Gesetzgeber möglicherweise einlenken, heißt es in den jetzt vorliegenden Urteilsgründen.

In dem Verfahren ging es um das Gesetz über Rabatte für Arzneimittel (AMRabG), das mit dem AMNOG eingeführt worden war. Dort ist festgelegt, dass Pharmaunternehmen auch an private Krankenversicherungen den Herstellerabschlag zahlen müssen – und zwar unabhängig davon, ob der Patient die Kosten teilweise oder sogar komplett alleine übernommen hat.

Neben verschiedenen grundsätzlichen Fragen, etwa zum Rechtsverhältnis zwischen Hersteller, Versichertem und PKV, drehte sich der Streit im Wesentlichen um die Zumutbarkeit. Es sei ein legitimes Interesse des Gesetzgebers, einen bezahlbaren Krankenversicherungsschutz auch außerhalb des GKV-Systems zu gewährleisten. Dem müssten sich die Leistungserbringer grundsätzlich unterwerfen.

„Der Schutz der Bevölkerung vor dem Risiko der Erkrankung, das sich bei jedem und jederzeit realisieren und ihn mit unabsehbaren Kosten belasten kann, zählt zu den Kerngeboten des Sozialstaats“, so die Richter. Dieser Grundsatz gelte auch im PKV-Bereich. Wie die Vorinstanzen wies der BGH darauf hin, dass die Mehrheit der Privatversicherten kleine und mittlere Einkommen beziehe. Außerdem könnten über niedrigere Beihilfeaufkommen auch die öffentlichen Haushalte entlastet werden.

Die Arzneimittelkosten sind aus Sicht der Richter ein bedeutender und stetig wachsender Ausgabenblock, der eine Intervention rechtfertigt. Dass die Einsparungen im Gesamtkontext eine untergeordnete Rolle spielten und die Prämienentwicklung auch von vielen anderen Faktoren abhänge, spiele dabei genauso wenig eine Rolle wie die Tatsache, dass ebenso andere Leistungserbringer herangezogen werden könnten. Desitin hatte auch darauf verwiesen, dass andere Sparinstrumente wie der Apothekenabschlag in der PKV-Welt nicht existierten.

Es gebe jedenfalls keine Pflicht des Gesetzgebers, schematisch jede Kostensenkungsmaßnahme auf alle Leistungserbringer gleichermaßen zu verteilen: „Der Hinweis auf anderweitig und zu Lasten anderer Betroffener bestehende Einsparmöglichkeiten vermag die Erforderlichkeit der angegriffenen Maßnahme im Rahmen des vorliegend verfolgten, komplexen Ziels der Sicherstellung einer bezahlbaren privaten Krankenversicherung nicht zu widerlegen“, heißt es im Urteil.

Gerade die Hersteller seien in der Pflicht, da sie angesichts der Möglichkeit zur freien Preisfestsetzung den größten Einfluss auf die Arzneimittelausgaben hätten, so die Richter. Der Einwand, es sei einem Teilnehmer am privaten Wirtschaftsverkehr nicht zumutbar, ein anderes auf Gewinnerzielung ausgerichtetes Unternehmen zu subventionieren, gehe am Kern des Rechtsstreits vorbei: „Die pharmazeutischen Unternehmer werden nicht zu beliebigen fiskalischen Zwecken zur Zahlung einer Abgabe herangezogen, sondern ihnen wird als auf die Arzneimittelpreise maßgeblich einwirkenden Beteiligten ein Beitrag zur Verminderung der Steigerung oder zur Senkung dieses Kostenfaktors abverlangt.“

Dass Unternehmen in ihrer Existenz gefährdet werden könnten, lässt der BGH nicht gelten: Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit sei nicht die Interessenlage des Einzelnen maßgebend, sondern komme es auf eine generalisierende Betrachtungsweise des betreffenden Wirtschaftszweigs insgesamt an.

„Die Möglichkeit, dass eine gesetzliche Maßnahme im Einzelfall die Existenz eines Unternehmens gefährden oder sogar zu seinem Ausscheiden aus dem Markt führen könnte, rechtfertigt es noch nicht, sie unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit von Verfassungs wegen zu beanstanden.“

Der Zwangsrabatt sei in seiner Höhe zwar beachtlich, räumen die Richter ein. Es gebe aber „keine Anhaltspunkte dafür, dass der Abschlag die Klägerin oder die pharmazeutische Industrie insgesamt wirtschaftlich überfordert oder in ihrem Bestand gefährdet“. Wie die Vorinstanzen wiesen die Richter auf die Tatsache hin, dass viel größere Summen im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgeführt werden müssten. Dass in der PKV für 10 Prozent der Bevölkerung derselbe Rabatt erhoben wird wie für den Rest, sehen die Richter umgekehrt nicht als Problem.

Desitin hatte noch eine ganze Reihe an Argumenten vorgetragen, die allesamt abgewiesen wurden: Weder sei die Abwicklung übermäßig kompliziert, noch sei es zielführend, in typische Kassen- und darüber hinausgehende PKV-Leistungen zu differenzieren.

Nicht von Bedeutung sei letztendlich, dass der Abschlag auch dann in voller Höhe gezahlt werden müsse, wenn der Versicherte einen Teil der Kosten selbst übernehme: Da die Abschläge nur zur Vermeidung von Prämienerhöhungen oder für Prämiensenkungen verwendet werden dürften, werde auch in diesem Fall der gesetzgeberische Zweck erfüllt.

Novartis hatte parallel ein Verfahren gegen die Signal-Iduna geführt und vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verloren. Auch andere Hersteller und Reimporteure hatten das Verfahren anfangs boykottiert. Laut Wissenschaftlichem Institut der PKV brachte der Herstellerabschlag 2013 Einsparungen von 204 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im selben Jahr lag der Zwangsrabatt in der GKV bei 2,4 Milliarden Euro und der Kassenabschlag der Apotheken bei 1,1 Milliarden Euro.

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