Wegen der Engpässe seien die Apotheken und ihre Kompetenzen gefordert, sagte Dr. Doris Pfeiffer, Vorsitzende des GKV-Spitzenverbands. Mehr Geld für diese „ureigene Aufgabe der Apotheken“ gebe es aber nicht. Eine „Zumutung“ sei das, findet Thomas Rochell, Vorstandsvorsitzender des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL).
„Wir würden sehr, sehr gern unserer ureigenen Aufgabe nachkommen: die Patienten bestmöglich zu versorgen und zu beraten. Stattdessen müssen wir zusammen mit den Patienten ausbaden, was die gesetzlichen Krankenversicherungen in den vergangenen Jahren durch ihre Rabattverträge angerichtet haben“, so Rochell. Denn der hohe Kostendruck sei die Ursache für die Lieferengpässe. So finde eine Produktion elementarer Arzneistoffe vielfach nur noch im Ausland außerhalb Europas statt.
Statt den Apotheken kluge Ratschläge zu geben, sollten sich die Kassen lieber auf ihre ureigene Aufgabe konzentrieren – nämlich die ausreichende und zweckmäßige Versorgung ihrer Versicherten zu ermöglichen. „Die Versicherungen sollten sich darauf besinnen, dass sie Krankenkassen sind, keine Sparkassen“, so Rochell. Die Apotheken vor Ort verursachten gerade einmal 1,9 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen. Für die eigene Verwaltung würden die Kassen hingegen mehr als das doppelte ausgeben (4,1Prozent).
„Unser Gesundheitssystem befindet sich mittlerweile in einer äußerst schwierigen Situation, in der strukturelle Defizite deutlich zutage treten“, so Rochell. Wenn Pfeiffers Äußerungen stellvertretend dafür sein sollten, was die Kassen zur Behebung dieser gravierenden Missstände für erforderlich hielten, dann sei das alarmierend. „Die Politik ist dringend aufgefordert, zu handeln!“
Etwas diplomatischer im Tonfall kontert Dr. Martin Braun, Kammerpräsident in Baden-Württemberg, den zuletzt wiederholt formulierten Vorwurf, die Apotheken trügen durch übermäßige Vorratshaltung zur ungleichen Verteilung der Medikamente bei. „Die Kolleginnen und Kollegen geben tagtäglich ihr Bestes, um die Arzneimittelversorgung der Patienten vor Ort sicherzustellen. Die Nachfrage ist momentan sehr hoch und die meisten Apotheken leben gleichsam ‚von der Hand in den Mund‘. Bevor solche unreflektierten Behauptungen aufgestellt werden, sollten sich diese Personen in ihrer Vor-Ort-Apotheke am besten einmal die leeren Schubladen für Antibiotika und Fiebersäfte zeigen lassen.“
In der Regel fänden Apotheken vor Ort im Austausch mit den Ärzten Alternativen. Braun sieht die Sonderregeln bei der Arzneimittelversorgung während der Corona-pandemie als Blaupause für eine patientenorientierte Lösung: „In der akuten Phase der Pandemie war es schon einmal möglich, die strengen bürokratischen Auflagen, die bei der Arzneimittelversorgung gelten, zu lockern. Dieses beherzte Handeln muss auch angesichts der derzeitigen Probleme möglich sein“.
Auch Manfred Saar, Kammerpräsident im Saarland, weist den Vorwurf zurück, dass Apotheken durch Hamstern zu den Engpässen beigetragen hätten: „Wir helfen, die Engpässe zu lösen, wir produzieren sie nicht. Politik und Krankenkassen machen es sich zu einfach, Lieferengpässe gerade bei Fiebersäften den angeblich hamsternden Apotheken in die Schuhe zu schieben. Seit Jahren weisen wir darauf hin, dass eine übertriebene Ökonomisierung des Gesundheitswesens fatale Auswirkungen haben wird. Diese Auswirkungen fangen wir gerade an zu spüren. Und ich befürchte, dass wir erst am Anfang stehen!“
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