Bekommt man einen Brief von einem Inkasso-Unternehmen, steigt bei vielen Menschen erst einmal der Puls. Denn meist hat man dann – bewusst oder unbewusst – einen Fehler begangen. Die DocMare Apotheke in Schleswig kann sich das nicht vorwerfen. Sie muss sich gegenüber einem Inkassobüro rechtfertigen, das die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) angeheuert hat – und zwar, weil bei ihren Corona-Schnelltests zu wenig positive Ergebnisse aufgetreten seien.
Sie wollen ja – aber wenn es ihnen unnötig schwergemacht wird, überlegen sie es sich eben zweimal, welche Leistungen sie in der Pandemie anbieten können: „Wir testen seit Beginn, sind dafür im Februar sogar von Schule zu Schule gegangen, und überlegen nun, ob wir hier nicht auch eine Corona-Impfaktion nach dem Vorbild von Herr Schittenhelm machen wollen“, sagt die stellvertretende Leiterin der Apotheke. „Aber wenn man dann für sein Engagement solche Schwierigkeiten bekommt, dann will man das gar nicht mehr machen.“
Die DocMare Apotheke habe sich in der Pandemie bisher vorbildlich eingebracht, monatlich tausende Tests durchgeführt und müsse nun auf das Geld warten. „Wir sind sowieso schon ordentlich in Vorleistung gegangen und die KV zahlt mit zwei Monaten Verzögerung“, sagt Inhaber Hermann Wighardt. Doch das ist momentan nicht das Problem, sondern die beiden Briefe, die die Apotheke Ende Oktober und Anfang November erhielt: vom Inkassobüro Förstner aus Kiel. Das forderte sie zu einer umfangreichen Stellungnahme auf – inklusive einer Aufstellung der im August und September durchgeführten Schnelltests. Vorher gebe es für die beiden Monate kein Geld von der KV. Denn, so die Begründung in den Schreiben: Man weise die Apotheke vorsorglich darauf hin, dass die KV das Recht habe, die Auszahlung auszusetzen, und davon bei einer Prüfung auch Gebrauch mache. Grund sei, dass sich das Testgeschehen in der Apotheke „auffällig“ darstelle, weil angesichts des hohen Testaufkommens zu wenige positive Ergebnisse gemeldet worden seien.
Ein Inkassobüro wurde von der KV eingeschaltet, um das Testgeschehen zu überprüfen – und dann noch mit so einer Begründung? Wighardt war erst einmal misstrauisch. „Also habe ich direkt die KV angerufen. Da wurde mir gesagt, dass wir nicht die erste Stelle seien, die deshalb nachgefragt hat.“
Auf Anfrage bestätigt die KV, dass sie mit jenem Inkassobüro – und nur mit diesem – zusammenarbeitet. Die Begründung ist plausibel: Es liegt normalerweise nicht im Aufgabenbereich einer KV, hunderte Teststellen zu überwachen. Entsprechend dürften die personellen Kapazitäten dazu auch nicht ausreichen. „Das Unternehmen bietet die von uns benötigte Expertise einer Plausibilitäts-Rechnungsprüfung neben ihrer anderen Tätigkeit an“, erklärt ein Sprecher. „Wir haben uns aus nachvollziehbaren internen Gründen, da dies nicht unser Kerngeschäft ist, eines externen Dienstleisters bedient.“
Dennoch: Eine Prüfung wegen zu weniger positiver Testergebnisse? Die stellvertretende Apothekenleiterin hat dafür kein Verständnis. „Man wird nicht angeschrieben, dass man zu wenige Tests macht, sondern dass es zu wenige positive Ergebnisse gibt!“ Tatsächlich wirke es vielleicht auf den ersten Blick wenig: In beiden Monaten habe die Apotheke rund 2000 Tests durchgeführt und jeweils drei positive Ergebnisse gehabt. Doch so ungewöhnlich sei das gar nicht, wenn man eine Minute nachrechnet: Im August und September war das Infektionsgeschehen insbesondere in Schleswig-Holstein sehr niedrig. Im August seien im Kreis Schleswig-Flensburg 200 positive Testergebnisse gemeldet worden, es gebe dort aber rund 40 Teststellen – das heißt, pro Teststelle sind es fünf positive Ergebnisse. „Und bei uns waren es drei!“, sagt sie.
Auch diese geringe Abweichung sei logisch: „Wir liegen hier in einer Fußgängerzone, in der viele ältere Leute unterwegs sind. Die haben sich meist nicht wegen eines Infektionsverdachts testen lassen, sondern weil sie irgendwohin wollten, wo sie für den Zutritt einen Test brauchten. Was sollen wir denn noch machen? Sollen wir auf ein paar Tests extra ein bisschen Virus streuen, damit wir genau im Durchschnitt liegen?“
Bis zum Freitag musste die Apotheke nun eine Stellungnahme einreichen, in der sie dem Inkassobüro all das erklärt. „Darin erkläre ich auch, dass wir hier nur mit professionellem Personal wie Krankenschwestern und Krankenpflegern arbeiten und die angehalten sind, vorher nach Symptomen zu fragen. Außerdem wird vor jedem Test die Temperatur gemessen.“ Die Apotheke habe nun den ganzen Aufwand, weil sie sich so vorbildlich an die Regeln gehalten habe. Und der Aufwand beschränkt sich nicht nur auf die Stellungnahme: In der Aufstellung muss sie darlegen, wann sie Tests welcher Marke verwendet hat, und die Einkaufsunterlagen beilegen.
„Wir wollen ja eigentlich weitermachen mit den Tests und wollten wegen der aktuellen Infektionslage eigentlich sogar aufstocken“, sagt sie. „Aber wenn wir so lange von der KV kein Geld dafür bekommen und dann noch solchen Ärger haben, müssen wir uns das nochmal reiflich überlegen.“ Die KV wiederum verteidigt das Verfahren – kündigt aber immerhin an, dass sie so nicht weiter vorgehen werde. „Aufgrund der noch im Sommer geltenden Annahme der Ungenauigkeit der Tests, war für die Prüfung der Monate August/September als Kriterium die Gesamtanzahl der Tests ins Verhältnis der positiven Tests gesetzt worden“, so ein Sprecher. „Dieses Kriterium ist nun aber wegfallen, seitdem klar ist, dass die Schnelltests sehr viel genauer sind. Das aber wusste man noch nicht zu dem Zeitpunkt.“
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