Zahlen und Pauschalen APOTHEKE ADHOC, 21.08.2012 15:26 Uhr
Knapp drei Viertel ihres Umsatzes macht die typische Apotheke mit den Krankenkassen. Aber entfallen deswegen auch drei Viertel des Rohertrags und drei Viertel der Kosten auf den Rx-Bereich? Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) kommt zu dem Schluss, dass von einem solchen Zusammenhang auszugehen ist. Obwohl es sich die Beamten und ihre Statistiker alles andere als einfach gemacht haben, geht die Rechnung nicht auf – nicht nur aus Sicht der ABDA.
Ein schlichtes Rechenbeispiel zeigt, dass die Pauschalierung auf Basis des Umsatzes auf wackeligen Füßen steht: Auf der Grundlage von Zahlen von Insight Health ergibt sich für 2011 ein durchschnittlicher Rx-Herstellerabgabepreis von knapp 30 Euro. Entsprechend erwirtschafteten die Apotheken einen Rohertrag von knapp 7 Euro je Packung.
Im OTC-Markt sind es etwas mehr als 2 Euro, wenn auf den durchschnittlichen Herstellerabgabepreis von 4,28 Euro 50 Prozent aufgeschlagen werden. Der Rx-Anteil am Rohertrag liegt damit nicht bei 75, sondern nur bei 70 Prozent. Der margenstarke Bereich der Freiwahlprodukte würde dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Auch die unterschiedliche Dynamik der Segmente zwischen 2004 und 2011 dürfte kaum ausreichen, um die Pauschalierung zu begründen.
Zumindest den Koalitionspartner scheint das BMWi aber mit der Methode überzeugt zu haben: Auf Nachfrage einer Apothekerin erklärte die CDU-Bundesgeschäftsstelle, für die Anpassung sei „allein die Entwicklung der Kosten und Roherträge bei rezeptpflichtigen Fertigarzneimitteln maßgebend“ gewesen. Von der Änderung sei die Vergütung bei OTC-Präparaten oder dem Freiwahlsortiment nicht berührt.
Bei der ABDA kann aber man nicht nur die Berechnung, sondern auch die Verrechnung der gestiegenen Kosten mit dem gestiegenen Rohertrag nicht verstehen. Vielleicht gelingt es den Apothekervertretern morgen doch noch, Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit ihrer Kritik zu überzeugen.
Dass das BMWi daneben liegen könnte, zeigt auch eine Umfrage von APOTHEKE ADHOC: 91 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass die Einbußen der Apotheken in den vergangenen Jahren größer waren als die von Philipp Röslers Ressort berechneten 11.500 Euro.
Jeweils 4 Prozent waren der Meinung, der Ausgleichsbetrag könnte hinkommen beziehungsweise so schlecht gehe es den Apothekern gar nicht. An der Umfrage hatten am 16. und 17. August 517 Leserinnen und Leser von APOTHEKE ADHOC teilgenommen.
Um die Aufwendungen der Apotheken dezidiert für den Rx-Bereich auszurechnen, hatte das BMWi die vom Statistischen Bundesamt (Destatis) für 2004 und 2011 gelieferten Gesamtkosten je zur Hälfte einem Umsatz- und einem Absatzanteil zugeordnet und mit einem bestimmten Faktor multipliziert. Dieses Vorgehen ist unter Marktforschern üblich; auf diese Weise sollen die nach Wert und Menge unterschiedlichen Rx-Anteile ausgeglichen werden.
Mit welchen Faktoren gerechnet wurde, steht im Verordnungsentwurf aber nicht. Vermutlich wurden bei den umsatzbezogenen Kosten knapp drei Viertel dem Rx-Bereich zugeordnet, bei den Kosten nach Absatz etwas mehr als ein Drittel. In der Summe entfielen 2004 rund 55 Prozent der Kosten von 260.000 Euro auf den Rx-Bereich, 2011 dürften es knapp 58 Prozent von 298.000 Euro gewesen sein.
Von den rund 38.000 Euro Differenz bei den Kosten von 2004 und 2011 entfallen laut BMWi 29.000 Euro auf den Rx-Bereich – entsprechend 75 Prozent. Weil mit der Verordnung nur eine verkürzte Rechnung mitgeliefert wurde, monieren einige der befragten Verbände und Landesministerien die fehlende Nachprüfbarkeit.
Bei der ABDA hat man mit der Berechnung soweit keine Probleme, zumal man in der Jägerstraße nach vergleichbarem Muster zu ähnlichen Ergebnissen gekommen ist. Doch das BMWi will den Apothekern nicht die gestiegenen Rx-Kosten ersetzen, sondern nur den Anteil, der nicht durch Neugeschäft kompensiert werden konnte.
Während die Beamten bei den Kosten jeden Stein umdrehten, wurden beim Rohertrag der Anstieg pauschal zu drei Vierteln dem Rx-Bereich zugeordnet. „Dies erscheint sachgerecht, da der Umsatz-Anteil der verschreibungspflichtigen Fertigarzneimittel am Gesamtumsatz der Apotheken im Jahre 2011 rund 74 % erreichte“, heißt es in der Begründung zum Verordnungsentwurf. Entsprechend wurde der Differenzbetrag mit dem Faktor 0,75 multipliziert.
Nach dem monatelangen Zahlenkrieg, in dessen Verlauf die Apotheker gelegentlich auch wegen vermeintlich schlechter Berechnungsgrundlagen bloßgestellt wurden, mutet dieses Vorgehen mehr als seltsam an. Beim BMWi wollte man auf Nachfrage nicht verraten, inwiefern die Pauschalierung beim Rohertrag durch Kalkulationen zu rechtfertigen ist.