Am Ende seiner 93 Punkte umfassenden Stellungnahme kommt Generalanwalt Yves Bot zu dem Schluss: „Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, für Recht zu erkennen, dass die Art. 43 EG und 48 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, nach der nur Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben dürfen, da eine solche Regelung durch das Ziel gerechtfertigt ist, eine ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen.“ Anders ausgedrückt: Das deutsche Fremdbesitzverbot ist zulässig.
Bei der Würdigung der Argumente konstatiert Bot, dass sich die Parteien in der Frage zum Fremdbesitzverbot „in zwei völlig entgegengesetzte Lager“ teilen, wobei die Mehrheit der Mitgliedstaaten, die sich im Verfahren geäußert hatten, gute Gründe für eine solche Regelung erkannten. Auf der anderen Seite wurden die EU-Kommission, DocMorris und das Saarland von Polen unterstützt. Die Niederlande waren in der mündlichen Verhandlung als Überraschungsjoker der Kettenbefürworter aufgetreten.
Der Generalanwalt erkannte zwar eine „Behinderung der Niederlassungsfreiheit“. Diese sei jedoch mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar, weil sie bestimmte Merkmale erfülle. Das deutsche Fremdbesitzverbot enthalte „keine diskrimierenden Maßnahmen“, da die Vorschrift für jeden gelte, der in Deutschland eine Apotheke betreiben wolle. Der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gehöre zweitens „zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses“, so Bot.
Die Kettenbefürworter hatten im Verfahren das Argument vorgebracht, dass es allein auf die Qualifikation des Apothekers ankomme, nicht auf die Besitzverhältnisse der Apotheke. Bot argumentierte: „Hierbei bin ich nicht von dem Argument überzeugt, dass bei der pharmazeutischen Tätigkeit zwischen den internen Aspekten (Eigentum, Führung und Leitung der Apotheke) und den externen Aspekten (Beziehungen zu Dritten) zu unterscheiden sei. Wer als Eigentümer und Arbeitgeber eine Apotheke besitzt, beeinflusst meines Erachtens nämlich zwangsläufig die Arzneimittelabgabepolitik in dieser Apotheke.“
Eine Unterscheidung zwischen internen und externen Aspekten der pharmazeutischen Tätigkeit sei somit gekünstelt. Zwangsläufig kontrolliere und bestimme der Betreiber die Geschäftspolitik der Apotheke. „So erscheint es kaum vorstellbar, dass ein berufsfremder Apothekenbetreiber nicht in die Beziehungen zwischen Apotheker und Kunden eingreift, und sei es auch mittelbar, indem er das Arzneimittellager der Apotheke verwaltet“, so Bot.
Mit dem Fremdbesitzverbot will der deutsche Gesetzgeber laut Bot aber gerade die Unabhängigkeit der Apotheker gewährleisten. Dazu gehöre auch die Unabhängigkeit von Pharamherstellern oder Großhändlern, um der Gefahr von Interessenskonflikten bei einer Vertikalisierung des Pharmasektors vorzubeugen - inklusive der Risiken eines übermäßigen Arzneimittelkonsums und einer beschränkten Auswahl von Medikamenten. Der Patient müsse „volles Vertrauen in den vom Apotheker erteilten Rat setzen können“, forderte Bot.
Der Generalanwalt verwies auf die einschlägigen EU-Richtlinien, wonach die geografische Verteilung der Apotheken und das Abgabemonopol für Arzneimittel weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen. „Meines Erachtens hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Regelung, dass nur ein Apotheker eine Apotheke besitzen und betreiben darf, nicht die Grenzen ihres Beurteilungsspielraums im Bereich des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung überschritten, so dass diese Regelung nicht über das hinausgeht, was zur Sicherstellung eines hohen Niveaus für den Gesundheitsschutz erforderlich ist“, so Bot.
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