Frank Dastych, Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KV), hat im Deutschlandfunk erneut gegen pharmazeutische Dienstleistungen gewettert: Apotheker wüssten wohl gut Bescheid über die chemische Zusammensetzung von Medikamenten – nicht aber über Krankheiten. Der Beitrag legt mit unterschiedlichen Meinungsbeiträgen offen, warum die Stimmung zwischen den Heilberuflern so aufgeheizt ist: Es geht um die Grundsatzfrage, ob der Arzt auch in Zukunft alles alleine entscheiden kann.
„Wenn man aber keine Ahnung von den Erkrankungen der Patienten hat, dann kann man die Arzneimitteltherapie schon mal gar nicht beurteilen“, so Dastych mit einem schrägen Vergleich: „Wenn ich noch niemals in meinem Leben einen Automotor auseinandergebaut habe, dann kann ich auch nicht wissen, ob die Werkzeuge, die hier auf dem Tisch liegen, dafür die geeigneten sind.“
Er findet das Pharmaziestudium unzureichend für die neuen Aufgaben: „Schauen Sie doch mal in das Curriculum rein, was ein angehender Pharmazeut an der Uni so lernt. Da frage ich mich allen Ernstes: Würden Sie sich von so jemandem ein hochwirksames, unter Umständen auch nebenwirkungsreiches Arzneimittel verordnen lassen? Würden sie das nehmen? Also ich kenne keinen Menschen, der halbwegs bei Verstand ist, der das machen würde.“
Insbesondere die Beratung von Krebspatienten in der Apotheke stößt ihm sauer auf: So sei es Standard, Krebskranke nicht in normalen Praxen, sondern möglichst in spezialisierten Tumorzentren zu behandeln. „Also Patienten, die wir Ärzte, niedergelassenen Ärzte, selber in Zentren schicken, weil das in Expertenhand gehört, gehen dann mit ihrem Rezept in die Apotheke. Und der Apotheker, der mal so zehn Semester Pharmazie studiert hat, und einen Acht-Stunden-Kurs – und das ist ganz wichtig: online – bei der Apothekerkammer absolviert hat, der schaut sich dann die Medikamente dieses Patienten an... Das ist der entscheidende Knackpunkt für uns: Das hat mit Qualität überhaupt nichts zu tun.“
Die KV sei wegen der pharmazeutischen Dienstleistungen vor Gericht gezogen, heißt es im Beitrag. Eine Entscheidung stehe noch aus. Parallel wurden die Mitglieder aufgefordert, falsche oder zweifelhafte Ratschläge der Apotheken an ihre Patient:innen zu melden.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, wettert im Beitrag gegen Impfungen in Apotheken: „Wir sehen die Gefahr, dass heilkundliche Tätigkeiten von Menschen ausgeübt werden, die dafür nicht ausgebildet sind. Wir halten es auch für völlig überflüssig, in deutschen Apotheken zu impfen. Denn das Netz von Vertragsarztpraxen in Deutschland ist dicht genug – es gibt ja viel mehr Vertragsarztsitze als Apothekensitze. Völlige Absurdität: Warum soll in Apotheken geimpft werden? Mit welchem Vorteil?“
Während Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening im Beitrag mehr Sachlichkeit fordert und auch Apotheker Maximilian Lernbecher aus Dachau zu Wort kommt, wundert sich der Gesundheitsökonom Professor Dr. Wolfgang Greiner vom Sachverständigenrat der Bundesregierung über die aufgehitzte Debatte: „Speziell jetzt bei dieser Apotheker-Frage, das ist schon sehr heftig.“ Grundsätzlich sei das Gesundheitssystem in Deutschland sehr arztzentriert. Das sei in anderen Ländern anders, wo mehr Tätigkeiten von nichtärztlichen Berufsgruppen durchgeführt werden könnten . „Auch die Position des Apothekers ist in anderen Ländern eine andere. Es gibt dort mehr Tätigkeiten, die ihnen zufallen, etwa das Impfen. Und die Erfahrungen sind eigentlich nicht schlecht.“
So seien die Impfquoten tendenziell in Ländern höher, in denen Impfungen auch in Apotheken möglich sind. Der Wirtschaftswissenschaftler hält es aber nicht nur aus medizinischen, sondern auch aus rein praktischen Gründen für sinnvoll, wenn mehr Aufgaben in der Gesundheitsversorgung von Berufsgruppen aus dem medizinischen Bereich übernommen werden, die kein Medizinstudium haben. „Die Vorteile, auch gesundheitsökonomisch, sind vor allem darin zu sehen, dass wir natürlich Ressourcen, die da sind, auch von sehr qualifiziertem Personal sehr breit nutzen können.“
Auch Carola Sraier von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen findet die Apotheken als zusätzliche Anlaufstellen sinnvoll. HNO-Arzt Bernhard Junge-Hülsing aus Starnberg hält dagegen: Apotheker seien Kaufleute und geben nach seiner Erfahrung allzu oft falsche Ratschläge, über die er sich ärgere, wenn die verunsicherten Patient:innen dann zu ihm in die Praxis kämen.
Aus seiner Sicht geht aber die gesamte Entwicklung in eine falsche Richtung: Die Politik versuche, einen drohenden Mangel an Ärzten auszugleichen, indem sie deren Aufgaben an andere Berufsgruppen verteile. Ärztinnen und Ärzte müssten aber die zentrale Rolle spielen, alles andere konterkariere die Qualität der Versorgung: „Wenn es der gesellschaftliche Wunsch ist, die Qualität nach unten zu schrauben, dann muss die Ärzteschaft das vielleicht irgendwann akzeptieren. Aber man muss zumindest darauf hinweisen, dass das ganz, ganz, ganz großer Mist ist.“
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