Dass die Ärzteschaft die aktuelle gesundheitspolitische Lage etwas weniger diplomatisch kommentiert als andere Berufsvertretungen, ist nichts Neues. Doch die Schärfe, mit der die ärztlichen Lobbyorganisationen jetzt die Apotheken angreifen, geht über das normale Maß an PR-Gerangel hinaus. Offenbar machen die pharmazeutischen Dienstleistungen die medizinischen Kolleg:innen mächtig nervös. Zeit für Gespräche, kommentiert Alexander Müller.
Die Kritik der Landesärztekammern und Kassenärztlichen Vereinigungen entzündet sich an mehreren Stellen und lässt sich grob auf diese Kernpunkte reduzieren
Punkt 1 lässt sich relativ schnell abräumen. Das Honorar ist jährlich bei 150 Millionen Euro gedeckelt, die PharmDL werden bei der Abrechnung sogar priorisiert gekürzt – was übrigens als Vergütungsmodell für die Apotheken tatsächlich eine große Neuerung darstellt. Gemessen an anderen Honoraren ist das verschwindend wenig. Selbst wenn die Apotheken den Ärzt:innen diesen Betrag „wegnehmen“, wären das etwa 2300 Euro pro Praxis im Jahr. Was das Spargesetz betrifft: Den Apotheken droht ebenfalls eine Kürzung. Eine Erhöhung des Kassenabschlags steht im Raum, selbst eine – eigentlich zu begrüßende – Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel würde die Apotheken wegen der Verrechnung des Zwangsrabatts 16 Cent pro Rx-Packung kosten. Hier ist also Missgunst unangebracht.
Der zweite Punkt ist der zentrale. Die Ärzteschaft verspürt eine große und weiter wachsende Verlustangst: Beim Ausstellen der Impfzertifikate fühlten sie sich von den agileren Apotheken überrumpelt. Dann kamen die Corona-Impfungen in der Apotheke, Grippe-Impfungen wurden zwischenzeitlich sogar zur Regelversorgung erklärt. Und jetzt noch die pharmazeutischen Dienstleistungen. Diese Ängste mögen irrational sein, weil den Praxen nichts weggenommen werden kann, das sie heute gar nicht leisten (können) – siehe Impfquote. Aber auch irrationale Ängste fühlen sich für den Betroffenen echt an, auch ihnen muss irgendwie begegnet werden, am besten im Dialog.
Den vermissen offenbar auch die Ärzte: Ein Sprecher der KV Hessen gab gegenüber APOTHEKE ADHOC zu: „Was uns so sehr ärgert, ist, dass einer der Player (die Apotheker) einen bisher gemeinsamen Weg, den es im Gesundheitswesen von Ärzten und Apothekern unbedingt braucht, aufgekündigt haben. Es gab laut Herrn Dr. Starke [KV-Vize Dr. Eckhard Starke, Anm. d. Red.] keinen Versuch, eine gemeinsame Lösung zu finden, sondern den einseitigen Versuch der einen Seite (Apotheker) sich Leistungen und Honorar der anderen Seite (Ärzte) zu sichern. Das kommt nicht gut an und ist wahrscheinlich auch nachvollziehbar.“
Es geht den Ärzten – zumal den Standesvertretern – auch und vor allem ums Prinzip. Was nur ein bisschen wie Anamnese, Diagnose oder gar Behandlung aussieht, hat aus ihrer Sicht in der Offizin nichts zu suchen. Das verkennt die Versorgungswirklichkeit, in der Apotheken Aufgaben wie Medikationsmanagement und Blutdruckmessen längst (nur bislang eben kostenlos) übernehmen und die irgendwie immer Teil der ärztlichen Versorgung sind. Damit ist gleichzeitig der dritte Kritikpunkt – der zur Qualifikation – obsolet. Was auf lokaler Ebene oft erstaunlich gut funktioniert, sollte schleunigst im berufspolitischen Kosmos ankommen: Ein konstruktiver Austausch über die gemeinsame Versorgung der Patient:innen. Wo hört die Praxis auf, wo fängt die Apotheke an?
Der vierte Angriffspunkt, die Höhe der Vergütung, greift ohnehin ins Leere, weil sich der tatsächliche Zeitaufwand noch gar nicht bestimmen lässt. Nicht unwahrscheinlich, dass der einmal medikationsanalysierte Patient einen neuen Anspruch auf diese Form der Intensivbetreuung vermutet und nun bei jedem Besuch das ganz ausführliche Gespräch sucht. Einige Apotheken haben nach einem Blick in den Schiedsspruch schon jetzt emotional abgeschlossen mit den PharmDL. Und was die ärztliche Honorierung im Verhältnis zum jeweiligen Aufwand betrifft, gibt die Gebührenordnung ebenfalls mehr und weniger lukrative Abrechnungsziffern her. Die Heilberufler sollten hier in keinen zu kleinteiligen Vergleich treten, sie sollten sich definitiv nicht von den Krankenkassen oder der Politik ausspielen lassen.
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