Im Skandal um illegalen Medikamentenhandel muss Landesgesundheitsministerin Diana Golze (Linke) im Brandenburger Kabinett Stellung nehmen. „Das oberste Ziel ist es, das Vertrauen in die staatliche Medikamentenaufsicht wieder herzustellen“, sagte Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) und bestellte Golze zum Rapport. „Ich gehe davon aus, dass Frau Golze mit Nachdruck daran arbeitet, alle noch offenen Fragen zu beantworten“, betonte Woidke.
Dass Woidke noch offene Fragen sieht, ist ein Hinweis darauf, dass er mit der Arbeit von Golze nicht zufrieden ist. Golze hatte im Gesundheitsausschuss des Landtags ausführlich zu den Vorgängen Stellung genommen und ein Versagen der behördlichen Aufsicht eingeräumt. Das reicht dem Regierungschef offenbar nicht aus. Kriminelle Machenschaften seien nicht verhindert worden, sagte die Ministerin im Ausschuss. Zudem sei ihr Haus lange Zeit gar nicht oder sogar falsch informiert worden. Sie wolle das Ministerium „auf den Kopf“ stellen, kündigte Golze an.
Nach Insiderinformationen wurde die politische Aufsicht über den Arzneimittelbereich in Brandenburg allerdings jahrelang nur nachrangig behandelt. Hinweise auf Personalprobleme wurden ignoriert. Derzeit fehlen mehrere GMP-Inspektoren. Aktuell gibt es nur einen einsatzbereiten GMP-Inspektor für 68 zu überwachende Betriebe.
Woidke betonte, dass es sich in erster Linie um kriminelle Vorgänge handele. Möglicherweise sei gar organisierte Kriminalität im Spiel. Davon war bislang nicht die Rede. „Wenn Medikamente aus Krankenhäusern geklaut werden, dann ist das kriminell“, betonte Woidke. „Und wenn diese dann europaweit verkauft werden, kann man davon ausgehen, dass dies organisiert geschieht.“
Lunapharm soll in Griechenland gestohlene und womöglich unsachgemäß gelagerte Krebsmedikamente an Apotheken in mehrere Bundesländer geliefert haben. Schon 2016 gab es darauf erste Hinweise, doch erst vor zwei Wochen wurde der Firma die Betriebserlaubnis entzogen. Zunächst hatte das Gesundheitsministerium von Golze eine Gefährdung für Patienten ausgeschlossen.
Inzwischen ist aber unklar für die betroffenen Patienten, ob die Medikamente wegen unsachgemäßer Lagerung möglicherweise unwirksam waren. Dazu müssten die von der Ministerin angeordneten Untersuchungen von sogenannten Rückstellproben abgewartet werden, meinte Woidke. „Die Laboruntersuchungen laufen, aber die brauchen eine gewisse Zeit.“ Da jedoch keine Medikamente aus dem Rückruf vorliegen, kann womöglich nie geklärt werden, ob die Medikamente wirksam waren. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt gegen Verantwortliche des Pharmaunternehmens. Zudem prüft die Staatsanwaltschaft Neuruppin Verfahren gegen zwei Mitarbeiter in der Arzneimittelaufsicht.
Der Fall Lunapharm spielt in den in Brandenburg heraufziehenden Landtagswahlkampf. Die rot-rote Koalition mit Ministerpräsident Woidke stellt sich 2019 zur Wiederwahl. Gesundheitsministerin Golze hat dem Vernehmen nach Ambitionen auf die Spitzenkandidatur des kleineren Koalitionspartners Die Linke. Die Lunapharm-Affäre könnte ihr dabei schwer schaden. In aktuellen Umfragen verliert die SPD deutlich mit 23 Prozent nach knapp 32 Prozent bei der letzten Landtagswahl. Die Linke kommt aktuell auf 17 Prozent nach 18,6 Prozent. Die CDU liegt unverändert bei 23 Prozent. Nach 12,2 Prozent bei den letzten Landtagswahlen kommt die AfD auf 22 Prozent. Die Grünen stagnieren bei 7 Prozent.
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