Apothekenhonorar

Wirtschaftsausschuss befragt 2hm-Gutachterin Lothar Klein, 07.12.2018 10:46 Uhr

Berlin - 

Ein Jahr nach der Veröffentlichung des 2hm-Gutachtens zum Apothekenhonorar befasst sich jetzt erstmals der Bundestag mit dem umstrittenen Werk. Auf Druck der Fraktion der Grünen stellt sich Gutachterin Iris an der Heiden am kommenden Mittwoch eine Stunde lang den Fragen der Abgeordneten. Die Sitzung ist nicht öffentlich. Das Gutachten kam zu dem Schluss, dass das Apothekenhonorar um über eine Milliarde Euro gekürzt werden könnte.

Der Ausschuss-Termin geht zurück auf die Initiative der Grünen. Eigentlich wollten die Grünen das Honorargutachten im Gesundheitsausschuss diskutieren. Dort hatten die Obleute den Grünen allerdings eine Abfuhr erteilt. Kordula Schulz-Asche, Gesundheitspolitikerin der Grünen, kommentierte das so: „Es ist schon reichlich absurd, dass das Gutachten zu Apotheken und Arzneimittelversorgung im Gesundheitsausschuss nicht behandelt werden soll. Es wird absurder dadurch, dass wir nun im Dezember in den benachbarten Wirtschaftsausschuss wandern, um dort dann doch darüber zu sprechen“, so die Politikerin weiter.

Natürlich sei das Gutachten vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben, jedoch hätten Apotheker seit dem EuGH-Urteil zum Arzneimittelversandhandel besonders gerne und auch zu Recht ihre Bedeutung als Heilberufler in der Gesundheitsversorgung herausgestellt. „Genau wie bei der ärztlichen und pflegerischen Versorgung brauchen wir auch ein flächendeckendes Apothekennetz. Und natürlich müssen auch wir Gesundheitspolitikerinnen und -politiker uns mit dieser Aufgabe beschäftigen“, so Schulz-Asche.

Die Blockadehaltung der Union gegenüber echten Reformen und das starre Festhalten am Versandhandelsverbot habe dazu geführt, dass seit dem EuGH-Urteil im Oktober 2016 fast zwei Jahre gesetzgeberisch gar nichts passiert sei. Dabei sei die durch das Urteil entstandene Situation „die denkbar schlechteste für alle beteiligten – mit Ausnahme der ausländischen Versandapotheken“.

Selbst wenn man einzelne Schlussfolgerungen des Gutachtens nicht teile oder Berechnungswege hinterfrage: Das Gutachten liefere erstmals seit 2003 wieder Primärdaten zu den erbrachten Leistungen der Apotheken sowie Informationen zur flächendeckenden Versorgung, zur Entwicklung von Beschäftigtenzahlen und Betriebsstätten. „Sich mit den knapp 400 Seiten zu befassen, ist also sicher keine vertane Zeit“, begründet die Grünen-Politikerin.

Die ABDA hat seit der Veröffentlichung jede inhaltliche Diskussion über 2hm-Gutachten abgelehnt: „Eine Diskussion über Teilaspekte des Gutachtens fände in der für uns – wie dargelegt – völlig inakzeptablen Logik des Gutachtens statt. Deshalb muss es Ziel sein, die Diskussion über dieses Gutachten nicht zu fördern, sondern diese zu beenden“, so ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in einem Schreiben an die Mitgliedsorganisationen Anfang des Jahres.

Der ABDA-Präsident begründete das offiziell verhängte Verbot der Stellungnahme so: „Wir wollen erreichen, dass die politische Diskussion über die angemessene Honorierung mit den richtigen politischen Prämissen und innerhalb der richtigen Leitplanken geführt wird.“ Das Gutachten sei für eine solche Diskussion „keine geeignete Grundlage“. Eine „vertiefte“ Diskussion „in der Gedankenwelt des Gutachtens“ wäre für die Apothekerschaft schädlich, warnt die ABDA. Auch Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hatte das Gutachten zu den Akten gelegt.

Allerdings spielte das 2hm-Gutachten auf dem Deutschen Apothekertag in München eine Rolle: Die Apothekerkammer Saarland hatte ein Gegengutachten von der ABDA einfordert. Kammerpräsident Manfred Saar kritisierte, die „Strategie des Todschweigens hat nicht funktioniert“. Das habe man zwei Tage zuvor bei der Spahns Rede erlebt. Spahn hatte mit Blick auf die anstehende Entscheidung zum Rx-Versandhandelsverbot gesagt, das man müsse auch über das 2hm-Gutachten reden. „Es liegt nun einmal auf dem Tisch.“ Das wurde von den delegierten als Drohung verstanden. Auch die Kammer Saarland erhalte immer wieder Anfragen dazu: „Wenn wir nicht mitreden, wird über uns geredet“, so Saar und forderte von der ABDA eine „einheitliche Argumentationshilfe“.

ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf schilderte beim DAT ausführlich ihre Sicht des 2hm-Dilemmas: Vom Bundeswirtschaftsministerium seien die von der ABDA vorgelegten Zahlen der Treuhand Hannover stets als „nicht hinreichend repräsentativ“ zurückgewiesen und deshalb das Gutachten beauftrag worden. Im Beirat des 2hm-Gutachten hätten Apotheker und Großhandel dann „auf der Anklagebank“ gesessen. „Wir mussten uns viel Böses anhören.“ Nach dem Bekanntwerden im November 2017 habe man für den damaligen Bundesgesundheitsminister Gröhe (CDU) noch vor Weinachten eine erste Bewertung geschrieben. Darauf habe Gröhe angekündigt, es „in die unterste Schublade zu legen“. Im Januar 2018 habe der ABDA-Abteilungsleiter Dr. Eckart Bauer eine Präsentation erarbeitet, die man dem Sachverständigenrat, der Monopolkommission und der Bundesregierung vorgetragen habe, so Korf. Allerdings wurde eine Auseinandersetzung mit den Zahlen und Argumenten des Honorargutachtens von der ABDA stets abgelehnt. In der Sitzung des Wirtschaftsausschusses ist die ABDA nicht vertreten.

Kurz vor Weihnachten 2017 hatte das BMWi das Honorargutachten veröffentlicht. Die Experten der beauftragten Unternehmensberatung 2hm widmen sich darin der Ausgestaltung der Handelsspannen von Apotheken und Großhandel. Zuvor waren bereits unautorisierte Versionen bekannt geworden. Das Gutachten trägt den Titel „Ermittlung der Erforderlichkeit und des Ausmaßes von Änderungen der in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) geregelten Preise“. Die prozentuale Spanne für die Apotheken soll auf 5 Prozent erhöht werden. Derzeit liegt sie bei 3 Prozent. Der Fixzuschlag soll dagegen reduziert werden: von 8,35 Euro auf 5,84 Euro. Der Notdienstzuschlag soll von 16 auf 33 Cent verdoppelt werden. Die Notdienstgebühr soll unverändert bei 2,50 Euro bleiben. Bei Rezepturen sollen Apotheken statt 90 Prozent nur noch 5 Prozent auf die Stoffe aufschlagen dürfen. Dafür soll der Arbeitspreis von derzeit mindestens 3,50 Euro deutlich steigen, auf 31 bis 61 Euro. Auch der Fixzuschlag sowie der Notdienstzuschlag sollen bei Rezepturen abgerechnet werden können. 1,24 Milliarden Euro wollen die Gutachter durch die Umstellung abschöpfen.