Heilberufler gegen Gesundheitsminister

„Wir werden Karl Lauterbach enttarnen“

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Berlin -

Zwischen Gesundheitsminister Karl Lauterbach und den Heilberuflern läuft es auf eine offene Konfrontation hinaus. Ärzte, Zahnärzte und Apotheker werfen dem SPD-Politiker vor, das Gesundheitswesen zerstören und durch Staatsmedizin ersetzen zu wollen. Daher fordern sie Kanzler Olaf Scholz in einem gemeinsamen Brief auf, dem Spuk seines Parteifreunds sofort ein Ende zu bereiten. Anderenfalls könnte es ungemütlich werden.

Das gab es noch nie: Gemeinsam treten Abda, Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) gegen einen amtierenden Gesundheitsminister an. Denn aus ihrer Sicht ruiniert Lauterbach das Gesundheitswesen gleich in doppelter Hinsicht: Einerseits geht er Probleme nicht an, für die er zu einem Großteil selbst mitverantwortlich ist. Andererseits zieht er immer neue Ideen aus dem Hut, die aus Sicht der Ärzte, Zahnärzte und Apotheker nur ein Ziel haben – das System der freien Heilberufe zu zerstören und durch Staatsmedizin zu ersetzen.

Nicht nur, dass die inhabergeführten Praxen und Apotheken die Versorgung auch in schwierigen Zeiten sicherten, wie Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening mit Blick auf die Pandemie oder auch die Lieferengpässe erklärte. Vielmehr sei die medizinische Infrastruktur auch eine Säule für die Gesellschaft: „Wir sind fest vor Ort verankert und immer erreichbar, wir weichen nicht aus, wenn es Probleme gibt. Auf uns können sich die Menschen verlassen, weil wir Verantwortung für sie übernehmen. Wir sind Garanten einer gerechten und gleichbleibenden Versorgung – und damit des sozialen Friedens in unserem Land.“

Heilberufe statt Staatsmedizin

Auch KBV-Chef Dr. Andreas Gassen warnt vor einem Systemumbruch: „Die Idee, dass in der Versorgung mit großen Einheiten eine Skalierung gelingt oder dass der Staat eine zusätzliche Stellschraube gewinnt, ist nicht nur absurd, sondern auch gesellschaftlich brandgefährlich.“ Allzu viele Dinge seien schon weggefallen, die früher für Zusammenhalt gesorgt hätten. „Wir können es uns nicht erlauben, dass die persönliche Interaktion und damit Verantwortung und Vertrauen auch noch hier verloren gehen.“

Laut KZBV-Chef Martin Hendges geht es den drei Heilberufen in ihren bereits begonnen Kampagnen darum, die Auswirkungen von Lauterbachs Politik transparent zu machen. „Wenn die Menschen wüssten, was hier passiert, würden sie selbst viel mehr Widerstand leisten.“ Overwiening pflichtet bei: „Wir werden Lauterbach enttarnen und der Bevölkerung erklären, was hier vonstatten geht.“

Mit einem gemeinsamen Schreiben wollen Abda, KBV und KZBV zunächst Scholz zu einer schnellen politischen Kurskorrektur auffordern. „Dieser Minister kann es nicht, daher muss der Bundeskanzler seine Richtlinienkompetenz nutzen“, so Gassen. Die aktuellen Umfragewerte für die Ampel-Parteien müssten eigentlich ein eindeutiges Signal sein: „Selbst wenn man immer noch beseelt sein sollte von seiner eigenen Großartigkeit, kann man doch nicht darüber hinwegsehen, dass gerade die SPD auf dem Weg zu einstelligen Zustimmungsquoten ist.“

Frust auch bei Krankenkasse

Den drei Standesvertretern ist durchaus bewusst, dass es derzeit andere große politische Themen gibt. Aber man werde nicht zulassen, dass Lauterbach still und heimlich das heilberufliche durch ein staatliches Gesundheitswesen ersetze. Denn letzteres wäre aus Sicht von Hendges nicht nur teurer, sondern auch schlechter. „Staatliche Versorgung bedeutet immer eine Mehrklassengesellschaft.“

Laut Gassen kann man in anderen Bereichen längst sehen, wohin staatlicher Einfluss führt: Bundeswehr und Bahn seien nur zwei Beispiele. „Das ist alles abgewrackt, und jetzt knöpft man sich das Gesundheitswesen vor, damit alles gleich schlecht ist.“ Selbst bei den Krankenkassen, mit denen es ja oft nicht leicht sei, herrsche mittlerweile „großer Frust“.

Dass die Regierung „völlig ahnungslos durch schwierige Zeit stolpert“, könne man nicht ändern, so Gassen. „Aber beim Thema Gesundheit können wir etwas beitragen.“ Lauterbach beteuere zwar bei jeder Gelegenheit, dass es mit ihm Kürzungen keine Leistungskürzungen gebe. „Aber das Gegenteil ist der Fall, er treibt sie aktiv voran.“

Overwiening zeigte am Beispiel von Lauterbachs Plänen für Light-Filialen auf, wie Lauterbach unter Deckmantel angeblicher Erleichterungen in Wirklichkeit die Zerstörung des Systems erreichen wolle. Wenn die aktuell 4800 Filialen nur noch zu Abgabestellen deklassiert würden, dann sei das eben keine Weiterentwicklung, sondern eine Aushöhlung und Abwertung. „Es gibt keine Notwendigkeit und es macht keinen Sinn. Es wäre also ganz leicht, eine Kurskorrektur vorzunehmen.“

Laut Gassen kommt erschwerend hinzu, dass Lauterbach schon für die allermeisten der bestehenden Missstände mit verantwortlich sei – aber nichts zu ihrer Lösung beitrage. Im Gegenteil: „Die gesamte freiberufliche Versorgung fährt vor die Wand“, so Gassen, das Ausmaß an Frust und Wut sei etwa in den Praxen groß wie nie: Während ältere Kolleginnen und Kollegen aufgrund der Umstände keine Lust mehr hätten, freiwillig über ihre Altersgrenze hinaus zu arbeiten, sehe der Nachwuchs die Niederlassung zunehmend als riskante berufliche Perspektive.

Heilberufe nicht mehr erwünscht?

„Die Konsequenz: Praxen werden nicht neu besetzt – und schließen für immer. Das wächst nicht wieder nach. Um es ganz klar zu sagen: Wir bekommen ein Versorgungsdefizit, wenn Lauterbachs Kioske nicht ‚rocken‘.“ Bislang hätten die Praxisteams alles mitgemacht und so manche Lücke überbrückt. „Aber wenn man ihnen das unmissverständliche Zeichen sendet, dass sie nicht mehr erwünscht sind, dann war es das. Ohne den Einsatz vor Ort wird man es nicht mehr hinbekommen mit der Versorgung.“

Für Gassen liegt auf der Hand, dass Lauterbach mit Vorsatz handelt: Er zeige ein hohes Misstrauen gegenüber dem System der freien und selbstständigen Heilberufe, „wenn dann auch jemand Geld verdient, ist es besonders schlimm“. Dabei gehe es auch gar nicht darum, mehr Geld ins System zu pumpen: „Viele Probleme ließen sich leicht lösen, ohne dass zusätzliche Mittel benötigt würden – Stichwort Regresse oder Digitalisierung.“

Verbände lehnen Treffen ab

Der Minister habe für das Gesundheitssystem aber eine andere Ausrichtung, die er durchziehen wolle. Dabei verweigere er jeglichen inhaltlich Diskurs. „Bei ihm finden allenfalls Pseudogespräche statt, in denen man zum Kronzeugen vermeintlicher Absprachen gemacht wird, die es gar nicht gibt. Das geht so weit, dass die ersten Verbände Treffen mit ihm bewusst ablehnen.“ Er habe schon viele Gesundheitsminister kennengelernt. „Aber so etwas habe ich noch nicht erlebt.“

Auch die Abgeordneten im Bundestag hätten eine Verantwortung, Lauterbachs Projekte zu stoppen, so die drei Partner. „Wir sind offen für konstruktive Vorschläge, aber wir werden nicht tatenlos zuschauen, wie das Gesundheitswesen zerstört wird. Wir werden deutlich machen, was hier passiert.

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