Die befürchtete Omikron-Wand ist da, auf den Intensivstationen wird es wieder enger. Doch manche reden bereits wieder über Lockerungen. Nun beraten die Ministerpräsidenten und Kanzler Scholz über die Lage: Ihr Kurs ist ziemlich klar.
Im Lichte weiter emporschnellender Corona-Infektionszahlen beraten die Spitzen von Bund und Ländern an diesem Montag über das weitere Vorgehen in der Pandemie. Dabei deutet sich bereits an, dass sie ihren bisherigen Kurs beibehalten wollen: Keine Verschärfungen der bisherigen Maßnahmen, aber vorerst auch keine Lockerungen. Änderungen dürfte es aber bei den inzwischen raren PCR-Tests geben, die nicht mehr für alle Verdachtsfälle, sondern nur noch für Risikogruppen sowie Krankenhaus- und Pflege-Beschäftigte vorgehalten werden sollen.
Die ansteckende Virusvariante Omikron lässt die Infektionszahlen derzeit rasant steigen. Das Robert Koch-Institut meldete am Montag 63.393 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Die Sieben-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner kletterte auf 840,3. Auch die Zahl der Corona-Intensivpatienten stieg am Sonntag erstmals seit Mitte Dezember wieder: um 28 auf 2426. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erwartet den Höhepunkt mit täglich mehreren Hunderttausend Neuinfizierten für Mitte Februar, wie er im ZDF („Berlin direkt“) bekräftigte.
Die wichtigsten Punkte, über die Kanzler Scholz und die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ab dem Mittag reden wollen: PCR-Tests, Quarantäne, Beibehaltung oder Verschärfung der Maßnahmen, Umsetzung und Impflicht.
Die steigende Zahl Infizierter lässt PCR-Tests knapp werden. Lauterbach hat daher mit Billigung seiner Länderkollegen vorgeschlagen, diese besonders genauen Labor-Tests nur noch eingeschränkt einzusetzen – und so werden es Bund und Länder voraussichtlich beschließen. PCR-Tests sollen auf Risikogruppen konzentriert werden und auf Beschäftigte, die diese betreuen und behandeln, heißt es in der Vorlage. Genannt werden ältere Menschen und andere Risikogruppen, Beschäftigte in Kliniken, Praxen, Pflegeheimen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung. Lauterbach soll „intensiv an einer Ausweitung der PCR-Testkapazitäten“ arbeiten.
In die PCR-Priorisierungsliste wollten auch Lehrerverbände ihren Berufsstand aufgenommen sehen. Dazu sagte aber Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Ich kann den Wunsch der Betroffenen verstehen, habe aber meine Zweifel.“ Er wies darauf hin, dass Schülerinnen und Schüler kein überdurchschnittliches Risiko schwerer Krankheitsverläufe haben.
Für die Allgemeinheit wurden sie bereits geändert. Nun werden auch die bisher noch strengeren Fristen für Klinik- und Pflegepersonal ebenfalls verkürzt: Infiziertes Personal kann sich laut dem Entwurf nach sieben Tagen mit einem zertifizierten Antigen-Schnelltest vorzeitig freitesten, wenn es seit 48 Stunden symptomfrei ist; ansonsten bleibt es bei zehn Tagen. Als Kontaktpersonen können sie ebenfalls nach sieben Tagen mit negativem Test die Quarantäne beenden. Haben sie als Kontaktpersonen eine Booster-Impfung oder sind sonst frisch geimpft oder frisch genesen, entfällt die Quarantäne.
Manche Politiker von FDP und CSU fordern bereits einen Plan für künftige Lockerungen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der „Welt“, er erwarte von der Runde eine kluge Strategie, um sich „Stück für Stück aus der Pandemie herauszubewegen“. Und: „Dabei gilt es, Ermüdungseffekte in der Gesellschaft zu erkennen und aufzunehmen.“ Der FDP-Landtagsfraktionschef von Nordrhein-Westfalen, Christof Rasche, verlangte dort Lockerungen bei Großveranstaltungen und dass die 2G-Regelung im Einzelhandel und 2G plus in Restaurants abgeschafft wird.
Bundesjustizminister Marco Buschmann aus dem gleichen FDP-Landesverband ist da etwas vorsichtiger: Wenn der Höhepunkt überschritten sei und die Zahlen auch in den Krankenhäusern zurückgingen, müssten die Maßnahmen gelockert werden, sagte er in der ARD („Anne Will“). „Das ist selbstverständlich.“ Der eher vorsichtige Gesundheitsminister Lauterbach sieht das ähnlich: „Wenn wir das hinter uns haben, dann kann es bei den Einschränkungen natürlich nicht bleiben. Und dann würde man Schritt für Schritt wieder Öffnungen machen. Das jetzt schon ins Auge zu fassen, ist richtig“, erklärte Lauterbach. Wüst wies darauf hin, dass das Prinzip der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich immer und bei allen Maßnahmen gelte.
In der Beschlussvorlage heißt es dazu: „Bund und Länder werden Öffnungsperspektiven entwickeln für den Moment, zu dem eine Überlastung des Gesundheitssystems ausgeschlossen werden kann.“ Näher ausgeführt wird das nicht. Allerdings ist die Vorlage lediglich eine Diskussionsgrundlage - bis zum Beschluss könnte sich einiges ändern.
Der Expertenrat der Bundesregierung hatte geraten, die bestehenden Maßnahmen beizubehalten, aber vorsorglich weitere Schritte vorzubereiten, falls kritische Marken etwa bei Klinikeinweisungen erreicht werden. In der der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Beschlussvorlage für die Beratungen (Stand Sonntag, 18.00 Uhr) ist von ersterem die Rede, von letzterem nicht: Man sei sich „einig, dass die bisher geltenden Regeln weiterhin Bestand haben“. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, der Nordrhein-Westfale Hendrik Wüst (CDU), sagte bei RTL und ntv: „Die Kernaussage ist jetzt: Keine Lockerungen!“ Auch Scholz hatte der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) bereits gesagt: „Wir brauchen keine Kurskorrektur.“ Das Problem ist allerdings, dass Gerichte in einigen Bundesländern bereits bestehende Vorgaben gekippt haben, so zuletzt die 2G-Regel im Einzelhandel im Saarland, in Bayern und in Niedersachsen, die nur doppelt Geimpften und Genesenen Zutritt gewährte.
Das ist unklar, Details dazu aus einer früheren Version der Vorlage wurden wieder gestrichen. Nach den Beratungen müssen jedenfalls zuerst die geltenden Testvorschriften überarbeitet und dann voraussichtlich noch in den Ländern umgesetzt werden.
Die geplante allgemeine Pflicht ist in der Beratungsvorlage nur am Rande Thema. Bund und Länder bekräftigen demnach deren Notwendigkeit. Die Gesundheitsminister hatten zudem gefordert, dass ungeimpften Klinik- oder Pflege-Beschäftigten, die ab März bereits der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterliegen, bevorzugt der neue Impfstoff Novavax angeboten werden soll. Er gilt als eine Art Totimpfstoff und könnte damit nicht den Vorbehalten mancher Impfskeptiker gegen die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna unterliegen. Im Beratungsentwurf wird aber nur darauf hingewiesen, dass er ab Ende Februar zur Verfügung steht.
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