Aussterbende Apothekenberufe

Wie kompensieren wir die Pharmazieingenieure? Lilith Teusch, 29.07.2024 15:03 Uhr

Durch den sukzessiven Wegfall der Altberufe fehlen Kompetenzen in der Apotheke. Das BMG plant offenbar, diese Lücke durch erfahrene PTA zu schließen. Foto: fotobi/stock.adobe.com
Berlin - 

Mit dem Eintritt der Pharmazieingenieure ins Rentenalter fällt sukzessive ein Apothekenberuf weg, der Aufgabenbereiche im Kompetenzbereich zwischen Apotheker:innen und PTA auffangen konnte. Wenn es nach Karl Lauterbachs (SPD) Apothekenreformgesetz (ApoRG) geht, sind es erfahrene PTA, die den Wegfall der Altberufe kompensieren sollen.

Der Rückgang der Pharmazieingenieure ist leicht zu erklären: Seit 1994 gibt es diesen Ausbildungsberuf aus der ehemaligen DDR nicht mehr. Gleiches gilt für Apothekerassistent:innen (Vorexaminierte): Seit der Umstellung der praktischen Ausbildung nach dem Pharmaziestudium auf Pharmaziepraktikanten werden sie nicht mehr ausgebildet.

Dementsprechend nimmt die Anzahl der Beschäftigten ab: Gab es im Jahr 2000 bundesweit noch rund 7810 Pharmazieingenieure und knapp 3300 Apothekerassistenten, waren es 2022 nur noch circa 3770 Pharmazieingenieure und 514 Apothekerassistenten. Der Anteil der aktiven Vorexaminierten ist aktuell nur noch sehr gering. Gerade einmal 2,3 Prozent machen sie unter den Berufen in den deutschen Apotheken vor Ort aus, Apothekerassistenten liegen noch bei rund 0,3 Prozent.

PTA auf dem Vormarsch

Dem Personalrückgang der Altberufe steht ein Zuwachs der PTA entgegen: Zwischen 2000 und 2020 hat sich ihre Zahl bundesweit fast verdoppelt – auf knapp 69.600 Beschäftigte. Als zahlenmäßig stärkste Berufsgruppe in der Apotheke machen sie mittlerweile einen Anteil von 41 Prozent aus. Aber: Nachdem die Zahl der PTA jahrelang angestiegen war, ist sie zuletzt erstmals zurückgegangen.

Noch können die PTA also – rein zahlenmäßig – die auslaufenden Altberufe ausgleichen. Bezüglich der Kompetenz und Befugnisse gibt es jedoch deutliche Unterschiede, wie beispielsweise die Übernahme von Notdiensten und die Vertretung der Apothekenleitung bis zu einem Monat durch Pharmazieingenieur:innen oder Apothekerassistent:innen.

Mit dem ApoRG soll in § 3 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) ein neuer Absatz 3a eingeführt werden, nach dem eine Apotheke geöffnet sein und betrieben werden darf, wenn eine PTA anwesend ist, für die keine Beaufsichtigungspflicht nach Absatz 5b besteht. Die/Der Apothekenleiter:in oder die vertretungsberechtigte Person müssen während der Dienstzeit nicht in der Apotheke sein, sondern können sich bei Erreichbarkeit gemäß § 23 Absatz 3 ApBetrO in unmittelbarer Nähe aufhalten.

Das heißt: Die Apothekenleitung bleibt laut Gesetzesentwurf verantwortlich und bestimmt, wann ein/e Apotheker:in per Telepharmazie von der PTA hinzugezogen werden muss. Zudem muss die Apothekenleitung sicherstellen, dass das Personal entsprechend für seine Aufgaben und Verantwortlichkeiten unterwiesen wird.

Was tut die Regierung?

Dass es auch Personalengpässe bei PTA gibt, sieht auch das BMG. Aber hier sei die Ausbildung skalierbarer als beim Pharmaziestudium, argumentierte Thomas Müller, Abteilungsleiter im BMG. Unklar ist aber, wie die Attraktivität der Ausbildung und damit die Zahl der PTA auf ein ausreichendes Maß gesteigert werden könnten. Eine Ausbildungsvergütung für PTA gibt es immer noch nicht.

Viele Schulen klagen, dass sie immer weniger Bewerbungen bekommen. Außerdem herrschen regionale Unterschiede: In Baden-Württemberg gibt es zurzeit 20 Schulen, in denen die Ausbildung zur PTA absolviert werden kann, in Hessen gerade einmal vier und in ganz Brandenburg nur eine einzige PTA-Schule. Das unterstreichen auch die Zahlen: Gab es laut Destatis 2005 noch rund 2890 PTA-Praktikanten in der Bundesrepublik, waren es zehn Jahre später nur noch knapp 2140. Seit 2015 schwanken die Zahlen zwischen 2090 und 2150 Praktikanten.

Viele Verbände und Kritiker:innen der Apotheke ohne Apotheker:in fordern wenigstens Weiterbildungsmöglichkeiten, aber wie diese aussehen könnten, geschweige denn finanziert werden sollen, bleibt unklar.

Erfahrene PTA oder neuer Beruf?

Während im Gesetzesentwurf eine drei- bis fünfjährige Berufstätigkeit, ein gültiges Fortbildungszertifikat der Kammer und eine einjährige Berufstätigkeit unter den Augen der Apothekenleitung ausreichen soll, um festzustellen, ob die oder der PTA als erfahren gelten kann, fordern die Apotheker:innen in Wissenschaft, Industrie und Verwaltung (WIV) ein berufsbegleitendes Aufbaustudium. Nur: Handelt es sich dann überhaupt noch um PTA, oder wäre das der erste Schritt hin zu einem neuen Berufsbild?