Die SPD kuscht, die Grünen ducken sich weg, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat in den eigenen Reihen leichtes Spiel. Nur der FDP ist es zu verdanken, dass die umstrittene Apothekenreform bislang nicht durchs Kabinett gekommen ist. Das Veto kommt von ganz oben – und ist wohl vor allem dem engagierten Einsatz eines Apothekers aus Nordrhein-Westfalen zu verdanken.
Dr. Klaus Fehske ist seit seiner Schulzeit in der FDP und damit seit fast 60 Jahren. Er hat alle Höhen und Tiefen miterlebt – auch das erstmalige Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 und die darauf folgende Identitätskrise der Partei. Ein Mitläufer war der langjährige Inhaber der Rathaus-Apotheke in Hagen nie, er sprach stets auch die Dinge an, die aus seiner Sicht bei den Liberalen falsch liefen.
Die gezielte Abkehr von den Apothekerinnen und Apothekern war so ein Thema. Nach der Affäre um die reduzierte Mehrwertsteuer für Hoteliers versuchte man mit allen Mitteln, den Ruf als Klientelpartei loszuwerden. Im Programm zur Bundestagswahl wurde gar die Abschaffung des Fremdbesitzverbots gefordert. Kein „Naturschutz“ für Apotheken, lautete ein Schlachtruf, mit dem Parteichef Christian Lindner und seine Vize Marie-Agnes Strack-Zimmermann damals hausieren gingen.
Fehske fand die Abkehr von der früheren Kernwählerschaft fatal – zeitweise hätten zwei Drittel aller Apothekerinnen und Apotheker den Liberalen ihre Stimme gegeben. Die Eigenorientierung der FDP sei wenig hilfreich und nicht überzeugend für die Wählerinnen und Wähler, so seine Meinung damals. Er suchte das Gespräch mit der Parteispitze, und tatsächlich antwortete Lindner auf seine Mail. Es war der Beginn eines regelmäßigen, sehr offenen und konstruktiven Austauschs: „Wir schreiben alle sechs bis acht Wochen, innerhalb eines halben Tages ist immer eine Antwort da“, sagt Fehske.
Oft geht es um grundsätzliche Fragen, zur Ausrichtung der Partei oder zur Ansprache der Wählerinnen und Wähler beispielsweise. Fehske ist es wohl mitzuverdanken, dass die FDP-Spitze sich wieder daran erinnert hat, wie wichtig die Freien Berufe als Säule gesellschaftlicher Verantwortung und damit auch der liberalen Politik sind.
Ende vergangenen Jahres schrieb Fehske wieder an Lindner. Damals waren gerade die Eckpunkte zur Apothekenreform bekannt geworden, und der Apotheker bat den Politiker inständig darum, sich innerhalb der Ampel mit allen Kräften gegen das Vorhaben stark zu machen. Denn während die geplanten Light-Apotheken ein offener Angriff auf den Freien Heilberuf des Apothekers seien, löse die Umverteilung des Honorars die finanziellen Probleme der Apotheken nicht. Kurze Zeit später kam die Notfallreform auf die Agenda, in der Fehske den Versuch eines Einstiegs in die Selbstdispensation sieht.
Parallel formierte sich bei der FDP in den Ländern der Widerstand. Der Thüringer Landtagsabgeordnete Robert-Martin Montag brachte nach zahlreichen Treffen mit Apothekerinnen und Apotheken ein Positionspapier zu Papier, das er im April zu einem Treffen der gesundheitspolitischen Sprecher am Rande des Bundesparteitags mitbrachte. Schnell gab es öffentliche Unterstützung für seine Vorschläge, aus Baden-Württemberg und Hessen etwa.
Doch ein Bekenntnis auf Bundesebene blieb aus – sehr zum Ärger der Liberalen in den Ländern, die darauf hinwiesen, dass ihr Konzept sogar einen Finanzierungsvorschlag enthielt. Bis in den Sommer hinein äußerten sich die für Gesundheit beziehungsweise Apotheken zuständigen Abgeordneten Professor Dr. Andrew Ullmann und Kristine Lütke zwar kritisch zur geplanten Reform, blieben aber ohne feste Zusage.
Dann die große Überraschung: Am 17. Juli konnte Lauterbach das ApoRG überraschend nicht ins Kabinett einbringen – das BMG schob zunächst den Urlaub von Justizminister Marco Buschmann (FDP) vor, wodurch die Rechtsförmlichkeitsprüfung nicht rechtzeitig habe abgeschlossen werden können. In ungewohnter Deutlichkeit wies das Justizministerium (BMJ) diese Behauptung umgehend zurück: Es gehe um eine umfassende rechtliche Prüfung, bei der der Urlaub des Ministers keine Rolle spiele.
Nun ging es Schlag auf Schlag, kurz darauf wurde klar, dass sich die FDP gegen das Vorhaben positioniert hatte. Bei einem Wahlkampftermin in Sachsen stellte Lindner klar: „Fakt ist, dass für uns keine Apotheken ohne Apotheker in Betracht kommen.“ Wie belastbar eine solche Aussage denn sei? „Ich kann mich ja nicht selbst interpretieren. Das ist Ihr Job.“ Augenzwinkern.
Wie zur Bestätigung stellte sich nur eine Woche ein zweites FDP-geführtes Ressort quer: Das Bundesforschungsministerium (BMBF) unter der Führung von Bettina Stark-Watzinger legte einen Leitungsvorbehalt ein, weil insbesondere die Regelungen zu Filialapotheken und Apotheken ohne Präsenzapotheker kritisch gesehen wurden.
Und dann trauten sich die Liberalen komplett aus der Deckung: Die Apothekenreform mit der Apotheke light werde mit der FDP nicht durch das Kabinett kommen, stellte Lütke bei der VISION.A Zukunftskonferenz klar klar. Und auch Fraktionschef Christian Dürr sicherte beim Apothekenbesuch der Branche seine Unterstützung zu.
Selbst Lauterbach hat mittlerweile erkannt, dass er die Apothekenreform nicht wie erhofft geräuschlos durchs Kabinett bekommen wird. Mal bat er um Unterstützung, mal drohte er damit, dass es dann auch keine Honorarreform geben wird: Erst wenn die Reform tatsächlich auseinander fiele, „weil wir uns zum Beispiel mit der FDP nicht einigen könnten oder aus anderen Gründen, wir haben ja viele andere Gesetze, die wir machen“, müsse man noch einmal über alles nachdenken.
Und was sagt Fehske zu dem Erfolg, der wohl wesentlich auf sein Engagement zurückzuführen ist? Er hat lange überlegt, ob er überhaupt darüber sprechen soll. Schließlich will er weder sich selbst allzu sehr in den Vordergrund drängeln, noch will er seine Partei in Erklärungsnot bringen. „Ein klein wenig nehme ich in Anspruch, dass mein guter Austausch mit Lindner dafür gesorgt hat, dass die Apothekenreform nicht als irgendeine beiläufige Angelegenheit durchgewunken wurde.“
Und dann zeigt er stolz noch die schriftliche Zusicherung: „In der Gesundheitspolitik machen wir bestimmt nichts von Herrn Lauterbach mit, was die Freiberuflichkeit und gewachsene Strukturen gefährdet“, hat Lindner ihm geschrieben und gestattet, dass er diese Aussage auch öffentlich nutzen darf.
Fehske ist wichtig, dass der Einsatz der FDP auch angemessen gewürdigt wird – nicht als Klientelpolitik, sondern als klares Bekenntnis zum Mittelstand und zu den Freien Berufen: „Ohne die FDP wäre Lauterbach seinem eigentlichen Ziel, die Freiberuflichkeit vor die Wand zu fahren, einen Schritt weiter gekommen.“
Der Apotheker sieht in der Notfallreform schon den nächsten Angriff. Hier versuche Lauterbach, die Tür zur Selbstdispensation zu öffnen: „Erst war es Paxlovid, jetzt sind es die Notfallzentren. Hinterher kann er immer sagen, die Apotheken hätten ja keine Verträge geschlossen – und deswegen sei es richtig gewesen, die Abgabe durch Ärzte zu erlauben. Dass das Konzept überhaupt keinen Sinn macht, spielt dann auch keine Rolle mehr. Und dann dient das Modell als Blaupause für ländliche Regionen ohne Apotheke.“
Fehske ist also überzeugt, dass die Stimme der Liberalen gebraucht wird, auch über diese Legislaturperiode hinaus. Denn als einzige Partei habe sich die FDP sehr klar und mit durchdachtem Finanzierungskonzept für die Apotheken und die anderen Freien Berufen eingesetzt. Doch die Apothekerschaft würdige dies bislang leider kaum. „Das empfinde ich als sehr ärgerlich und höchst gefährlich“, so Fehske. „Leider macht die FDP zwar eine wohl durchdachte Politik, hat es aber verabsäumt, Wählergruppen gezielt anzusprechen, die sie dann auch aktiv wählen.“