Lieferengpässe

WIdO: Meldepflicht für Apotheken

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Berlin -

Seit Wochen und Monaten sorgen anhaltenden Lieferengpässe bei Arzneimitteln bundesweit für Schlagzeilen – nun wird über gesetzliche Maßnahmen gesprochen. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) hat eine Analyse vorgenommen, nach der Rabattverträge keine Engpässe verursachen, sondern im Gegenteil sogar die Versorgung sichern. Allerdings fordert das WIdO eine Meldepflicht für Lieferprobleme.

Laut WIdO waren Anfang September 99,3 Prozent der Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet wurden, lieferbar. Nur 461 Arzneimittel waren laut offiziellen Meldungen, die auf freiwilligen Meldungen der Pharmaindustrie basieren, vorübergehend nicht verfügbar. Unter den 9000 Arzneimitteln, für die es einen AOK-Rabattvertrag gibt, lag der Anteil der lieferbaren Präparate demnach sogar bei 99,7 Prozent. Auch bei Berücksichtigung des schwedischen Melderegisters für Arzneimittellieferschwierigkeiten bestätigt sich die hohe Versorgungssicherheit in Deutschland.

„Dennoch scheint das Gerücht von umfangreichen Lieferengpässen bei Arzneimitteln in Deutschland und von den dafür verantwortlichen Rabattverträgen durch ständiges Wiederholen die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die Fakten erzählen jedoch eine andere Geschichte“, so Helmut Schröder, stellvertretender WIdO-Geschäftsführer. „Die Arzneimittelrabattverträge erhöhen die Versorgungssicherheit, stärken den Wettbewerb unter den Pharmafirmen und senken die Arzneimittelkosten.“

Um die immer wieder behaupteten Versorgungsengpässe empirisch überprüfen zu können, fordern die Versorgungsforscher des WIdO eine verpflichtende Meldung von Lieferengpässen – vom Hersteller über den Großhandel bis zur Apotheke. Schröder: „Es ist nicht einzusehen, dass wir heute den Weg unserer Paketsendungen online mitverfolgen können, dies aber bei der ungleich wichtigeren Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht gelingen soll.“

In anderen europäischen Ländern gibt es laut WIdO bereits ein verpflichtendes Melderegister für Lieferengpässe, beispielsweise in Schweden, wo zum 31. Oktober rund 97,3 Prozent der Arzneimittel vor Ort lieferbar waren. Der Anteil der als nicht lieferbar gemeldeten Produkte ist somit etwas größer, als es die freiwilligen Herstellermeldungen an das BfArM für den deutschen Markt erkennen lassen: Für seine Analyse hat das WIdO die beim BfArM gelisteten Meldungen der Lieferunfähigkeiten um Produkte ergänzt, die sowohl in der schwedischen Liste vorkommen als auch in Deutschland angeboten werden. Die Anzahl nicht lieferbarer Arzneimittel in Deutschland erhöht sich dabei von 461 auf 543 Produkte. „Selbst unter Einbezug der Daten aus Schweden bleibt das Fazit, dass mit einer Verfügbarkeitsquote von 99,2 Prozent die Versorgung in Deutschland sicher ist“, so Schröder.

Die AOK-Arzneimittelrabattverträge enthielten seit Jahren die Vorgabe, dass die Vertragspartner die AOK über nicht lieferbare Vertragsprodukte verpflichtend informieren müssten. Um die Liefersicherheit noch zu erhöhen, müssten die Vertragspartner außerdem einen ausreichenden Arzneimittelbestand vorhalten – und das bereits vor Vertragsstart. Schröder verweist darauf, dass Hersteller zumeist global agierende, börsennotierte Unternehmen seien. Der deutsche Markt hingegen habe nur einen Anteil von rund 4 Prozent am weltweiten Arzneimittelumsatz. Daher spiele die Versorgung in Deutschland nur eine geringe Rolle am globalen Markt. „Die Rabattverträge für global auftretende Lieferengpässe verantwortlich zu machen ist abwegig“, so Schröder.

Exklusive Rabattverträge für Generika hätten über die höhere Liefersicherheit hinaus den Vorteil, dass Patienten stabiler versorgt würden: 2018 hätten über 79 Prozent der Patienten, die einen rabattierten Wirkstoff über einen längeren Zeitraum einnehmen mussten, ihr Medikament dauerhaft von demselben Hersteller erhalten. Für diese Auswertung hat das WIdO die mehr als 44 Millionen wirkstoffbezogenen Profile von AOK-Arzneimittelpatienten der Jahre 2006 und 2018 bei generikafähigen Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen untersucht. Demnach erhielten 2006, dem Jahr vor der Einführung der Rabattverträge, nur knapp 74 Prozent der Patienten ihr Arzneimittel dauerhaft vom selben Anbieter. „Der Anteil der Patienten ohne Wechsel des Medikamentenherstellers ist zwischen 2006 und 2018 deutlich gestiegen“, so Schröder: „Unsere Analysen zeigen, dass exklusive Rabattverträge die Arzneimittelversorgung sicherer machen. Da überraschen aktuelle Forderungen, diese Verträge nur noch mit
mindestens drei Herstellern zuzulassen.“

Die Krankenkassen nutzen die seit 2007 vom Gesetzgeber geschaffene Möglichkeit, Rabattverträge für Generika zu verhandeln, intensiv: 2018 waren unter den insgesamt 2493 ambulant verordneten Wirkstoffen und Wirkstoffkombinationen 636 bei mindestens einer Krankenkasse rabattiert. Für Apotheken sei es nicht mehr unbedingt notwendig sei, alle verfügbaren verschiedenen Arzneimittelpackungen zu bevorraten. Die Krankenkassen konnten durch die Rabattverträge ihre Arzneimittelausgaben im Jahr 2018 um insgesamt 4,5 Milliarden Euro senken.

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