Widerrufsrecht gilt auch für Medikamente APOTHEKE ADHOC, 23.03.2018 15:31 Uhr
Patienten können verschreibungs- und apothekenpflichtige Medikamente grundsätzlich an Versandapotheken zurückschicken, das entschied das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in einem Prozess gegen die Online-Apotheke Apovia. Versandapotheken müssen außerdem eine kostenlose Hotline für Telefonberatung anbieten. Die Richter bestätigten damit vorhergehende Urteile.
Apovia hatte in ihren Geschäftsbedingungen verschreibungs- und apothekenpflichtige Medikamente vollständig vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Der Betreiber verteidigte die Klausel vor Gericht damit, dass ihm ein Weiterverkauf der zurückgesandten Medikamente nicht möglich sei und sie damit „rechtlich verderben“ würden.
Gesetzlich vom Widerrufsrecht ausgeschlossen sind „Waren, die schnell verderben können oder deren Verfallsdatum schnell überschritten würde“ sowie „Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde“. Das OLG hielt diese Ausnahme allerdings nicht für einschlägig. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers stehe Verbrauchern auch bei Arzneimitteln grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu.
Das Gericht stellte außerdem klar: Online-Apotheken sind gesetzlich verpflichtet, kostenlos zu beraten. Dadurch solle sichergestellt werden, dass Verbraucher Beratungsmöglichkeiten nutzen können, die mit denen einer stationären Apotheke vergleichbar sind. Apovia hatte lediglich eine kostenpflichtige Telefonnummer angegeben. 20 Cent für Anrufe aus dem Festnetz und 60 Cent für Anrufe aus dem Mobilfunknetz berechnete der Versender. Nach Auffassung des Gerichts halten Gebühren, auch wenn sie gering sind, Bestellkunden davon ab, die Hotline zu nutzen.
Geklagt hatte der Verbraucherzentral Bundesverband (VZBV). „Mit dem Urteil zeichnet sich in der Rechtsprechung immer mehr eine klare Linie zugunsten des Widerrufsrechts beim Online-Handel von Medikamenten ab“, sagt Heiko Dünkel, Rechtsreferent beim VZBV. Zuvor hatten bereits das OLG Naumburg gegen iPill und das Landgericht Berlin gegen DocMorris diese Rechtsauffassung vertreten.
Bereits vor Längerem hatte der VZBV 20 Versandapotheken unter die Lupe genommen. In den meisten Fällen hätten sich die abgemahnten Versender einsichtig gezeigt und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Doch in vier Fällen musste der VZBV erst vor Gericht ziehen.
Zwar kritisiert der VZBV die Praktiken von Versandapotheken, betont aber gleichzeitig, dass sie zu einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung gehören. Das Rx-Versandverbot lehnen die Verbraucherschützer darum ab. „Der im Koalitionsvertrag angekündigte Einsatz für ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist falsch und nicht im Sinne von Verbrauchern“, so Kai Vogel, Leiter Team Gesundheit und Pflege. Es führe nicht zur Stärkung von qualifizierten Leistungen von Apothekern und löse ebenso wenig die Probleme von Apotheken in strukturschwachen Regionen.