WHO uneins über Pandemie-Vorsorge Alexander Müller, 11.10.2007 11:34 Uhr
Die EU ist einem Bulletin der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge auf eine Grippepandemie nicht ausreichend vorbereitet. Kritisiert werden vor allem unzulängliche Grenzkontrollen sowie mangelhafte Verwaltung und Belieferung mit antiviralen Arzneimitteln und Impfstoffen in den Mitgliedsstaaten. Die WHO stützt sich bei ihren Aussagen auf eine Studie der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil die Arbeiten von Studienleiter Dr. Richard Coker und seinem Team vom Pharmahersteller F.Hoffmann-La Roche gefördert wurden, der auch das antivirale Arzneimittel Tamiflu herstellt.
WHO-Sprecher Gregory Hartl relativierte gegenüber APOTHEKE ADHOC die im Bulletin dargestellte Bedrohungslage: „Natürlich könnte jedes WHO-Mitgliedsland besser auf eine Pandemie vorbereitet sein, aber im Vergleich zu anderen Regionen ist die EU sehr gut vorbereitet“, sagte Hartl. „Im Großen und Ganzen sind die Maßnahmen hier ausreichend“, so Hartl. Warum sich das WHO-Bulletin auf die von Roche geförderte Studie stützt, wollte der Sprecher nicht kommentieren.
Dem Bericht zufolge sind die EU-Staaten zwar besser auf eine mögliche Pandemie vorbereitet als noch vor Jahresfrist; dennoch habe weniger als die Hälfte der Länder feste Pläne für die Verteilung antiviraler Mittel. „Ein Jahr nach dem vorherigen Bericht sind viele Länder immer noch schlecht auf die harten Realitäten einer drohenden Grippepandemie vorbereitet“, erklärte Studienleiter Coker. Das „Wer, Was, Wann und Wo“ für die antiviralen Medikamente sei nicht definiert. Dabei stellten diese die erste Verteidigungslinie dar, bevor Impfstoffe überhaupt hergestellt und verteilt werden könnten.
Die WHO-Autoren nehmen einen Fall in Sumatra, wo erstmals das H5N1-Virus vom Typ A von Mensch zu Mensch übertragen wurde, zum Anlass für den aktuellen Bericht. Hartl sagte gegenüber APOTHEKE ADHOC, neben dem Fall in Sumatra im Mai 2006 habe es mindestens drei weitere Übertragungen von Mensch zu Mensch gegeben. Bei allen Fällen in Vietnam, Kambodscha und Indonesien hätten sich jedoch Familienangehörige angesteckt, die in sehr engem Kontakt zu den Erkrankten standen. „Das H5N1-Virus vom Typ A ist nicht leicht übertragbar“, erklärte Hartl.
Coker kommt in seinem Bericht zu einem anderen Schluss: Zwar sei der Ausbruch in Sumatra durch freiwillige Quarantäne und schnelle Verabreichung antiviraler Medikamente unterbunden worden, dennoch habe die Welt nur „eine gefährliche Klippe umschifft“ und könne „das nächstes Mal eventuell weniger Glück haben“, heißt es in der Studie. Im Falle einer Pandemie würde es derzeit zu Engpässen und Transportschwierigkeiten kommen, glaubt der Wissenschaftler. Als „besonders besorgniserregend“ stufte er die fehlende internationale Kooperation bei den Grenzkontrollen ein.