Das geplante Pandemieabkommen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht auf Messers Schneide. 194 Mitgliedsländer wollen das Vertragswerk ab Montag in Genf mehrheitsfähig machen. „Es wird schwierig“, sagte ein Verhandler in Genf. Der geplante Abschluss der Verhandlungen war vor Ostern gescheitert.
Während der Corona-Pandemie wurden weltweit Fehler gemacht. Dazu gehörten verspätete Informationen von China, einseitige Reisebeschränkungen und der Zusammenbruch von Lieferketten. Außerdem gab es Kämpfe um die Verteilung von Schutzausrüstung und Impfstoffen. Reiche Länder sicherten sich Mehrheiten an Impfdosen, während ärmere noch auf ihre erste Lieferung warteten. Indien stoppte den Impfstoffexport wegen eigener Notlagen.
Aus diesen Fehlern heraus entstand die Idee für ein neues Abkommen. Die Forderungen waren umfangreich, darunter: Mehr Impfstoffe sollen für arme Länder reserviert und die weltweite Produktion trotz Patentregeln beschleunigt werden. Pharmaunternehmen, die staatliche Förderung erhalten, sollen einen Teil ihrer Produkte günstig abgeben. Es wird ein globales Logistiknetz für die faire Verteilung gefordert sowie die Offenlegung von Verträgen, um Bevorzugung durch Höchstgebote zu vermeiden.
Allerdings verlaufen die Verhandlungen zäh, Ende März waren die Fronten völlig verhärtet. Ein neuer, um ein Dritteln auf 23 Seiten gekürzter Entwurf ist vorgestellt worden, mit dem Ziel, besonders umstrittene Details später im Jahr zu klären. Organisationen und manche Länder protestieren, weil für sie wichtige Bestimmungen unter den Tisch gefallen sind. „Es wird schwierig“, sagte ein Verhandler in Genf. „Pessimismus ist eine Verhandlungstaktik, die sich die Welt echt nicht leisten kann“, sagte Michelle Childs von der Organisation Drugs for Neglected Diseases Initiative, die sich für Chancengleichheit für ärmere Länder einsetzt. Das Abkommen soll bei der WHO-Jahrestagung
Ende Mai/Anfang Juni in Genf verabschiedet werden. Das Abkommen zielt dabei nicht nur auf Gerechtigkeit für ärmere Länder, sondern soll einen weltweiten Nutzen bieten. Die Verbreitung von Pandemien sollen begrenzt werden, damit nicht zu einschneidenden MAßnahmen gegriffen werden muss. Ferner plant die WHO die Einrichtung eines Lieferketten-Netzwerks für schnelle Materialbereitstellung an alle Länder bei Pandemien, um Engpässe zu verhindern.
Das WHO-Abkommen zur Pandemieregulierung gewährt der WHO keine Macht, Lockdowns, Impfungen oder Reisebeschränkungen vorzuschreiben. Es tritt nur in Ländern in Kraft, die es ratifizieren, ohne Sanktionen bei Nichteinhaltung, setzt jedoch auf gegenseitige Berichterstattung zur Erzeugung von Druck. Das Bundesgesundheitsministerium schrieb auf eine kritische Petition im September 2023 hin: „Durch den Pandemie-Vertrag der WHO werden weder die Grundrechte noch die Menschenrechte eingeschränkt.“
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) verlangte von der Bundesregierung großen Einsatz. „Der Kern des WHO-Vertrags muss globale Gesundheits- und Gerechtigkeitsfragen regeln, nicht Industrieinteressen schützen“, sagte Melissa Scharwey, MSF-Expertin für globale Gesundheit, der Deutschen Presse-Agentur. Umstritten ist eine mögliche Verpflichtung für Pharmafirmen, Know-how zu teilen und Produktion für ärmere Länder günstig bereitzustellen. MSF verlangt darüber hinaus Regeln für globale Impfstoffherstellungen. „Deutschland muss sich dafür starkmachen, dass staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung an Bedingungen geknüpft werden, so dass es später einen gerechten Zugang für Menschen in aller Welt zu den medizinischen Produkten gibt“, sagte Scharwey.
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