Das umstrittene Portal AU-Schein.de nutzt künftig nicht mehr den Messengerdienst Whatsapp. Wie das Hamburger Start-up am Freitag bekanntgab erfolgt die elektronische Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits seit dem 14. August in einem gesicherten Download-Bereich auf der Website. Mit der Kritik an dem Unternehmen habe der Schritt aber nichts zu tun.
Das Unternehmen hatte großes Interesse auf sich gezogen, zahlreiche Medien berichteten über das Geschäftsmodell, Krankenscheine per Whatsapp zu versenden. Zuletzt gab es jedoch ein paar Dämpfer: Nicht nur sind die vorab per Messenger versendeten AU-Scheine rechtlich ungültig, wie die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) verlauten ließ, auch hat der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) AU-Schein.de abgemahnt. Die Form der Ausstellung über einen Fragebogen verstößt dem Verein zufolge nämlich gegen die Bestimmungen der entsprechenden Berufsordnung sowie gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Dem Start-up zufolge hat das eine aber mit dem anderen nichts zu tun. „Das steht in keinem Zusammenhang zueinander“, so eine Unternehmenssprecherin auf Anfrage. Auch sei es irreführend, von einer Ungültigkeit der AU-Scheine zu sprechen: Nur das vorab per Whatsapp versendete Fot sei zwar rechtlich ungültig, jeder Patient erhalte aber den echten AU-Schein auf dem Postweg nachgeschickt. Daran ändere sich auch im neuen System nichts.
Dieses werde es neuen Patienten noch leichter machen, einen AU-Schein digital zu erhalten, ohne dabei Sicherheitsbedenken haben zu müssen, so das Start-up. Viele Verbraucher hätten beim Thema Whatsapp grundsätzliche Datenschutzbedenken. Statt der Versendung über den zu Facebook gehörenden Dienst bekommt nun jeder Patient eine Bestellnummer per Mail und einen Code per SMS. Mittels Zwei-Faktor-Authorisierungssystem kann die Krankschreibung dann auf der Webseite des Unternehmens von einem deutschen Server herunterladen und entschlüsseln werden. Das Original werde dann wie bisher per Post versendet.
Der Verzicht auf Whatsapp als Übermittlungstool werde „der Startpunkt eine Reihe von Innovationen beim Telemedizin-Start-up sein“, kündigt Au-Schein.de an, ohne dabei genauer zu werden. Auf Anfrage erklärt eine Sprecherin, es seien „produktseitige Innovationen mit Blick auf die Krankheitsbilder“ geplant. Diese würde in naher Zukunft bekanntgegeben. Bisher werden nämlich lediglich bei Erkältungen AU-Scheine ausgefüllt. Demnächst könnten also noch mehr Indikationen zum Angebot hinzugefügt werden.
Schon mit der Ausstellung von Verschreibungen bei Erkältungen hatte das Start-up viel Kritik auf sich gezogen: Die Ärztekammern Hamburg und Schleswig-Holstein hatten schon direkt nach Start des Angebots von dessen Nutzung abgeraten – „allein schon aus datenschutzrechtlichen Gründen“, so der Ärztliche Geschäftsführer der schleswig-holsteinischen Kammer, Dr. Carsten Leffmann. Der VSW begründete seine Abmahnung mit Bestimmungen der entsprechenden Berufsordnung sowie einem Verstoß gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Demnach ist Werbung für die Erkennung oder Behandlung von Krankheiten verboten, die nicht auf eigener Wahrnehmung an dem zu behandelnden Menschen beruht. Denn die Patienten müssen lediglich eine Checkliste mit Symptomen ausfüllen, ein echter Kontakt kommt nicht zustande.
Das Unternehmen widerspricht den Kritikern. Für das telemedizinische Angebot sei nie geworben, sondern darüber nur in der Presse berichtet worden. Die Checkliste wiederum sei nicht unsicherer als ein echtes Arztegespräch: „Auch ein Praxisarzt kann belogen werden bezüglich unüberprüfbarer Symptome wie zum Beispiel Kopfweh, Schwindel, Übelkeit“, so Geschäftsführer Dr. Can Ansay. Zudem könne ein erkälteter Patient seine Symptome selbst gut einschätzen, so dass 90 Prozent der Erkältungen in Deutschland bereits ohne Arzt diagnostiziert und behandelt würden, ohne dass dadurch die Mortalitätsrate gestiegen wäre.
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