Wettbewerbszentrale

Apotheker werden brav, Kassen böse

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Berlin -

Post von der Wettbewerbszentrale bekommt niemand gerne. Denn das bedeutet fast immer Ärger. Der Gesundheitsmarkt ist besonders im Fokus der Kontrolleure aus Bad Homburg. Auch gegen Apotheken werden immer wieder Verfahren geführt. Davon gibt es aber nach aktuellen Zahlen immer weniger. Dafür muss die Wettbewerbszentrale immer öfter gegen Krankenkassen vorgehen, die sich ungebührlich verhalten.

Insgesamt etwa 450 Anfragen und Beschwerden wegen unlauteren Wettbewerbs im Bereich Gesundheit sind im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben bei der Wettbewerbszentrale eingegangen. In diesem Jahr waren es mehr als 230 Fälle. Betroffen sind Apotheker, Ärzte, Krankenkassen oder Pharmahersteller.

Laut Rechtsanwältin Christiane Köber, Mitglied der Geschäftsführung der Wettbewerbszentrale, ist die Entwicklung in den verschiedenen Bereichen allerdings unterschiedlich. Während beispielsweise in der Apothekenbranche Verstöße gegen apotheken- oder heilmittelwerberechtliche Vorschriften zurückgegangen seien und die Wettbewerbszentrale verstärkt Musterverfahren zu grundsätzlichen Fragen des Arzneimittelrechts führe, steige die Zahl der Anfragen und Beschwerden zu Werbemaßnahmen von Krankenkassen an.

Im Apothekenbereich sehr zentral ist das EuGH-Verfahren zu Rx-Boni. Der Generalanwalt hat Anfang Juni in seinen Schlussanträgen die Auffassung vertreten, dass die deutsche Arzneimittelpreisbindung ausländische Apotheken diskriminiert. Ein Urteil des EuGH steht noch aus.

Ganz frisch ist die Entscheidung in einem weiteren zentralen Verfahren: Das OLG Bamberg hat im Skonto-Prozess gegen das Konditionenmodell des Großhändlers AEP entschieden. Die Sache geht allerdings weiter zum Bundesgerichtshof (BGH).

In einem dritten Verfahren der Wettbewerbszentrale ging es um die Preisdarstellung in Apothekenwerbung. Häufig werde dort der aktuelle niedrige Preis einem höheren Preis gegenüber gestellt, der als „Krankenkassenverrechnungspreis“, „AVP“ oder ähnlich bezeichnet werde. Der so in Bezug genommene Vergleichspreis wird nur in Ausnahmefällen von der Krankenkasse an die Apotheke gezahlt, aber nie vom Verbraucher. Auch hier erwartet die Wettbewerbszentrale eine grundsätzliche Aussage des BGH.

Deutlich mehr zu tun hat die Wettbewerbszentrale mit Krankenkassen: Im vergangenen Jahr wurden rund 50 Fälle zu deren Werbemaßnahmen bearbeitet, bereits rund 40 im ersten Halbjahr 2016. „Die Fälle zeigen, dass im Krankenkassenbereich mit zunehmend härteren Bandagen um Mitglieder gekämpft wird“, so Köber. Das fällt zeitlich zusammen mit der Absenkung des Beitragssatzes auf 14,6 Prozent Anfang 2015, sowie mit der Einführung kassenindividueller prozentualer Zusatzbeiträge.

Die Wettbewerbszentrale beobachtet drei Trends: Ein Marketingargument der Kassen ist demnach die Höhe oder Bezeichnung des Zusatzbeitrags. Für irreführend hielt die Zentrale die Werbung einer BKK mit einer Beitragsgarantie, wenn später der Beitragssatz entgegen der Werbeaussage doch erhöht wird. Die Kasse verpflichtete sich zur Unterlassung.

Eine weitere Fallgruppe der irreführenden Werbung sei die Werbung mit Auszeichnungen oder Testergebnissen, wenn die entsprechenden Fundstellen fehlten oder gar Testergebnisse durch neuere Tests überholt seien, berichtet die Wettbewerbszentrale. So wurde die Werbung einer BKK mit der Bezeichnung „TOP Krankenkasse“ und einem Siegel aus dem Jahr 2013 beanstandet, obwohl sie bei einem neueren Test erst an 47. Stelle auftauchte.

Aggressive geschäftliche Handlungen beobachtet die Wettbewerbszentrale bei Reaktionen einzelner Kassen auf Kündigungen von Mitgliedern. Von Gesetzes wegen müssten Krankenkassen unverzüglich eine Kündigungsbestätigung ausstellen, damit der Versicherte eine Mitgliedschaft in einer anderen Krankenkasse begründen kann. Hier erschwerten einige Kassen den Wechsel. So wollte eine die Kündigungsbestätigung nur im Rahmen eines Hausbesuchs aushändigen.

Unzulässiger Preiswerbung von Ärzten gab es etwa bei Werbung mit Festpreisen, Rabatten oder Sonderaktionen oder gar kostenlosen Zuwendungen. „Ärzten ist es aber nicht erlaubt, Preise für ärztliche Behandlungen selbst festzulegen“, so die Wettbewerbszentrale. In einigen Fällen traf man sich vor Gericht, wie zum Beispiel wegen der Werbung eines Augenarztes mit einem kostenlosen Lasik Quick-Check für eine Augenlaserbehandlung. Das OLG Köln hat die angegriffene Werbung untersagt.

Kritisch ist mitunter auch die Zusammenarbeit von Ärzten mit Wirtschaftsunternehmen: Das OLG Celle untersagte einem Arzt, sich für das Abnehmprodukt „Almased“ in der Werbung einzusetzen. In einem anderen Fall hatte ein Arzt nicht nur für die von ihm angebotenen schönheitschirurgischen Leistungen geworben, sondern darüber hinaus auch in unzulässiger Weise gleich einen bestimmten Versicherer genannt, der einen Schutz vor Folgekosten bei Komplikationen anbot. Das Verfahren vor dem LG Düsseldorf läuft noch.

Die Anfragen und Beschwerden im Bereich Pharmaindustrie legen tendenziell zu. Ein pharmazeutisches Unternehmen warb beispielsweise in seinem Fernsehspot für ein pflanzliches Arzneimittel, das nervös bedingte Schlafstörungen lindern soll. Die in der Werbung versprochene „Soforthilfe“ könne das Arzneimittel aber bei Schlafstörungen nicht bieten. Das Unternehmen hat eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Wettbewerbszentrale ist nach eigenen Angaben die größte Selbstkontrollinstitution für fairen Wettbewerb. Getragen wird die gemeinnützige Organisation von mehr als 1200 Unternehmen und mehr als 800 Kammern und Verbänden der Wirtschaft. Sie finanziert sich allein aus der Wirtschaft heraus und erhält keine öffentlichen Mittel.

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