Wettbewerbsrecht

Du sollst dich nicht Dr. nennen lassen

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Berlin -

Wer nicht promoviert, darf keinen Doktortitel führen. Das ist klar. Wer bei seiner Doktorarbeit abgeschrieben hat, muss seinen Doktortitel abgeben. Das ist mittlerweile auch geklärt. Aber was ist, wenn man den Titel von anderen angehängt bekommt? Dann muss man – so das Landgericht Hamburg (LG) – für Klarheit sorgen und sich den Titel gewissermaßen selbst entziehen.

Zahnärztin H. aus Hamburg ist bei ihren Patienten offenbar sehr beliebt. Beim Arztbewertungsportal Jameda hat sie ausschließlich die Bestnote „1“ erhalten. Ein Dutzend Kunden lobt: „Wurzelbehandlung super gelaufen“, „Immer wieder zur professionellen Zahnreinigung“ und so weiter. Laut Jameda hat H. einen Doktortitel. Hat sie aber gar nicht. Hat sie auch nie behauptet – auf ihrer eigenen Homepage tritt sie ohne Titel auf.

Doch überall im Internet finden sich Einträge, die H. als „Dr. med. dent“ oder Dr. dent“ ausweisen. Jameda kauft die Daten von einem Adressanbieter, andere Plattformen beziehen sich wiederum auf das Ärzteportal. Die Wettbewerbszentrale hatte die Zahnärztin im Mai 2015 darauf hingewiesen, dass die Verwendung des Titels wettbewerbswidrig sei und H. die Löschung der falschen Einträge veranlassen sollte. Doch die Zahnärztin reagierte nicht und unternahm offenbar auch nichts, um den falschen Eindruck im Netz zu korrigieren.

Insgesamt sieben Aufforderungs- und Mahnschreiben schickte die Wettbewerbszentrale innerhalb eines halben Jahres nach Hamburg, ohne Erfolg. Schließlich wurde die Zahnärztin verklagt. Das Landgericht Hamburg verbot ihr, den Titel im geschäftlichen Verkehr zu verwenden oder „verwenden zu lassen“, sofern sie nicht nachweislich promoviert sei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Aus Sicht des LG liegt eine Irreführung im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) vor. Zwar verwende H. den Titel nicht aktiv selbst, sie hafte aber für die falschen Einträge „als Täterin durch pflichtwidriges Unterlassen“, heißt es in der Entscheidung vom 26. Juli. Denn nachdem die Zahnärztin Kenntnis von den irreführenden Angaben zu ihrer Person hatte, hätte sie aus Sicht des Gerichts etwas unternehmen müssen. Sie habe die Einträge aber „pflichtwidrig und daher haftungsbegründend geduldet“.

Das Gericht bezieht sich unter anderem auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Internetplattform ebay. 2004 hatten die Karlsruher Richter entschieden, dass ebay für jugendgefährdende Angebote Dritter haftet, sobald die Betreiber darauf hingewiesen werden. Ab dieser Kenntnis besteht ein sogenanntes „lauterkeitsrechtliches Handlungsgebot“.

Zwar liege der Fall der Zahnärztin eindeutig anders, weshalb an ihre Pflichten nur geringere Anforderungen gestellt werden müssten, so das LG. „Indem sie gänzlich untätig geblieben ist, hat die Beklagte indes auch diese eng begrenzten Handlungspflichten verletzt“, heißt es im Urteil.

Die Zahnärztin protestierte: Sie könne nicht für das zur Rechenschaft gezogen werden, was andere im Internet über sie verbreiteten, müsse in erster Linie ihren Beruf ausüben und könne sich nicht nebenbei als Netzpolizistin betätigen. Die Wettbewerbszentrale hätte die Portale selbst angehen können, statt eine vielbeschäftigte Ärztin in Anspruch zu nehmen.

Doch das sahen die Richter anders: Mit der Aufnahme ihrer zahnärztlichen Tätigkeit habe sie die entfernte Gefahr begründet, dass Dritte sie in irreführender Weise mit einem Doktortitel benennen. Zwar müsse sie das Internet nicht proaktiv durchforsten, doch im Moment der Kenntnis der falschen Angaben zu ihrer Tätigkeit als Zahnärztin hätte sie reagieren müssen.

Denn der Werbeeffekt eines Doktortitel bei Jameda sei nicht unerheblich. Patienten würden sich auf der Suche nach einem Zahnarzt gegebenenfalls davon beeinflussen lassen. Dazu kam der Multiplikationseffekt. So greift das Stadtbranchenbuch in Hamburg auf das Arztbewertungsportal zurück. Auch bei „aktuelle-oeffnungszeiten“ und „sanego“ heißt es „Frau Dr.“, ebenso auf der Homepage eines Ärztevereins, in dem H. Schatzmeisterin ist.

H. hätte ohne weitere Prüfung erkennen können, dass die Angaben falsch sind. Es sei mit ihrer unternehmerischen Sorgfalt nicht vereinbar, dass sie danach untätig blieb, befand das Gericht. Ein Anruf bei Jameda hätte aus Sicht der Richter vermutlich gereicht, um die Sache klarzustellen. Mittlerweile ist das erfolgt, H. ist nur noch H.

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