Die Apotheken in Westfalen-Lippe bleiben ein Jobmotor: Obwohl ihre Gesamtzahl 2015 zum neunten Mal in Folge sank – von 2040 auf aktuell 2020 – nimmt die Zahl der wohnortnah in Apotheken Beschäftigten weiter zu: „In unseren Apotheken sind mittlerweile 15.851 hochqualifizierte Arbeitskräfte tätig“, betonte Kammerpräsidentin Gabriele Regina Overwiening anlässlich der Frühjahrstagung des westfälisch-lippischen Apothekerparlamentes in Münster-Roxel.
Der Zuwachs um 1200 Arbeitsplätze innerhalb von nur fünf Jahren zeige, dass die demographische Entwicklung längst in den Apotheken angelangt sei: „Der Beratungsbedarf und damit auch die Nachfrage nach Apothekerinnen und Apothekern, PTA und PKA steigt immer weiter, gerade weil sich die Zahl multimorbider Patienten ständig erhöht“, so Overwiening. In Westfalen-Lippe sind angestellte Apotheker nach wie vor rar gesät: Auf einen Stellensuchenden kommen im Landesteil derzeit 14 offene Stellen.
Die 92 Delegierten befassten sich in ihrer ganztägigen Sitzung auch mit den obligatorischen Jahresabschlüssen der Kammer und des ihr angeschlossenen Versorgungswerkes sowie diversen Satzungsänderungen. Darüber hinaus präsentierten Professor Dr. Thomas Schmidt und Dr. Ralph Holl zwei von der Apothekerstiftung Westfalen-Lippe geförderte und inzwischen abgeschlossene Forschungsprojekte der Universität Münster.
Schmidt stellte ein Testverfahren vor, mit dem ermittelt wird, wie wirksam pflanzliche Arzneimittel gegen die Erreger sogenannter „vernachlässigter Tropenkrankheiten“ sind. Der Experte vom Institut für Pharmazeutische Biologie und Phytochemie der Universität Münster stellte dar, dass nahezu eine Milliarde Menschen an diesen „neglected Tropical Diseases“ erkrankt ist. Insbesondere tropische Protozoeninfektionen wie die Schlafkrankheit, die Chagas-Krankheit oder Leishmaniosen forderten jedes Jahr etwa 100.000 Menschenleben.
Holl befasste sich mit der Entwicklung von möglichst breit wirksamen und metabolisch stabilen Antibiotika. Diese sollten die Therapie von Infektionen insbesondere mit multiresistenten Problemkeimen verbessern, so der Forscher vom Institut für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Münster.
Mit Zuversicht blickt Overwiening auf eine für den Herbst dieses Jahres anstehende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Rx-Preisbindung für ausländische Versandapotheken. In seinem Schlussplädoyer hatte der Generalanwalt die deutsche Regelung als Eingriff in den freien Warenverkehr kritisiert, der auch nicht aus Gründen des Gesundheitsschutzes gerechtfertigt sei.
Overwiening stellt fest, dass zu diesem Thema neben der Wettbewerbszentrale auch die Bundesregierung eindeutig Stellung bezogen habe. „Beide sind davon überzeugt, dass die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel dem Erhalt einer flächendeckenden Arzneimittelversorgung durch ortsnahe Apotheken dient.“
Der Wettbewerb bei rezeptpflichtigen Medikamenten solle daher nicht über den Preis, sondern über die Qualität ausgetragen werden – zum Wohle aller Patienten. Da der Generalanwalt in seinem Plädoyer von der bisherigen Rechtsprechung des EuGH abweiche, sehe sie dem Urteil gelassen entgegen. „Es muss und wird auch weiterhin so sein, dass den EU-Mitgliedstaaten im Gesundheitswesen ein gewisser Gestaltungsspielraum zusteht.“
Anträge zum Deutschen Apothekertag wurden auf der Versammlung nicht beraten und beschlossen. Diese werden auf der nächsten Vorstandssitzung der Kammer im Juli verabschiedet.
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