Westfalen-Lippe

Overwiening: Mut zur Apotheke Julia Pradel, 14.03.2015 15:27 Uhr

Münster - 

Die Präsidentin der Apothekerkammer Westfalen-Lippe (AKWL), Gabriele Regina Overwiening, will mehr Pharmazie in der Apotheke. Mit Blick auf Apothekentests, die zeigen wollten, dass Apotheker stärker verkaufen als beraten, forderte sie ihre Kollegen auf, das Gegenteil zu beweisen. „Dazu brauchen wir die Unterstützung der Politik“, so Overwiening beim Westfälisch-Lippischen Apothekertag (WLAT).

Im Perspektivpapier gebe es ein klares Bekenntnis zu der heilberuflichen Komponente des Berufs, so Overwiening. „Das bedarf verbesserter politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.“ Dazu gehört aus ihrer Sicht nicht nur eine Vergütung der Medikationsanalyse, sondern auch eine Honorierung der dokumentierten Nichtabgabe oder eine Pauschale für die regelmäßige Beratung von älteren oder multimorbiden Patienten.

Außerdem brachte Overwiening Festpreise für OTC-Präparate ins Gespräch: „Das wäre ein Signal für die Wertschätzung der Heilberuflichkeit und gegen die Bagatellisierung des Arzneimittels.“ Sie sprach sich zudem dafür aus, dass Politiker und Kassenvertreter die Kreativität, die sie bei Spargesetzen oder Rabattverträgen an den Tag legten, auch in die Entwicklung der Apotheke 2030 einbringen.

Die Zukunft werde pharmazeutisch entschieden, so Overwiening. Daher brauche es Mut, gegen Liberalisierungs- und Techniktendenzen vorzugehen. „Diesen Mut braucht nicht nur die Apothekerschaft, sondern auch die Politik.“

Die parlamentarische Staatssekretärin des Bundesgesundheitsministerium (BMG), Ingrid Fischbach (CDU), überbrachte die Grüße von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU): „Er hat mir gesagt: Mach deutlich, wie wichtig die Apotheker für uns sind, wir brauchen sie.“

Sie betonte, dass man vor Veränderungen in der Gesellschaft stehe und Antworten finden müsse. „Das heißt aber nicht, alles zu verändern, was gut läuft“, betonte Fischbach. Daher werde man im Bereich der Arzneimittelversorgung auf die inhabergeführte Apotheke Rücksicht nehmen. Dieser ordnungspolitische Rahmen sichere den Apothekern die Zukunft und erhalte die flächendeckende Arzneimittelversorgung aufrecht.

Mit Blick auf die Honorarforderungen erklärte Fischbach: „Die Vergütung, die Sie sich wünschen, werden wir mit dem Wirtschaftsministerium besprechen. Sie können sicher sein, da wird das ein oder andere Gespräch noch stattfinden.”

Die Staatssekretärin sagte zum anstehenden Präventionsgesetz, ihr sei sehr daran gelegen, die Apotheker einzubinden. Man müsse die Menschen dort abholen, wo sie seien – das könnten die Apotheken übernehmen. „Aber ich habe auch Bedenken, zum Beispiel beim Thema Ernährung: Wie beraten sie denn, wenn Sie entsprechende Produkte im Regal haben?“

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) werde den Ärzten im Entlassmanagement die Möglichkeit gegeben, Medikamente für bis zu sieben Tage zu verordnen. Fischbach betonte, dass die Abgabe weiterhin nur über die öffentliche Apotheke erfolge. Die Überbrückungsmedikation bleibe auf Wochenenden und Feiertage beschränkt.

Wie vom Deutschen Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband gefordert, sei außerdem der Kassenabschlag auf 1,77 Euro festgelegt worden. „Was wir nicht geregelt haben – und da bin ich ein bisschen traurig drüber – ist das Thema Retaxierung“, so Fischbach. Dabei habe man noch Rücksicht auf die Selbstverwaltung genommen. Sie versprach: „Wir werden das beobachten und aktiv werden, wenn sich da nichts tut.“

Im Rahmen des Pharmadialogs gehört laut Fischbach auch die Importklausel auf die Tagesordnung. „Ich bin überzeugt, dass sie ihr Ende finden sollte – aber das werden wir an entsprechender Stelle diskutierten.“

Mit Blick auf das E-Health-Gesetz und den Medikationsplan gab sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass sich Apotheker und Ärzte bis Februar des kommenden Jahres über die nötigen Strukturen verständigt haben.

Auch Martina Hoffmann-Badache, Staatssekretärin im nordrhein-westfälischen Gesundheitsministerium, sprach sich für die öffentlichen Apotheken aus: „Unser Ziel ist eine flächendeckende Versorgung und eine Beratung, die ihren Namen wirklich verdient.“ Aus diesem Grund seien Versandhandel, Pick-up-Stellen und Kettenapotheken keine Alternative zum bestehenden System.

„Arzneimittel dürfen niemals reine Handelsware werden, denn das sind sie einfach nicht“, so Hoffmann-Badache. Daher müsse man besonders sorgsam damit umgehen. Aus ihrer Sicht wird die Bedeutung eines flächendeckenden Apothekennetzes eher zu- als abnehmen. „In einer solchen Zeit kommt der ortsnahen, auf Beratung und Betreuung ausgerichteten Apotheke eine besondere Rolle zu.“

Als zentrales Thema sieht Hoffmann-Badache die Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). „Unsere Erwartung an die Apotheke der Zukunft ist, dass sich der Apotheker stärker an der Überprüfung der Medikation beteiligen.“ Auch das Medikationsmanagement in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen müsse verbessert werden. Außerdem sprach sie sich für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen aus. Die Apotheke der Zukunft sieht Hoffmann-Badache als Scharnier zwischen den Heilberufen.