Kommentar

Wer zahlt des Kanzlers Versprechen?

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Berlin -

Die Versicherten in Deutschland sollen nicht auf Leistungen verzichten – dazu findet Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) klare Worte. Doch dabei vergisst er über die Finanzierung zu sprechen. Denn: Wenn der Bund kein Geld in die GKV steckt, werden die Versicherten zur Kasse gebeten. Ein Kommentar von Lilith Teusch.

„Was für mich nicht in Frage kommt, sage ich ganz klar: Leistungskürzungen für die Versicherten“, erklärte der Kanzler am Mittwoch in der Sommerpressekonferenz. Stattdessen solle das Gesundheitssystem effizienter gestaltet werden. Das klingt erst mal nett, ändert aber nichts an der realen Finanzsituation der Krankenkassen.

Denn: Die Kassen klagen seit Jahren über die steigenden Ausgaben, gleichzeitig braucht Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) immer mehr Geld für seine zahlreichen Strukturreformen. Wie soll denn das Leistungsangebot gehalten werden, wenn die Kosten steigen und Lauterbach zusätzliches Geld eben auch über die Kassen braucht?

Höhere Ausgaben = höhere Beiträge

Auch ohne Lauterbachs Reformen steigen die Ausgaben der Krankenkassen seit Jahren kontinuierlich. Bereits im April warnte der GKV-Spitzenverband, dass die Kassen in diesem Jahr erstmals mehr als 300 Milliarden Euro für die Versorgung ihrer Versicherten ausgeben könnten. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr waren es 297 Milliarden Euro. Woher soll das Geld kommen? Jeder Euro, der zusätzlich ausgegeben werden soll, muss erst einmal über die Krankenkassenbeiträge eingenommen werden, schreibt der GKV-Spitzenverband.

Und die Entwicklung geht weiter: Erst im Juni warnte die Verbandschefin Doris Pfeiffer, dass auch im nächsten Jahr mit einem zusätzlichen Finanzbedarf von 0,5 bis 0,6 Prozentpunkten zu rechnen sei. Dabei sind die Milliardenpakete aus den Gesetzesvorhaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) noch gar nicht berücksichtigt.

Angesichts steigender Kosten haben viele Krankenkassen zum Jahresbeginn ihre Beitragssätze erhöht – und einige planen für August eine weitere Anhebung. Für die rund 9 Millionen Versicherten, die von der erneuten Erhöhung betroffen sind, könnten das Mehrkosten von rund 400 Euro im Jahr bedeuten, wie der Focus berichtet.

Versicherte vergessen?

Erhofft sich der Bundeskanzler von Lauterbachs Strukturreformen ein Stabilisierungswunder? Geht er davon aus, dass eine Krankenhausreform die bestehenden Strukturen über Nacht abreißt und nach dem Vorbild einer Science-Fiction-Utopie neu erschafft? Oder hat er einfach nicht im Blick, dass selbst wenn wir heute die Antwort auf die Frage fänden, wie wir unsere alternde Bevölkerung mehrkostenneutral versorgen können, es eine ganze Weile dauern würde, bis unsere Maßnahmen tatsächlich greifen? Was tun wir bis dahin?

Scholz verspricht den Versicherten, dass es keine Leistungskürzungen geben wird. Richtiger wäre der Zusatz: „Solange die Versicherten für alle Leistungen mehr zahlen.“

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