Studie „Zukunft der Apotheken“

Weniger jammern und sich nicht so aufregen

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Berlin -

Nachwuchssorgen, sinkende Margen, mangelnde Attraktivität – die Gründe für das Apothekensterben sind bekannt, um die Lösungen wird weiterhin gestritten. Die Steuerberatungsgesellschaft RST hat deshalb bei Professor Dr. Boris Augurzky vom Essener Leibnitz-Institut für Wirtschaft eine Studie zu den Zukunftsperspektiven der Vor-Ort-Apotheke in Auftrag gegeben. Den Versandhandel sieht er nicht als die größte Bedrohung. In einer Diskussionsrunde zu seiner Studie „Zukunft der Apotheken – Trends und Herausforderungen“ hat NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) davor gewarnt, Apotheken zu „Gemischtwarenläden“ zu machen. Und ABDA-Vizepräsident Mathias Arnold glaubt, dass das Jammern der Kollegen mitursächlich für den Nachwuchsmangel ist.

„In meinem Wahlkreis gibt es mehr Apotheken als Bäcker“, sagt der NRW-Gesundheitsminister und spitzt damit zu, warum er die flächendeckende Versorgung nicht in Gefahr sieht. „Um die Apothekendichte mache ich mir keine Sorgen.“ Daran, dass diese Beurteilung keine Geringschätzung des Berufsstands bedeutet, will Laumann aber keinen Zweifel aufkommen lassen: Er bekenne sich zur inhabergeführten Vor-Ort-Apotheke und verteidige auch das Fremd- und Mehrbesitzverbot, „damit der Bezug zum Inhaber bleibt.“

Kernproblem sei eher die schwierige demographische Entwicklung auf dem Land und der Ärztemangel: „Wenn im Dorf niemand mehr ist, der ein Rezept ausstellt, dann hat auch die Apotheke ein Problem“, so Laumann. Wichtig sei daher, dass strukturelle Fragen praxisnah gelöst werden. Es müsse beispielsweise gewährleistet werden, dass Notdienste von Ärzten und Apotheken besser koordiniert werden. „Es kann nicht sein, dass ein Patient in dringenden Fällen 30 Kilometer fahren muss, um das Rezept einzulösen, das er vom Arzt bekommen hat.“ Das sei ein Problem, das er in Nordrhein-Westfalen bereits angehe.

Aber auch die Apotheken müssten aufpassen, sich für die Zukunft richtig aufzustellen. „Ich warne davor, die Apotheke zum Gemischtwarenladen zu machen“, so der CDU-Politiker. Der Schwerpunkt müsse auf Rx- und OTC-Medikamenten bleiben. Gleichzeitig warnt er davor, sich zu sehr einzuengen: „Apotheken sollten sich nicht auf bestimmte Schwerpunkte und Krankheiten spezialisieren“, empfiehlt er, „sondern möglichst breit aufgestellt sein“. Vor allem bei der Multimedikation – angesichts des Alterns der Gesellschaft ein Zukunftsthema – werde die Rolle der Apotheke als Anlaufstelle zunehmen und damit auch Zusatzleistungen wie patientenindividuelle Verblisterung.

Die Apotheken sollten sich Laumann zufolge bewusst sein, dass darin ihre Zukunft liegt. „Denn kein Patient wird zehn Kilometer für einen Einzelhändler fahren, wenn der sie nicht angemessen berät.“ Gleichzeitig solle die Apothekerschaft aber nicht versuchen, Kompetenzen der Ärzteschaft an sich zu ziehen.

In Augurzkys Studie klingt das in Nuancen anders. Während Laumann davor warnt, zum „Gemischtwarenladen“ zu verkommen, sieht der Volkswirtschaftler eines der wichtigsten Zukunftskonzepte in der „Komfort-Apotheke“: Warum nicht andere Dienstleistungen in die Offizin integrieren? Auf dem Land könne man darüber nachdenken, ob „Shop-in-Shop-Apotheken“ als allgemeine Dienstleister beispielsweise Postschalter einführen, um so einen höheren Mehrwert für die Kunden zu schaffen.

Dieser Gedanke scheint sowohl ABDA-Vize Arnold als auch einem Großteil des hauptsächlich aus der Branche stammenden Publikums nicht besonders zu schmecken. Augurzky begründet damit jedoch eine direkte Forderung an die Politik: Die solle den Apotheken mehr Freiheiten geben, um neue Ertragsmodelle und Dienstleistungsangebote einführen und testen zu können. „Im Moment haben wir noch genug Geld, um Ineffizienzen zuzuschütten. In fünf Jahren wird das schon anders sein“, prophezeit er.

Eines der wichtigsten Probleme ist damit aber auch noch nicht gelöst: Die Nachwuchssorgen der Branche. Was kann man da machen? „Wir gehen mit Netzen auf die Straße, fangen Elftklässler und zwingen sie, Pharmazie zu studieren“, erklärt ABDA-Vize Arnold. „Aber Spaß beiseite: Vielleicht kann man damit anfangen, als Berufsstand weniger zu jammern. Wenn ich als Abiturient die Apotheker klagen höre, überlege ich mir doch dreimal, ob ich Pharmazie studiere.“ Einerseits müssten deshalb durch Politik und Standesvertretung die Arbeitsbedingungen und durch die Kampagnenarbeit der ABDA das Image des Berufsstandes verbessert werden. Zauberwort: Soft Skills. „Wir müssen den Beruf des Apothekers als modern und zukunftsträchtig darstellen“, fordert Arnold.

Augurzky stimmt dem zu, warnt aber dennoch: Angesichts von 1,3 Millionen fehlenden Fachkräften in den Gesundheitsberufen bis 2030 müssten die Apotheken „überdurchschnittlich attraktiv sein“, schließlich konkurrierten sie mit anderen Gesundheitsberufen um den Nachwuchs. Dabei sei das Problem mit dem Image typisch für das Gesundheitswesen: „Das kennen wir auch aus der Pflege: Erst wird der eigene Berufsstand schlecht geredet, um Geld aus der Politik zu bekommen und dann hat man Nachwuchsprobleme, weil keiner mehr unter den kritisierten Bedingungen arbeiten will.“ Auch Laumann sieht die Apotheken in der Pflicht bei der Personalsuche: „Ich glaube, sie müssen da beispielsweise bei der Ausbildung mehr Verantwortung übernehmen.“ Wie genau, das erklärt er nicht.

Natürlich kommt kein Podium zu Apothekenpolitik ohne den Dauerbrenner Rx-Versandverbot aus. Laumann gibt sich bei dem Thema keinen Illusionen hin: „Im Koalitionsvertrag wurde in der Frage Rx-Versandverbot rumgeeiert. Ich glaube nicht, dass wir das noch hinkriegen.“ Zumindest an ihm solle es nicht scheitern: „Die CDU ist die einzige Partei, die das noch fordert. Bei den jetzigen politischen Verhältnissen kriegen Sie da keine Mehrheit hin.“ Auch hier will er jedoch vor den Apothekern keinen Zweifel an seiner Grundhaltung aufkommen lassen: „Die Versandapotheke ist keine Alternative, wenn man ein Bild von Apotheken hat, wie ich es habe“, beteuerte er schon zu Beginn.

Dennoch: „Wenn die Apotheken ihre Arbeit richtig machen, sehe ich keine Gefahr, dass der Versandhandel da noch mehr Marktanteile abgreift“, so Laumann. Damit liegt er auf Linie mit Augurzky, dessen Studie den Versand mit seinen geringen Marktanteil ebenfalls als „bisher nicht gravierend“ ansieht. Es werde eher eine Debatte aufgebauscht, so Laumann. „Da müssen wir uns gar nicht so sehr drüber aufregen“, resümiert er und fängt sich direkten Widerspruch aus dem Publikum ein: „Doch!“, schallt es ihm entgegen.

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