Die Vorbereitungen für die Fortsetzung des Pharmadialogs laufen bereits. Die sogenannten Kompetenzteams haben mit der Abstimmung der Themen begonnen: „Der Pharmadialog hat sich bewährt“, sagte Sabine Weiss (CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium (BMG) bei der BPI-Hauptversammlung. Im Mittelpunkt sollen die Themen Lieferengpässe, Arzneimittelsicherheit und Digitalisierung stehen. Neben den bisherigen Teilnehmern aus Pharmaindustrie, Bundesregierung und Wissenschaft sollen dieses Mal auch die Gesundheitspolitiker der Regierungskoalition mit am Tisch sitzen.
Weiss versprach, Deutschland als starken Pharmastandort zu erhalten: „Wir werden den Innovationsplatz zuverlässig fördern, den Zugang zu neuen Arzneimitteln für alle Patienten erhalten, aber die Arzneimittelkosten dürfen nicht explodieren.“ Weiss kündigte an, dass die Verordnung zum neuen Arzt-Informationssystem (AIS) in Kürze vom BMG vorgelegt wird. Damit sollten die Informationen aus der frühen Nutzenbewertung einfacher und schneller in die Arztpraxen gelangen.
Ein Absage erteilte Weiss den Plänen der EU-Kommission, die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel in der EU zu vereinheitlichen: „Wir müssen nicht alles einheitlich regeln.“ Der EU-Verordnungsvorschlag gehe zu weit und die rechtliche Grundlage sei unsicher. „der politische Gestaltungsspielraum bei der Preisbildung, der Erstattung muss erhalten blieben“, sagte Weiss.
Dr. Martin Zentgraf, Vorsitzender des BPI, forderte die Politik zu einer Kehrtwende auf „weg von einer primär kostengetriebenen, hin zu einer auf den Patienten zentrierten Versorgung“. Zentgraf lobte die konstruktive Zusammenarbeit in den Kompetenzteams zum Pharmadialog, die die Gespräche und den Austausch zwischen Politik und Industrie über die Legislaturperiode kontinuierlich weitergeführt haben. „Themen wie die Antibiotikaforschung und -entwicklung oder die Globalisierung der Gesundheitsversorgung enden nicht mit einer neuen Hausleitung. Wir müssen stetig an diesen Themen arbeiten“, so der Vorstandsvorsitzende.
Er forderte die Politik zudem dazu auf, im Pharmadialog an einer gemeinsame Strategie zu feilen, damit Deutschland auch künftig ein Land mit außergewöhnlich guter und für die Menschen sicheren Arzneimittelversorgung bleibt und die Potenziale der Gesundheitswirtschaft über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg genutzt werden.
Zentgraf: „Europa hat erkannt, wie wichtig die Standortpolitik für die Gesundheitsversorgung ist. Der so genannte SPC-manufacturing waiver ist hier ein richtiger Schritt, die Produktionsstandorte zu stärken. Voraussetzung dafür ist, dass durch Änderungen der Schutz von Innovationen mit neuen und bewährten Wirkstoffen durch Patente und Schutzzertifikate nicht ausgehöhlt wird.“
Sylvia Gabelmann, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte der Fraktion Die Linke, sieht die Fortsetzung des Pharmadialogs kritisch: „Schon der erste Pharmadialog von 2015/2016 hat gezeigt: Weil Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftsministerium damals nur die Pharmaindustrie eingeladen haben, konnte für die Patienten nicht viel herauskommen. Schließlich ging es ja um den Wirtschaftsstandort Deutschland - und nicht um die Belange kranker Menschen! Was wir aber brauchen, ist ein Gesprächskreis, der für eine qualitativ hochwertige, sichere und bezahlbare Arzneimittelversorgung für alle Menschen in Deutschland sorgen will.“
Das werde jedoch nicht gelingen, wenn die Krankenkassen und Bundesinstitute weiterhin nur am Katzentisch sitzen und Patientenvertreter, kritische Arzneimittelexperten, unabhängige Forscher und auch die fachkundige Arzneimittelkommission der Ärzteschaft auch zukünftig nicht mitreden dürften. Ebenso fehlen in der Liste derjenigen, die die Bundesregierung einladen wolle, alle Beteiligten in der Lieferkette, also Großhandel und Apothekerschaft.
Es stünden extrem wichtige Themen auf der Agenda der Arzneimittelpolitik: Arzneimittelpreise, die inzwischen mehrere hunderttausend Euro pro Patient jährlich erreichten, immer mehr Arzneimittel, die ohne Nutzenbewertung für spezielle oder seltene Erkrankungen auf den Markt gebracht werden dürften und „leider immer längere Listen von Lieferengpässen“. „Doch dieser Pharmadialog der Bundesregierung geht an den wichtigen Fragen zur Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit komplett vorbei“, so Gabelmann.
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