Die in dieser Woche anlaufenden Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD sollen im Eiltempo durchgezogen werden. Nach dem Willen der Union soll bis Weiberfastnacht der Vertrag für die Neuauflage der GroKo stehen. Gut zwei Wochen bleiben den Unterhändlern danach Zeit – ein anspruchsvolles Programm. Am Freitag sollen die Gespräche starten.
Mittwoch und Donnerstag werden Union und SPD intern ihre Verhandlungslinien abstecken. Anders als in den zurückliegenden Sondierungen soll es keine Dreier-Runde der Parteichefs, Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD), mehr geben. Diese Runde sei bei den Sondierungen wenig effektiv gewesen, heißt es in der Union. SPD-Chef Schulz habe sich mehrfach in den eigenen Reihen rückversichern müssen. Getroffene Vereinbarungen hätten nicht gehalten, moniert man dort.
Stattdessen soll die Spitzenrunde auf neun Personen erweitert werden. Neben den Parteichefs sollen die Fraktionschefs Volker Kauder (CDU/CSU), Alexander Dorindt (CSU-Landesgruppe) und Andrea Nahles (SPD) hinzugezogen werden. Auch die drei Generalsekretäre sollen teilnehmen. Begleitet werden die Verhandlungen von einer circa 50-köpfigen „Großen Runde“: Neben der Neuner-Spitze nehmen daran alle Minister der geschäftsführenden Bundesregierung teil sowie die Ministerpräsidenten und weitere Fachpolitiker der Parteien.
Damit wäre auch SPD-Außenminister Sigmar Gabriel im Boot, dessen Teilnahme Schulz eigentlich verhindern wollte. Auf CSU-Seite überrascht, dass der designierte neue Bayerische Ministerpräsident und starke Mann der CSU, Markus Söder, nicht auf der Liste steht. Wie es heißt, habe er selbst verzichtet. Das könne später noch Probleme nach sich ziehen.
Beginnen sollen die Verhandlungen am Freitag mit den Facharbeitsgruppen, die sich mit nur leichten Veränderungen an der Zusammensetzung der Sondierung orientieren. Verhandelt wird bis Montagmittag. Darauf folgt die nächste verhandlungsfreie Sitzungswoche des Bundestages. Dann werden die Fachgespräche wieder von Freitag bis Montag fortgesetzt. Der weitere Verhandlungsverlauf orientiert sich danach am Sachstand.
In den besonders kritischen Themen zeichnen sich Kompromisslinien ab: Bereits vereinbart ist die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der GKV. Für die Bürgerversicherung hat die SPD bereits ein politisch geschmeidigeres Wording gefunden: „Ende der Zwei-Klassen-Medizin“, lautet jetzt die Überschrift. Die Union ist bereit, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Kassenpatienten – beispielsweise bei der Verkürzung der Wartezeitung in der Arztpraxis – mitzugehen. Unklar ist, ob CDU und CSU einer Angleichung der Arzthonorare für PKV- und GKV-Patienten zustimmen werden. Das gilt auch für die von der SPD geforderte GKV-Wechseloption für Beamte.
Allerdings sandte Unionsfraktionschef Kauder (CDU) bereits deutliche Kompromisssignale an die Sozialdemokraten: „Bei der Gesundheitsversorgung will natürlich auch die Union Verbesserungen“, sagte Kauder den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Zwar lehne er die von der SPD geforderte Vereinheitlichung der Ärztehonorare ab. „Eine pauschale Angleichung der Ärztehonorare würde vermutlich fünf Milliarden Euro kosten“, sagte er. „Die bringt uns auch nicht weiter.“ Dagegen wären „höhere Honorare für die Behandlung von Kassenpatienten“ aus seiner Sicht „ein sinnvolles Instrument“.
Mit einer Reform der Honorarordnung könnte die GroKo noch ein weiteres Problem angehen: den Ärztemangel in ländlichen Gegenden. Bislang lassen sich Ärzte vor allem dort nieder, wo lukrative Privatpatienten sind. Eine angemessenere Honorarverteilung könnte Anreize dafür schaffen, dass Ärzte sich wieder auf dem Land ansiedeln. Wie und in welcher Intensität die aktuellen Apothekenthemen angesprochen werden, ist völlig offen.
Auch beim Arbeitsrecht gibt es Kompromisschancen. Hier dringt die SPD darauf, die Möglichkeit abzuschaffen, Arbeitnehmer bis zu zwei Jahre ohne sachlichen Grund befristet einzustellen. CSU und CDU hatten selbst in ihrem Wahlprogramm versprochen, sie würden „offenkundige Missbräuche abstellen“. Angesichts des wachsenden Arbeitskräftemangel müssen Firmen sowieso zunehmend um Bewerber buhlen – und stellen von vornherein unbefristet ein, um attraktiver zu werden. Die CDU will die sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen zunächst im öffentlichen Dienst angehen. Denn hier ist das Phänomen unter anderem bei Lehrern weiter verbreitet als in der freien Wirtschaft. Hier könnten auch die SPD-Ministerpräsidenten mitwirken, die eigenen Forderungen in die Tat umzusetzen, heißt es in der Union.
In der Union würde man es durchaus begrüßen, wenn SPD-Chef Schulz in das neuen GroKo-Kabinett einträte: Säße Schulz nicht am Kabinettstisch, sänke sonst seine Autorität in der SPD noch weiter mir unabsehbaren Folgen. Auch das könnte zu einer Belastung für die Regierungsarbeit werden. In den jüngsten Umfragen rutschte die SPD bereits auf nur noch 17 Prozent.
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