Wegen Reformen: Lauterbach kündigt höhere Beiträge an Lilith Teusch, 30.08.2024 11:27 Uhr
Statt konkrete Maßnahmen zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu ergreifen, kündige Karl Lauterbach (SPD) steigende Zusatzbeiträge an, kritisiert der GKV-Spitzenverband. Mit einem Interview sorgt der Gesundheitsminister für massive Kritik – und zwar direkt vor den Landtagswahlen.
In einem Interview mit dem „Stern“ hatte Lauterbach angekündigt, dass Anfang nächsten Jahres mit weiteren Beitragserhöhungen in der Kranken- und Pflegeversicherung zu rechnen sei. „Beim Beitragssatz werden wir wohl einen Anstieg sehen.“ Die Finanzierung der Reformen sei jetzt notwendig, um das Gesundheitssystem zukunftssicher zu machen, dafür müsse auch das Geld der Beitragszahler in die Hand genommen werden, so Lauterbach.
Damit habe er unverhohlen zu Protokoll gegeben, dass er den drastischen Beitragssteigerungen tatenlos zusehen werde, kritisiert Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. „Statt eines Maßnahmenplans, wie die Versorgung der rund 75 Millionen gesetzlich Versicherten endlich wieder auf eine solide finanzielle Basis gestellt werden kann, kündigt er anscheinend gleichmütig immer weiter steigende Zusatzbeiträge an.“
Aufgrund der ausgabentreibenden Gesetzgebung der letzten zehn Jahre müssten die Zusatzbeitragssätze Anfang nächsten Jahres um mindestens 0,6 Beitragssatzpunkte steigen, rechnet Pfeiffer vor. Dabei seien die vom Minister angekündigten Mehrkosten für die Krankenhausreform noch nicht berücksichtigt. Bereits im Juni warnte der GKV-Spitzenverband, dass die Krankenhausreform ab 2027 zu Mehrkosten von fünf Milliarden Euro pro Jahr führen werde.
Besorgniserregende Dynamik
Dr. Carola Reimann, Vorsitzende des AOK-Bundesverbands, nannte Lauterbach gar den „teuersten Gesundheitsminister aller Zeiten“: „Schon zur Jahreshälfte überspringt das GKV-Defizit die Zwei-Milliarden-Euro-Marke. Kassendefizite und Ausgabendynamik sind mittlerweile besorgniserregend, der Anstieg der Zusatzbeiträge innerhalb dieser Legislatur ist einmalig.“
Reimann: „Damit entwickelt sich Karl Lauterbach zum teuersten Bundesgesundheitsminister aller Zeiten. Statt auf die Ausgabenbremse zu treten, damit die Sozialbeiträge nicht weiter aus dem Ruder laufen, will der Minister das Geld der Beitragszahlenden weiter mit vollen Händen ausgeben. Inzwischen räumt er offen ein, dass alleine die anstehende Krankenhausreform zu höheren Beitragssätzen für die GKV-Versicherten führen wird.“
MwSt auf Arzneimittel senken
Die hälftige Finanzierung des Transformationsfonds, die der GKV trotz Nicht-Zuständigkeit aufgedrückt werden solle, sei aber nicht die einzige Maßnahme der Ampel, die den Druck auf die Beitragssätze erhöhen werde. „Auch die Aufhebung des Budgetdeckels für die Hausärzte, das Aufweichen der AMNOG-Leitplanken und die geheimen Erstattungsbeträge für Arzneimittel werden zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe verursachen, ohne einen echten Mehrwert für die Versicherten zu bringen.“
Reimann fordert endlich eine Lösung für die Empfänger von Bürgergeld, wie sie im Koalitionsvertrag vorgesehen sei. Eine weitere Maßnahme, mit der eine wirksame und nachhaltige finanzielle Entlastung der GKV möglich wäre, sei die Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel auf 7 Prozent. „Insgesamt brauchen wir dringend eine Ausgabenpolitik, die sich konsequent an der Einnahme-Situation orientiert. Nötig sind zudem wirksame Strukturreformen, die perspektivisch für eine Begrenzung der Ausgaben sorgen und einen echten Nutzen für die GKV-Versicherten bringen.“
Lauterbach hatte sich bereits darauf eingestellt, dass er wegen der Kosten seiner Reformen im Herbst kritisiert werden würde. Dass er direkt vor den entscheidenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen mit der Botschaft rausgeht, dürfte auch in den eigenen Reihen kritisch gesehen werden.
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