Notorische Nörgler, zwanghafte Sparer: Die Kassen nehmen im Gesundheitssystem derzeit nur noch die Rolle von Pfennigfuchsern ein. So richtig es ist, ein wachsames Auge auf die Versichertengelder zu haben: Irgendwann in den vergangenen Jahren scheint die GKV vom Kurs abgekommen zu sein und ihre Seele verkauft zu haben.
Sparsamkeit ist eine Tugend, insbesondere wenn es um anvertraute Gelder geht. Aber wenn Sparsamkeit erst zu Geiz und dann zu Missgunst wird, schlägt das Ganze schnell ins Gegenteil um und verdirbt den Charakter.
So zu beobachten bei den Krankenkassen, die in ihrem Sparwahn mittlerweile ihren ursprünglichen Auftrag völlig aus dem Auge verloren haben: Möglichst geräuschlos eine optimale Versorgung ihrer Versicherten zu ermöglichen – und zwar am besten von der Seitenlinie aus. Nicht umsonst gibt es das Sachleistungsprinzip, in dem Kassen im Verhältnis zwischen Patient und Heilberuf nicht zu suchen haben, sondern nur die Kosten übernehmen sollen.
Die Kassen aber sind längst nicht mehr nur die Pfennigfuchser, sondern die Spielverderber im Gesundheitssystem. Schon präventiv wird eigentlich permanent Gift und Galle in alle Richtungen verspritzt – mit etwas gutem Willen könnte man es noch als Taktik sehen, die Leistungserbringer durch permanente Gängelei möglichst klein zu halten. Was sich auch bei den Apotheken auf verschiedenen Ebenen niederschlägt – im politischen Diskurs durch immer abstrusere Liberalisierungsforderungen, in der Versorgung durch das elendige Kleinklein der Lieferverträge und in der Abrechnung durch die Retaxierung von Formfehlern.
Wenig überraschend, dass den Kassenvertretern im Gesundheitswesen allmählich so viel Sympathie entgegengebracht wird wie im Wirtschaftsleben etwa Betriebsprüfern oder dem Finanzamt.
Man könnte den Standpunkt vertreten, dass Klappern – oder in diesem Fall Poltern – zum Handwerk gehört. Und dass das Maß an Überheblichkeit und Zynismus und der viele Schaum vor dem Mund nur Fassade sind, um im Gefeilsche mit den Leistungserbringern das Optimum herauszuholen.
Nur leider zeigt sich gerade jetzt, dass es die Kassen sind, die die Versorgung der Versicherten gefährden. Wenn kurz vor Weihnachten in einer der schwersten Welle an Atemwegserkrankungen seit Jahren ausgerechnet Niedrigpreisartikel wie Fiebersäfte fehlen, wenn Eltern verzweifelt sind und der Gesundheitsminister zum Handeln gezwungen wird, um seinen Job nicht zu verlieren, wenn Arztpraxen und Apotheken mit ihrem Engagement den Kollaps der Versorgung verhindern – in dieser Situation fällt den Kassen nicht Besseres ein, als die Eckpunkte als „Weihnachtsgeschenk“ an die Industrie abzulehnen und einen Engpass-Gipfel zu fordern.
Es wird Zeit, die Kassen und ihre Funktionäre auf ihren Platz zurückzuverweisen. Es wird Zeit für ein Allmacht-der-Kassen-brechen-Versorgung-sichern-Gesetz.
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