Interview Jörg Geller (Kohlpharma)

„Warum sollten wir uns diesen Schuh anziehen?“

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Berlin -

Als die ABDA vor vier Jahren zum Angriff auf die Importquote blies, passiert: nichts. Doch der Fall Lunapharm hat die Debatte neu entfacht. In der Branche scheint man nervös, doch beim Marktführer Kohlpharma gibt man sich betont gelassen. Im Interview erklärt Geschäftsführer Jörg Geller, warum Apotheker dankbar für die Importquote sein sollten und wo Verbesserungsbedarf besteht.

ADHOC: Die Debatte um Importe wird seit Jahren geführt. Machen Sie sich wegen dem Lunapharm-Skandal trotzdem Sorgen?
GELLER: Da gibt es im Prinzip überhaupt nichts Neues. Ich bin seit rund 20 Jahren in der Branche tätig – den Namen Lunapharm hatte ich noch nie gehört, bis die Firma jetzt in die Medien kam. Die hatte keinerlei Bedeutung im Markt. Und da frage ich mich schon: Warum kaufe ich als Apotheker bei einer Firma ohne Reputation ein, die ihren Sitz in einem Einfamilienhaus hat?

ADHOC: Trotzdem hätte es den Fall ohne den Importmarkt nicht gegeben. Und jetzt steht wieder die ganze Branche am Pranger. Sind Sie nervös?
GELLER: Wieso sollte ich? Kohlpharma feiert im nächsten Jahr 40-jähriges Firmenjubiläum. Wir hatten in all den Jahren keine einzige Beanstandung. Warum sollten wir uns diesen Schuh anziehen? Wer bis drei zählen kann, würde auch nicht erwarten, dass uns dieser Schuh passt. Meine Signale aus der Politik sind jedenfalls vollkommen andere. Das ist letztlich wie im Fall Peter Stadtmann. Niemand käme auf die Idee, dass alle Apotheker sich so verhalten, nur weil es diesen einen Fall gibt. Auch den Valsartan-Fall hätte es ohne Generika nicht gegeben. Da kann man auch nicht eine ganze Branche im Grundsatz in Frage stellen.

ADHOC: Sie haben Kritiker öffentlich mit deren eigener hohen Importquote konfrontiert. Nehmen Sie die Diskussion persönlich?
GELLER: Nein, überhaupt nicht. Aber wenn der Zytoapotheker Dr. Stadler öffentlich und undifferenziert zum Boykott aufruft, muss er sich die Frage nach seiner Glaubwürdigkeit schon gefallen lassen.

ADHOC: Sie geben immerhin die Geschäftsbeziehung zu einer Apotheke preis.
GELLER: Wir haben keine Geschäftsbeziehung zu dieser Apotheke. Das sind Abrechnungsdaten des Herstellerrabatts, die uns vorliegen und die Herr Dr. Stadler kaum bestreiten wird. Vielleicht hätten die an dieser Diskussion interessierten Kreise sich besser einen glaubwürdigeren Kronzeugen ausgesucht.

ADHOC: Glauben Sie, dass trotzdem Kollegen seinem Import-Boykottaufruf folgen?
GELLER: Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Der wesentliche Grund, warum die Apotheker bei uns bestellen, ist, dass es für sie lukrativ ist. Und die Vorbehalte gegen den Import haben nichts mit Arzneimittelsicherheit zu tun, sondern mit der Komplexität der Regelungen. Das kann ich sogar nachvollziehen. Die Regeln ließen sich von den Vertragspartnern jederzeit vereinfachen.

ADHOC: Sie meinen die kassenübergreifende Importquote?
GELLER: Zum Beispiel. Ich halte es aber auch nicht für zielführend, wenn die Landesapothekerverbände mit einzelnen Kassen oder -verbänden wiederum eigene Verträge schließen. Das macht es nur komplizierter und es gibt dafür keinen sachlichen Grund. Am Ende gilt sowieso die bundesweite Vereinbarung. Apotheker haben mir gegenüber den Verdacht geäußert, die LAV würden sich damit lediglich ihre Existenzberechtigung sichern. Ich kenne die Beweggründe letztlich nicht.

ADHOC: Sie glauben also nicht, dass die Politik das Thema angeht?
GELLER: Die Forderung Einzelner an die Politik, die Importquote abzuschaffen, ist absurd. Das Bundesgesundheitsministerium kann die Quote gar nicht abschaffen, weil es keine gesetzliche Regelung ist, sondern eine vertragliche zwischen dem DAV und dem GKV-Spitzenverband. In der Debatte wird oft vergessen, dass es sich um eine Einschränkung des Wirtschaftlichkeitsgebots handelt. Ohne Importquote und die Regelungen des § 129 SGB V dürften die Apotheker quasi nie das Original abgeben. Da haben die Kassen und Fritz Becker eine sinnvolle Regelung geschaffen, die allen nützt.

ADHOC: Womit wir bei der Streitfrage wären, ob Apotheker bei gesetztem Aut-idem-Kreuz Original und Import austauschen sollen, wenn ein Rabattvertrag besteht. Sie sagen: Nein.
GELLER: Mehrere Sozialgerichte haben hier eindeutig geurteilt. Die ärztliche Verschreibung hat Vorrang und der Apotheker damit Rechtssicherheit. Mit Aut-idem-Kreuz verordnete Importe sind abzugeben, Rabattvertrag hin oder her. Wenn Apotheker gegen entsprechende Retaxationen geklagt haben, haben sie in erster Instanz in jedem einzelnen Fall gewonnen. Die Krankenkassen schlucken das Urteil im Einzelfall und vermeiden eine letztinstanzliche Klärung. Jeder Apotheker muss für sich entscheiden, ob er bereit ist, diesen Aufwand auf sich zu nehmen. Das Risiko, einen Prozess zu verlieren, halte ich nach den gemachten Erfahrungen für gering.

ADHOC: Wäre es nicht Sache des DAV, das zu klären?
GELLER: Zu einer Musterklage müssen beide Seiten bereit sein. Für die Kassen ist es so viel bequemer. Sie sind groß, die Apotheke ist klein und wird in der Regel nicht vor Gericht ziehen. Aber der DAV sollte aus meiner Sicht Klagen von Apothekern gegen solche Retaxationen unterstützten und finanzieren. Zudem ist es nicht sinnvoll, vertragliche Verpflichtungen zu schließen, die Rechte der Ärzte einschränken.

ADHOC: Ein Vorwurf gegen ihre Branche ist regelmäßig, der Import entziehe Märkten die Arzneimittel. Wie kontern Sie dem?
GELLER: Das ist schon im Grundsatz absurd. Unsere Branche hatte die größten Umsätze vor etwa zehn Jahren – und das ohne Osteuropageschäft. Niemand hat zu dieser Zeit jemals von Knappheiten gesprochen. Die Großhändler müssen zuerst ihre lokalen Märkte versorgen, Stichwort „Public service obligation“. Sie dürfen also nichts ins Ausland verkaufen, wenn der Bedarf im Heimatland nicht gedeckt ist. Es ist auch kaufmännisch logisch, dass sie sich entsprechend verhalten.

ADHOC: Es ist auch kaufmännisch logisch, Ware zu einem höheren Preis zu verkaufen, wenn das möglich ist.
GELLER: Ja, aber nicht, wenn man dadurch seine Hauptkunden, die lokalen Apotheker verärgert. Es sind die Hersteller, die Ware verknappen oder für Knappheiten verantwortlich sind. In Kliniken fehlen regelmäßig Arzneimittel – und da spielt der Import überhaupt keine Rolle. Grund für eine Verknappung sind fast immer Konzentration der Produktion auf wenige Standorte sowie ungeplante Umsatzgrößen zum Beispiel aufgrund von Rabattverträgen.

ADHOC: Ist es nicht zu einfach, Lieferengpässe auf die Preispolitik der Hersteller zu schieben?
GELLER: Die Preispolitik hatte ich nicht erwähnt. Sie ist lediglich eine notwendige Bedingung, dass Parallellhandel überhaupt stattfinden kann. Noch einmal: Wir haben überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass Knappheiten von Importeuren verursacht werden. Deswegen spielt der Import auch in allen Veröffentlichungen der Europäischen Kommission zu dem Thema Engpässe keine relevante Rolle. Deswegen ärgert mich diese von den Originalherstellern befeuerte Debatte so, da sie nur den Zweck verfolgt, unser Geschäftsmodell zu diskreditieren. Sie zeigt aber, dass wir nach wie vor als einzige Wettbewerber ein Stachel im Fleische von Big Pharma sind.

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