Spahn: Zweifel am Rx-Versandverbot Lothar Klein, 29.08.2017 12:48 Uhr
Anfang August startete die ABDA ihren „Wahlradar Gesundheit“. Dort sollen möglichst alle rund 1800 Bundestagskandidaten auf Fragen der ABDA-Wahlkreisapotheker antworten und damit ihre politischen Positionen zur Apothekenpolitik darlegen. Jetzt liegt die erste Antwort vor – ausgerechnet von einem AfD-Kandidaten: Ferdinand Weber aus dem Wahlkreis Pirmasens in Rheinland-Pfalz eröffnet den Reigen. In Westfalen-Lippe ist man da schon weiter. Dort sind bereits 31 Kandidaten-Antworten zu lesen – unter anderem von Jens Spahn (CDU) mit einem Statement zum Rx-Versandverbot.
Im Apotheken-Wahlcheck 2017 des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe (AVWL) finden sich bereits über 30 Antworten. Darunter auch bundespolitisch bekanntere Kandidaten wie Kathrin Vogler (Die Linke) und Finanzstaatssekretär Spahn. Bislang hat der frühere gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion mit unerfüllten Ambitionen auf den Sessel des Gesundheitsministers beharrlich zur Diskussion über die Konsequenzen aus dem EuGH-Rx-Boni-Urteil geschwiegen.
Die Antwort auf die entsprechende Frage des AVWL fällt vorsichtig aus: „Hier muss der Politik ein schwieriger Spagat gelingen: Einerseits gehört der Versandhandel zum Wettbewerb im Apothekenmarkt und ist für manche eine willkommene Alternative geworden. Andererseits brauchen wir auch ein verlässliches und stabiles Apothekennetz vor Ort, weil dies Sicherheit in der Versorgung garantiert. Zur Wahrheit gehört, dass sich Marktmodelle wandeln – Politik muss dafür sorgen, dass so etwas behutsam geschieht.“ Zulässig dürfte die Interpretation sein, dass Spahn nicht zu den alternativlosen Befürwortern des Rx-Versandverbotes gehört.
Dennoch sieht Spahn bei den Vor-Ort-Apotheken eine wichtige Aufgabe: Apotheken stünden für Ansprechbarkeit und Kompetenz. „Sie sind als Ansprechpartner vor Ort für Patientinnen und Patienten sehr wichtig“, so Spahn, der gemeinsam mit SPD-Politiker Karl Lauterbach vor vier Jahren den Koalitionsvertrag zum Kapitel Gesundheit als Grundlage für die Arbeit von Minister Hermann Gröhe (CDU) ausgehandelt hatte.
Für den jetzigen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium spielen Apotheken in der Gesundheitsversorgung eine „große Rolle“. Viele Patienten griffen beispielsweise bei einer Erkältung auf den Erfahrungsschatz von Apothekern zurück. Spahn: „Das Verhältnis von Apothekern zu den Kunden ist wichtig und in der Regel von Vertrauen geprägt.“
Wenn Vogler von den Linken, die nicht weit entfernt von Spahn im Wahlkreis Steinfurt III kandidiert, an Apotheken denkt, fällt ihr zuerst ihr „Hausapotheker und seine Mitarbeiterinnen, die mich seit Jahren kennen und immer kompetent und freundlich beraten“, ein. Die Linke wolle vielmehr die Rolle der Apotheken stärken. Das EuGH-Urteil habe sie „mit Entsetzen zur Kenntnis genommen“. Dies sei ein weiterer Grund, den Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln abzulehnen.
Wie Spahn nicht eindeutig hinter dem Rx-Versandverbot steht auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Ralph Brinkhaus: Die Union habe sich im Wahlprogramm zwar positioniert, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. „Gleichzeitig haben sich aber auch viele Menschen persönlich an mich gewandt, die ihre Medikamente schon heute vom Versandhandel beziehen, mit dieser Leistung zufrieden sind und sich Sorgen machen, wie es in ihrem Fall weitergeht. Auch das müssen wir ernst nehmen und bei zukünftigen Entscheidungen berücksichtigen“, so Brinkhaus. Wichtig sei, dass am Ende nicht die stationären Apotheken vor Ort benachteiligt würden.
Der SPD-Kandidat Ralf Kapschack hingegen kann sich – abweichend von der SPD-Linie – ein Rx-Versandverbot vorstellen: „Ich persönlich habe Sympathien für ein Verbot des Versands verschreibungspflichtiger Arzneimittel. Es gibt allerdings erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken, ein seit 2004 bestehendes Recht einzuschränken, weil dies in die vom Grundgesetz geschützte Berufsausübungsfreiheit eingreift. Dagegen steht allerdings die Position des EuGH, der ein nationales Verbot nicht grundsätzlich ausgeschlossen hat.“
Die ABDA muss noch auf mehr Antworten bei ihrem Wahlradar hoffen. Das Erfolgsmodell der hochwertigen Arzneimittelversorgung in Deutschland werde durch marktliberale Tendenzen vor allem auf EU-Ebene und das EuGH-Urteil zunehmend in Frage gestellt, lautete die Einleitung zur Frage: „Welche Möglichkeiten sehen Sie, die inhabergeführten Apotheken bei uns vor Ort zu schützen und die pharmazeutische Vollversorgung für die Patienten langfristig zu sichern?“
Die Steilvorlage greift AfD-Kandidat Weber dankbar auf: „Wir sehen die Konstruktion der EU in der bestehenden Art sehr skeptisch. Diese zeigt immer wieder, dass es zu Lasten gut funktionierender Systeme geht und andere, teils zweifelhafte, gefördert werden. Das gesamte Konstrukt muss zwingend überprüft und auf gesunde Beine gestellt werden, ansonsten bleibt lediglich der Austritt“, so Weber.
In der zweiten Frage möchte die Apotheke aus Rheinland-Pfalz wissen, wie die Kandidaten dazu beitragen wollen, dass die Apotheken vor Ort umfassend in die Digitalisierungsstrategie eingebunden werden und die Patienten in ihrem Wahlkreis schnell und datensicher von den Entwicklungen profitieren können? In seiner Antwort hebt Weber auf den Datenschutz ab: Es müsse gewährleistet sein, dass keine privaten Daten öffentlich gemacht werden könnten: „Wir, als AfD, können hierbei entsprechend Druck auf die regierenden Parteien ausüben, da wir als wirkliche Opposition fungieren und uns nicht mit dem nächstbesten Ministerposten in eine Koalition ziehen lassen.“ Zunächst muss die AfD dafür ohnehin den Einzug in den Bundestag schaffen.