Die Freien Demokraten lehnen nicht nur ein Verbot des Versandhandels von rezeptpflichtigen Arzneimitteln ab, sie wollen auch Apothekenketten zulassen und dazu das Fremdbesitzverbot abschaffen. Mit großer Mehrheit lehnte der FDP-Parteitag nach ausführlicher und teilweise turbulenter Debatte den Antrag des Landesverbandes Baden-Württemberg ab, ein Rx-Versandverbot zu prüfen. Die große Mehrheit stimmte für den von der FDP-Parteiführung um Christian Lindner entwickelten Vorschlag zur Arzneimittelversorgung.
Circa 45 Minuten nahmen sich die 662 Delegierten Zeit für die Diskussion über die Arzneimittelversorgung. Zunächst sah es nach einer noch ausführlicheren Debatte aus. Mehrere Geschäftsordnungsanträge unterbrachen die inhaltliche Diskussion. „Es ist eine Frechheit, so viele Änderungsanträge zu stellen“, regte sich ein Delegierter über das Prozedere auf. Schließlich habe vor dem Parteitag ausreichen Zeit zur Befassung mit dem Thema Arzneimittelmarkt zur Verfügung gestanden. Der Antrag auf Abbruch der Debatte fand nach nur einer Rednerin eine Mehrheit.
Zuvor hatte FDP-Mitglied und Apothekerin Andrea Kanold aus Baden-Württemberg für ein Rx-Versandverbot geworben. Sie sei „in die Höhle des Löwen gekommen, um eine Lanze für die Vor-Ort-Apotheken zu brechen“. Ausländische Versandapotheken seien rein wirtschaftlich orientiert. Die Apotheken vor Ort böten aber mehr. Wenn sich die FDP die Stärkung der Mitte auf die Fahnen schreibe, dann gehörten dazu auch „kleine und kleinste Unternehmen wie Apotheken“, sagte Kanold. „Wir bezahlen unsere Steuern hier“, so die Apothekerin, „wir sind immer für Sie da.“ Auch die Apotheken an der Ecke seien „modern und digital aufgestellt“.
Bei den Delegierten fand Kanold aber kein Gehör. Mit 73 Prozent der Stimmen lehnte der Parteitag den Antrag Baden-Württembergs ab, ein Rx-Versandverbot immerhin zu prüfen. Damit setzte sich am Ende der Vorschlag der FDP-Führung für das Wahlprogramm durch. Ohne Aussprache aufgenommen wurde eine Passage zum Fremdbesitzverbot: Im Wahlprogramm heißt es nun: „Weitere Marktzugangshemmnisse wie das Fremdbesitzverbot müssen abgeschafft werden.“
FDP-Chef Christian Lindner hatte sich nach dem EuGH-Urteil mehrfach gegen ein Verbot des Rx-Versandverbots ausgesprochen. Zum Auftakt des FDP-Parteitages hatte Linder mit Blick auf diesen Streit gesagt, die FDP sei „nicht die Partei organisierter Interessen, sondern die Partei für die Wahlfreiheit der Kunden“. Die FDP stehe für Wettbewerb und nicht für den Schutz von Interessen. Man könne nicht Apotheken vor Ort und Versandapotheken gegeneinander ausspielen. „Der Staat ist nicht der Aufpasser oder Erziehungsberechtigte“, sagte Lindner. Die FDP setze auf den Einzelnen und „der ist nicht schwach oder hilfebedürftig“.
Im FDP-Wahlprogramm heißt es jetzt: „Zur Stärkung der inhabergeführten Apotheke vor Ort setzen wir Freie Demokraten uns ferner dafür ein, dass beispielsweise Abrechnungsmöglichkeiten für besondere Leistungen, insbesondere die individuelle Beratung, eingeführt werden. Ein Sicherstellungszuschlag für Apotheken in abgelegenen Standorten würde zudem dazu führen, dass die leistungsfähigen Strukturen flächendeckend erhalten bleiben“, heißt es darin. Zusätzlich müssten Notdienste angemessen honoriert und dringend Bürokratie im Arzneimittelwesen abgebaut werden.
Die FDP beteuert, mit diesen Vorschlägen die flächendeckende Versorgung mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln rund um die Uhr sowie die qualifizierte Beratung von Patienten zu sichern. Die FDP setze sich „für faire Rahmenbedingungen“ zwischen inländischen Apotheken und ausländischen Versandapotheken ein und wolle die inhabergeführten Apotheken in Deutschland stärken. „Ein pauschales Versandhandelsverbot von rezeptpflichtigen Arzneimitteln lehnen wir ab, denn jede Patientin und jeder Patient sollte die Wahlfreiheit haben, von wem er sein rezeptpflichtiges Arzneimittel bezieht“, so das Wahlprogramm.
Die FDP halte ein „differenziertes Angebot für zwingend erforderlich“, welches einerseits Patienten die Nutzung digitaler Angebote ermögliche, andererseits die durch die inländischen Apotheken bisher sehr gut gewährleistete Versorgungsqualität sicherstelle. Dafür müsse das Versorgungssystem in Deutschland im Dialog mit Patienten und Apothekern weiterentwickelt werden.
Auch zwischen den Krankenkassen will die FDP mehr Wettbewerb zulassen. Denn in „Notfällen oder Krankheit ist die Möglichkeit, frei zu entscheiden, besonders wichtig“, glaubt die FDP. Ein „Dickicht“ aus Vorschriften schränke die eigene Entscheidung ein. Dazu sollen die Krankenkassen über die Leistungen, die sie anbieten, stärker miteinander in den Wettbewerb treten können: „Dazu wollen wir den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern ausweiten, um innovative Versorgungsformen zu stärken.“
Die Versicherten sollen frei zwischen privaten und gesetzlichen Kassen wählen können. Die von der SPD favorisierte „Bürgerversicherung“ lehnt die FDP ab. Stattdessen soll jeder Bürger „frei und unabhängig vom Einkommen“ zwischen PKV und GKV wählen können. Auch den Wechsel von der PKV in die GKV will die FDP erleichtern. Die GKV soll mehr Selbstständigkeit bei Tarifoptionen und Leistungsangeboten bekommen. Abschaffen will die FDP außerdem die Budgetierung im Gesundheitswesen. Dies betrifft unter anderem die niedergelassenen Ärzte, aber auch die Krankenhäuser. Die FDP will, dass die Bürger „über ihre Behandlung mitentscheiden können und Leistungen sowie Kosten transparent werden“. Dazu sollen sie die freie Wahl zwischen verschiedenen Tarifen und Selbstbeteiligungen haben.
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